Hamburg. Seit dieser Saison spielt das Hamburger Eishockeyteam nur noch in der Verbandsliga. Der Zuschauerschnitt bleibt dennoch hoch.
Den Fans der Crocodiles Hamburg steht am Sonnabend eine besondere Auswärtsfahrt bevor. Um von der U1-Haltestelle Farmsen, der sportlichen Heimat der Eishockey-Mannschaft, zur Eisbahn Stellingen zu gelangen, müssen die Fans drei verschiedene U-Bahnlinien nutzen und ungefähr 45 Minuten einplanen.
Im Eisstadion an der Hagenbeckstraße, das von außen eher an ein Zirkuszelt erinnert, spielt ihre Mannschaft von 18 Uhr an ein kleines Hamburger Eishockey-Derby gegen die zweite Mannschaft des HSV. Und um ihre Mannschaft gebührend zu unterstützen, haben sich die Fans zu einer gemeinsamen U-Bahn-Fahrt verabredet. Für ein Spiel in der fünften Liga, wohlgemerkt. Doch die Euphorie unter den Anhängern ist groß.
Noch im April waren die Fans und Verantwortlichen der Crocodiles alles andere als in Feierlaune gewesen. Damals fehlte ein mittlerer sechsstelliger Betrag, um den Spielbetrieb in der Oberliga, der dritthöchsten Spielklasse in Deutschland, aufrechtzuerhalten. Die Insolvenz und der Rückzug aus der Liga waren die unvermeidbaren Konsequenzen. Es war das vorläufige Ende des professionellen Eishockeysports in Hamburg.
Crocodiles Hamburg: Nahbar und nachhaltig zum Erfolg?
Seitdem spielen die Crocodiles in der fünftklassigen Verbandsliga Nord, in der vorher die zweite Mannschaft gemeldet war. Diesmal, so die Hoffnung, mit nachhaltigem Erfolg und auf einer soliden finanziellen Basis. „Wir wollten den Weg aus der Oberliga nicht recyceln, sondern einen neuen, durchdachten und nahbaren Kurs einschlagen“, sagt Heiko Stockhausen, Mannschaftsleiter der Crocodiles. „Wir gehen auf Tuchfühlung mit unseren Zuschauern. Bei uns können die Fans nach dem Spiel auch noch in die Kabine kommen.“
Diese Nähe wird honoriert. Im Schnitt besuchen 600 Fans die Spiele in Farmsen, mehr als bei manch einem höherklassigen Verein. Zum Rückspiel gegen den HSV 1b, wie im Eishockey die zweiten Mannschaften bezeichnet werden, das am 5. Januar in Farmsen stattfindet, erwarten die Verantwortlichen bis zu 1000 Fans.
Am 5. Januar werden 1000 Fans in Farmsen erwartet
„Die Begeisterung für den Sport ist groß“, stellt auch Susann Noll fest. Sie leitet die Eishockey-Abteilung des Crocodiles-Stammvereins Farmsener TV und ist Ansprechpartnerin für jedes Mitglied: „Wir erleben einen wahnsinnigen Zulauf und bekommen durchweg positives Feedback. Damit hätte ich nie gerechnet.“
Das Team besteht inzwischen zu einem großen Teil aus jungen Spielern, die im Sommer aus der eigenen Jugend in den Herrenbereich gewechselt sind. Viele von ihnen studieren, machen eine Ausbildung oder haben gerade erst die Schule beendet. „Jetzt rocken die jungen Wilden die Verbandsliga“, sagt Stockhausen. Er selbst spielt kein Eishockey, sondern Fußball, doch einer aus der jungen Crocodiles-Garde ist sein Sohn Jonas, den er schon in der Jugend als Betreuer begleitet hat.
Aufstieg in die Regionalliga als Saisonziel
Nach sechs Spieltagen steht Stockhausens Team mit fünf zum Teil deutlichen Siegen an der Tabellenspitze. Da es in der Liga nur fünf Mannschaften gibt, spielen alle viermal gegeneinander. Perspektivisch sollen die jungen Krokodile ihr Können aber auch in höheren Ligen unter Beweis stellen: „Unser Ziel ist die Regionalliga, das haben wir auch im Team klar besprochen“, sagt Stockhausen. „Aktuell haben wir in unserem Kader vielleicht drei bis fünf für die Regionalliga taugliche Spieler. In der Spielklasse bräuchten wir auch mindestens 100.000 Euro mehr, um zu bestehen.“
Die Finanzen treiben auch Noll Tag für Tag um. „Wir finanzieren uns über die Mitgliedsbeiträge, bekommen Zuschüsse vom Hamburger Sportbund und haben natürlich auch Sponsoren, die uns zum Glück treu geblieben sind“, erzählt sie. Eintritt für die Spiele verlangen die Crocodiles nicht. Noll, Stockhausen und ihre Kollegen arbeiten allesamt ehrenamtlich für den Verein. „Ich bin für jeden Cent dankbar“, sagt Noll.
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Denn Eishockey ist kein günstiger Sport. Von der Ausrüstung bis hin zur Hallenmiete fallen erhebliche Kosten an „Jede Stunde auf dem Eis kostet Geld“, sagt Noll. Insbesondere die gestiegenen Energiepreise wirken sich auf das Budget aus – und führten zuletzt sogar dazu, dass eine Hamburger Eissporthalle komplett schließen wird. Anfang der Woche wurde bekannt, dass die Eisfläche in der bisher von der Alexander-Otto-Sportstiftung finanzierten q.beyond Arena in Bahrenfeld aufgegeben wird. Stattdessen wird der HSV, der die gesamte Halle kostenfrei übernimmt, hier eine Dreifeldhalle für andere Sportarten einrichten.
Kritik an der Hallenschließung: „Hamburg mag kein Eishockey“
Dies ist ein herber Rückschlag für den Eishockeysport in Hamburg. Zahlreiche Nachwuchs- und Hobbymannschaften verlieren dadurch ihre Trainings- und Spielzeiten, für Freizeitsportler fällt zudem eine der wenigen Möglichkeiten zum Schlittschuhlaufen weg. Auch die Jugendmannschaften der Crocodiles haben in Bahrenfeld zum Teil ihre Spiele ausgetragen.
„Wir wurden vor vollendete Tatsachen gestellt“, beklagt Susann Noll die Entscheidung und kritisiert vor allem, dass es von der Politik und dem Hamburger Eis- und Rollsportverband keine durchdachten Pläne für die Zukunft gebe. „Mein Gefühl sagt mir: Hamburg mag kein Eishockey.“ Auf die Anhänger der Crocodiles trifft dies allerdings nicht zu.
Ein deutlich besseres Gefühl dürfte sie dafür am Freitagabend gehabt haben. Beim Weihnachtslaufen der Crocodiles kamen alle Mannschaften, um gemeinsam auf dem Eis zu stehen und hinterher das eine oder andere Getränk zu sich zu nehmen. „Wenn man da die kleinen Stöpsel auf dem Eis herumfahren sieht, ist das schon ein schönes Gefühl und Belohnung für all den Aufwand.“ Und vielleicht steht einer dieser kleinen Nachwuchsfahrer in ein paar Jahren auch für die Crocodiles auf dem Eis – in welcher Liga auch immer.