Hamburg/Wuppertal. Hamburger Handballer werfen zum zweiten Mal in Folge in den Schlussminuten den Sieg weg. Scharfe Kritik vom Trainer und Kapitän.
Die Stimmung war am absoluten Tiefpunkt angelangt, als die Spieler des HSV Hamburg (HSVH) am späten Sonnabend aus der Wuppertaler Uni-Halle trotteten und in den Mannschaftsbus stiegen. In unmittelbarer Nähe zur Bergischen Universität zeigten Hamburgs Bundesligahandballer beim 28:29 (14:16) gegen den Bergischen HC in der Schlussphase eine Leistung, die im Universitäts-Kontext wohl zur unmittelbaren Exmatrikulation geführt hätte.
Die Diagnose, fehlende Intelligenz, stellte Kapitän Niklas Weller direkt nach der Schlusssirene. „Wir sind zu dumm in den letzten drei Minuten“, sagte der Hamburger Abwehrchef. Es waren drastische Worte, unrecht hatte Weller aber nicht. Mit drei Toren hatte der HSVH bis zur 58. Minute geführt, das Spiel vermeintlich im Griff gehabt. Dann entschied sich Jacob Lassen für einen überhasteten Abschluss und Azat Valiullin bei seinem verunglückten Heber für die Zirkusvariante, sodass Mads Kjeldgaard Andersen die Gastgeber vor 2500 Zuschauern eine Sekunde vor dem Ende noch ins Glück werfen konnte.
Handball: Trainer Torsten Jansen wird nach Pleite deutlich
„Die letzten drei Minute sind eine Katastrophe. Wir haben alle Zeit der Welt“, schimpfte HSVH-Trainer Torsten Jansen. „Anscheinend mussten wir aber noch ein paar Abschlüsse suchen und auch noch mal einen Heber probieren. Das war ein völliger Blackout. Es ist krass, dass wir jetzt nicht mal einen Punkt haben.“ Die offene Abwehr, die der BHC in den Schlussminuten aus purer Verzweiflung wählte, reichte aus, um die Hamburger Spieler in Wurffallen zu locken.
„Es ist eine gute Frage, wie wir dieses Spiel noch verlieren konnten. Das tut heute echt weh, wir müssen daraus lernen“, sagte HSVH-Rechtsaußen Frederik Bo Andersen, der mit acht Toren bester Werfer der Partie war. Seinen Treffern hatte es der HSVH, bei dem Rückraumspieler Zoran Ilic zwei Monate nach seiner Knieverletzung sein Comeback gab, vor allem in der ersten Halbzeit zu verdanken, dass der BHC nicht mit einer Fünf- oder Sechstoreführung in die Halbzeit ging. In der Anfangsphase hatten die Hamburger in der Abwehr überhaupt keinen Zugriff, auch Torhüter Johannes Bitter zeigte den Großteil seiner insgesamt sieben Paraden erst in der zweiten Halbzeit.
HSVH drehte die Partie kurz nach der Pause
„Wir kommen schlecht rein, spielen schlecht. Dann kämpfen wir uns aber zurück und haben eine starke Phase zu Beginn der zweiten Halbzeit“, sagte Weller. Mit einem 7:0-Lauf kurz nach der Pause stellten die Gäste den Spielverlauf auf den Kopf – und die mitgereisten HSVH-Fans sich bereits auf einen Auswärtssieg ein. „Wir dürfen uns nicht beschweren, wenn Hamburg das Spiel heute zieht. Ich habe keine Ahnung, was in den letzten drei Minuten passiert ist“, sagte BHC-Trainer Jamal Naji.
Nun wissen nicht nur Studenten, dass gewisse Unkonzentriertheiten und Fehler auch mal verzeihbar sind – mit der Einschränkung, dass diese nicht zweimal in Folge auftreten sollten. Doch auch gegen die TSV Hannover-Burgdorf hatten die Hamburger zuvor mit drei Toren geführt und am Ende doch verloren. Trotz dieser Warnung waren die Parallelen in der Schlussphase frappierend. Erneut gab es überhastete Abschlüsse, unkonzentrierte Deckungsarbeit und falsche Entscheidungen.
„Wir müssen lernen, solche Situationen auch ins Ziel zu bringen. Es ist das zweite Mal, dass das nicht funktioniert, gegen Hannover war es ähnlich“, sagte Weller. Gegen Hannover war es Casper Mortensen, der einen Heber über den Kasten setzte, nun sein Kollege Valiullin. „Wir nehmen uns zwei Abschlüsse, bei denen der Arm der Schiedsrichter noch nicht mal oben ist. Das darf uns auf dem Niveau nicht passieren“, sagte Weller. „Wenn solche Dinger nicht drin sind, ist es für die gesamte Mannschaft echt bitter.“
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Bis zum Heimspiel gegen den HC Erlangen am kommenden Freitag (20 Uhr/Dyn) in der Sporthalle Hamburg gehe es jetzt auch darum, sich mental wieder aufzurichten. An diesem Montag steht Regenerations- und Krafttraining an, die nächste Mannschaftseinheit wartet am Dienstag. „Bis dann muss das jetzt jeder mit sich selbst ausmachen. Ab dem nächsten Training werden wir uns als Mannschaft da gemeinsam herausziehen“, sagte Weller.