Hamburg. Das 2:2 gegen den HSV sorgt für viel Frust bei den Kiezkickern. Doch eigentlich sollte der Auftritt Mut für die weitere Saison geben.

Es war eigentlich alles über die Wahrnehmung des Derbyresultats zwischen dem FC St. Pauli und HSV gesagt, als Moderator Klaus Bellstedt am Sonnabendvormittag bei einer Medienveranstaltung zur EM-Auslosung um Entschuldigung bei Oke Göttlich bat, ihn "auf den Abend zuvor" anzusprechen. Der Präsident St. Paulis schmunzelte und antwortete dann, dass es doch sehr wohl Erfolge gegeben habe.

Beispielsweise war es rund um das Hochsicherheitsspiel sowie auch im Millerntor-Stadion weitgehend ruhig gewesen. Die befürchtete Krawalle blieben aus, ebenso wie größere Einsätze der Polizei. "Darüber sind wir sehr glücklich", sagte Göttlich beim Pressebrunch auf dem Lieger Caesar am Sandtorhafen.

Unentschieden im Derby gegen den HSV für St. Pauli gefühlte Niederlage

Das schien auf den ersten Blick das einzig Positive zu sein, dass die Kiezkicker dem Derby abgewinnen konnten. Gefrustet stürmten die meisten Profis nach Spielende durch die Mixed-Zone. Wer sich stellte, nahm die Worte "Ernüchterung" und "Enttäuschung" in den Mund.

Vielleicht sollte daher an dieser Stelle kurz daran erinnert werden: Die Partie endete mit einem 2:2-Unentschieden. Und doch fühlte sich dieses Ergebnis nach abgegebener 2:0-Halbzeitführung nicht wie ein gewonnener Punkt an, sondern wie zwei verlorene Zähler.

Kapitän Irvine: "Verpasste Gelegenheit"

Als "verpasste Gelegenheit" beschrieb Kapitän Jackson Irvine die Begegnung, die er selbst mit dem Treffer zum 1:0 auf einen für die Gastgeber guten Weg gebracht hatte. Innenverteidiger Hauke Wahl sprach von einer "sehr, sehr guten ersten Halbzeit". Mittelstürmer Johannes Eggestein sah St. Pauli als "klar bessere Mannschaft".

Ganz eindeutig: Es brauchte etwas, bis der inhaltliche Kern dieser Worte gesackt war. Denn eigentlich besagten diese, dass die Kiezkicker im Spitzenspiel gegen den Tabellenzweiten überlegen waren - und zwar nicht nur verbal, sondern ebenso optisch wie statistisch (18:6 Torschüsse, 60 Prozent Ballbesitz).

Enttäuscht vom Ergebnis, nicht von der Leistung

Vermutlich dies veranlasste Cheftrainer Fabian Hürzeler später am Freitagabend dazu, von "Schritten nach vorn" zu sprechen. "Ich bin heute enttäuscht über das Ergebnis, aber nicht über unsere Leistung. Es gibt viel Positives aus diesem Spiel zu ziehen", sagte Hürzeler, der seine Angefressenheit dennoch nicht verbergen konnte.

Kurzfristig ist der Frust verständlich. Langfristig führt angesichts von solchen Auftritten wohl wenig an einem Bundesliga-Aufstieg vorbei, sofern die Performance konserviert und verfeinert werden kann.

St. Pauli hat mit HSV-Pressing wenig Probleme

Das Pressing des HSV beispielsweise bereitete St. Pauli besonders in der ersten Halbzeit kaum Schwierigkeiten. Die Braun-Weißen fanden stets spielerische Lösungen, sich trotz maximalem gegnerischem wie mentalem Druck ins letzte Drittel zu kombinieren. Der HSV war ständig im Defensivmodus, kam kaum in seine Angriffsaktionen - ein höchst seltenes Bild in der Zweiten Liga.

"Das war kein Zufall, sondern pure Dominanz. Wir haben unser Spiel mit dem Ball durchgezogen, das war Fußball, wie wir ihn spielen wollen", sagte Hürzeler. Den Schritt nach vorn sah der 30-Jährige insbesondere in diesem Bereich. Zwei Wochen zuvor beim 0:0 gegen Hannover 96 waren die Hamburger noch zu selten in den Endabschnitt gelangt, gegen den HSV waren sie dort allenfalls "ein bisschen zu unsauber", wie Irvine bemerkte.

HSV-Qualität zeigt sich bei St. Paulis Gegentoren

Was sich nur in Ansätzen über die Verteidigung der beiden Gegentore behaupten lässt. Beim Anschlusstreffer von Robert Glatzel hatte Wahl den HSV-Torjäger für den entscheidenden Moment zu lang aus den Augen verloren. Der 2:2-Ausgleich von Immanuel Pherai war Sinnbild der enormen individuellen Qualität der Gäste.

Dennoch befand Hürzeler, seien dies keine Treffer gewesen, die nicht zu verhindern waren: "In solchen Situationen verlange ich die maximale Bereitschaft meiner Mannschaft, das wegzuverteidigen."

Göttlich: "Frust über Unentschieden ein großer Sieg"

Auch Irvine meinte, es sei "nicht die beste Verteidigung im Strafraum" gewesen, wodurch Torhüter Nikola Vasilj jeweils chancenlos war. "Wir haben zwischenzeitlich die Abstände zwischen unserer letzten und ersten Kette verloren", analysierte Eggestein.

Also doch wieder Ernüchterung, doch zwei verschenkte Punkte, oder? Nein und ja. Sicher hätte St. Pauli einen Heimsieg verdient gehabt, bleibt aber zumindest weiter ungeschlagen, und bewegt sich offenkundig "in die richtige Richtung", so Irvine.

Am treffendsten beschrieb die Situation dann im Übrigen Göttlich. "Wenn wir über ein Unentschieden gegen den Tabellenzweiten, einen viel größeren Club, frustriert sind, ist das ein ziemlich großer Sieg."