Hamburg. Beim „Dialogforum“ in der Handelskammer will der Sportbund mit den Hamburgern über eine erneute Bewerbung diskutieren.
Daniel Knoblich ist auf den Besuch des Abendblatts im Haus des Sports gut vorbereitet. Vor ihm auf den Tisch: ein dicht beschriebener Zettel mit Notizen zu Themen, über die der 43 Jahre alte Vorstandsvorsitzende des Hamburger Sportbundes (HSB) anlässlich einer möglichen neuen Olympia-Bewerbung für das Jahr 2036 oder 2040 sprechen möchte. Denn genau darum geht es: Erstmals seit dem knapp negativ ausgefallenen Bürgerentscheid von 2015 wird Olympia wieder zu einem Thema in der Hansestadt.
Zu dieser Angelegenheit will der Deutsche Olympische Sportbund (DOSB) ein Stimmungsbild der Hamburger und Hamburgerinnen einholen – und lädt deshalb für Sonnabend von 10.30 Uhr an im Börsensaal der Handelskammer zum Dialogforum über Olympia ein.
„Wir bitten jeden, der Interesse an dem Thema oder auch noch überhaupt keine Vorstellung hat: Kommt vorbei“, appelliert Knoblich. Das Dialogforum sei ein Baustein der Bevölkerungsbeteiligung an dem sportpolitischen Thema und deshalb umso wichtiger, um als Hamburger Bevölkerung in Entscheidungsprozesse integriert zu werden.
Olympia in Hamburg: DOSB lädt zu Dialogforum
Von 11 bis 13 Uhr bekommen Interessierte „Informationen zum aktuellen Prozess des DOSB, Interviews sowie eine Talkrunde“, heißt es vom DOSB. Danach folgt eine Bühnendiskussion mit HSB-Präsidentin Katharina von Kodolitsch, Boris Schmidt, Vorsitzender der TSG Bergedorf, Ingrid Unkelbach, Leiterin des Olympiastützpunktes Hamburg Schleswig-Holstein, sowie Rollstuhlbasketballerin Mareike Miller.
Ab 13 Uhr können sich Besucher und Besucherinnen dann an unterschiedlichen Messeständen über die Hintergründe und Bedeutung einer möglichen Olympia-Bewerbung Hamburgs informieren – und austauschen. Im Klartext: Hier soll es auch die Möglichkeit geben, über Kritik und Vorbehalte ins Gespräch zu kommen. Denn wie sich schon 2015 zeigte: Davon gibt es in Hamburg reichlich.
Hamburg würde Olympische Spiele nicht allein austragen
Im Zuge des acht Jahre zurückliegenden Referendums sprachen sich 51,6 Prozent der Bürger und Bürgerinnen gegen eine Olympiabewerbung Hamburgs aus. Gründe waren unter anderem die fehlende Finanzierungszusage des Bundes sowie der geplante Neubau zahlreicher Sportstätten. Sollte sich Hamburg allerdings für 2036 oder 2040 als Austragungsort bewerben, wären diese Kritikpunkte hinfällig, glaubt der DOSB.
„Klar ist, dass der Bund dieses Mal von Anfang an mit am Tisch ist“, versichert Daniel Knoblich. Im Unterschied zum Konzept 2015 handele es sich um eine bundesdeutsche Bewerbung, was bedeutet: Eine Stadt beziehungsweise Region würde die Olympischen Spiele nicht allein, sondern gemeinsam mit einer Partnerstadt austragen. Neben Hamburg haben sich die Regionen München, Berlin, Leipzig und Nordrhein-Westfalen als mögliche Olympiastandorte gemeldet.
Keine neuen Sportstätten für Olympia geplant
Weil sich Hamburg die Wettkämpfe mit dem Co-Gastgeber aufteilen würde – als wahrscheinlichster Partner gilt bisher Berlin – sollen anders als 2015 keine neue Sportstätten extra für das Event gebaut werden – ein weiterer Punkt, der positiven Einfluss auf die Meinungsbildung der Bevölkerung haben könnte.
Andererseits gibt es auch viele ungeklärte Dinge. So zum Beispiel die Frage, ob und wie auch Menschen aus ökonomisch schwachen Haushalten eine Teilhabe an den Spielen, die auch als „Friedensspiele“ bezeichnet werden, ermöglicht werden kann.
Denn ein Blick auf die Ticketpreise von den Olympischen Sommerspielen 2024 in Paris offenbart: Aktuell ist die Teilnahme an der größten Sportveranstaltung der Welt meist nur einem ausgewählten, finanziell gut aufgestellten Personenkreis möglich. So liegen die Kosten für ein Ticket bei einer Medaillenentscheidung im Schwimmen in der günstigsten Kategorie bei 85 bis 125 Euro. Immerhin, Paris hat das Thema auf der Agenda. Diskutiert wird, die Eröffnungsveranstaltung an der Seine für die Allgemeinheit zu öffnen.
Olympiabewerbung: Einige Fragen sind noch offen
Und auch die Frage nach der Vereinbarkeit einer solchen Sportveranstaltung mit Energiesparmaßnahmen, Klimaschutz und Nachhaltigkeit verlangt in weiteren Schritten nach einer Antwort. „Wir müssen beachten, dass wir nicht von jetzigem Zeitpunkt, sondern von 2040 sprechen: Wer weiß, wo wir da dann schon stehen“, gibt Daniel Knoblich zu bedenken. So könne niemand wissen, ob Deutschland den Energieverbrauch maßgeblich über erneuerbare Energien decken kann.
„Wenn wir über Mobilität sprechen, wird eine Sportgroßveranstaltung immer eine schlechtere Klimabilanz haben als keine Sportgroßveranstaltung“, räumt der Vorstandsvorsitzende ein und fügt hinzu: „Aber ich glaube, sofern der Rahmen drumherum bezüglich Nachnutzung und Energieversorgung so positiv wie möglich gestaltet ist, sollte man auch in den Blick nehmen: Welche positiven Effekte könnten durch Olympische Spiele entstehen?“
Linke positioniert sich gegen eine erneute Bewerbung
Derweilen lässt die Stadt Hamburg bei den Diskussionen rund um Olympia weder eine klare Befürwortung noch Ablehnung verlauten. Einerseits will sie sich wohl nicht angreifbar machen nach dem Motto: Wir machen nur eine Befragung pro forma. Ein weiterer Grund dafür könnte die 2025 stattfindende Bürgerschaftswahl sein – vor dessen Hintergrund eine Positionierung zum Thema „Olympia in Hamburg“ gut überlegt sein will. Im vergangenen Juli äußerten sich Grüne und CDU lediglich dahingehend, dass eine Olympia-Bewerbung die Zustimmung der Bevölkerung erfordere und ein Beteiligungsprozess deshalb wichtig sei. Auch die FDP begrüße den vom DOSB angestoßenen Dialogprozess.
Lediglich die Linke hat sich schon klar gegen eine erneute Bewerbung, unabhängig von einem neuen Konzept, positioniert. In Zeiten von Krieg und Krisen sei es eine Zumutung, „erneut die Bereitschaft zu zeigen, Milliarden Euro in ein Spektakel zu stecken, von dem nur die großen Sportunternehmen und das IOC profitieren“, sagt Metin Kaya, sportpolitischer Sprecher der Bürgerschaftsfraktion.
Kritik von Hamburger Initiative NOlympia
Und auch die Hamburger Initiative NOlympia vertritt erneut eine deutliche Haltung zu der Thematik: „Eine dezentrale Bewerbung mit eventuell möglicher Nutzung vorhandener Sportstätten ändert nichts an der Tatsache, dass diese für die Zwecke der Olympischen Spiele gigantisch aus- und umgebaut werden müssen, Investitionen, für die es später kaum eine Verwendung geben wird, während die aufgewendeten enormen Mittel bei der Schaffung und Instandsetzung dringend benötigter Sportstätten für den Breitensport fehlen“, äußern sich die Verantwortlichen.
Im Vorfeld der Veranstaltung monierte Sabine Sommer, die Vorsitzende des BUND Hamburg, dass keiner der Akteure, die sich bei der Abstimmung 2015 gegen Olympia in Hamburg geäußert haben, zum Dialogforum am Sonnabend explizit eingeladen worden seien: „Die Chance, ein möglichst vielfältiges Stimmungsbild zu generieren und Kritiker von damals von einer erneuten Bewerbung zu überzeugen, ist damit vertan.“
Sommers Forderung: „Der Geist von Olympia passt grundsätzlich zu demokratischen Staaten. Es hat sich in der Vergangenheit gezeigt, was passiert, wenn Olympia in autoritären Staaten ausgetragen wird. Bevor Hamburg aber wieder als Austragungsort zur Debatte steht, muss der Senat ein Konzept vorlegen, das sowohl Stadt- und Verkehrsplanung als auch Nachhaltigkeitskriterien umfasst. Außerdem braucht es ein Finanzierungskonzept, bei dem die austragende Stadt nicht draufzahlt.“
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Bei allen Argumenten für und gegen eine Bewerbung, ist Daniel Knoblich erst mal eines wichtig: Demokratie lebe vom Diskurs. Es gehe im Dialogforum am Sonnabend noch nicht um ein spezielles Konzept, sondern erst mal um die grundsätzliche Einstellung der Bürger und Bürgerinnen – und die Weitergabe von Informationen. Die Entscheidung darüber, ob überhaupt ein Konzept entwickelt wird, das wiederum der Bevölkerung präsentiert wird, falle erst später.
Olympia in Hamburg: Senat muss Anfang Dezember Absichtserklärung unterzeichnen
Sollte Hamburg eine Teilnahme am Bewerbungsprozess für möglich halten, müsste der Hamburger Senat allerdings schon Anfang Dezember ein „Memorandum of Understanding“ (MOU) unterzeichnen. Die Unterschrift dieser Absichtserklärung würde signalisieren, dass die Hansestadt weiterhin am Prozess einer Erarbeitung der Bewerbung teilnehmen will. Kosten entstünden erst, wenn Hamburg als eine Bewerberstadt ausgewählt wird, so der DOSB. Aus dem Rathaus ist jedoch schon zu hören, dass beim MOU noch einige Punkte geklärt beziehungsweise geschärft werden müssten, weshalb es auch später zur Unterzeichnung kommen könne.
Nun aber erst mal das Dialogforum: Neben allen Kritikern und Interessierten sind übrigens auch ganz besonders Jugendliche eingeladen, über eine Bewerbung für die Olympischen Spiele ins Gespräch zu kommen. „Das ist die Zielgruppe, die zum einen Olympische Spiele in Hamburg 2040 erleben würden und zum anderen mit etwaigen Folgen leben müssten. Mich würde sehr interessieren: Sind Olympische Spiele für die Jugend dieses Landes eigentlich noch ein relevantes Thema, oder sind sie das nicht?“, fragt Knoblich am Ende des Gesprächs. Eine Antwort auf diese Frage wird der Vorstandsvorsitzende dann vielleicht schon am nächsten Wochenende bekommen.
Dialogforum zum Thema „Olympia in Hamburg“, Handelskammer Hamburg (Börsensaal), Adolphsplatz 1, 10.30 bis 17 Uhr