Hamburg. Politik begrüßt den DOSB-Vorstoß, Die Linke lehnt ihn kategorisch ab. Welche der benötigten Sportstätten bereits vorhanden sind.
Am Tag nachdem der Deutsche Olympische Sportbund (DOSB) seine ergebnisoffene Dialog- und Informationsinitiative zu einer möglichen Kandidatur um Olympische und Paralympische Spiele startete, dürfte die erste Entscheidung gefallen sein. Sollte sich das Land um Olympia bewerben, dann nur um Sommerspiele. „Ich sehe keine Chance für Winterspiele in München“, sagte Münchens Oberbürgermeister Dieter Reiter (SPD). Mit der Nachhaltigkeit funktioniere es im Winter „nun mal sehr schwer“.
Hamburg ist einer von fünf Olympia-Kandidaten
München ist neben Berlin, Leipzig, Nordrhein-Westfalen und Hamburg eine jener fünf Regionen, die sich die Ausrichtung Olympischer Spiele vorstellen könnten, allein oder im Verbund mit anderen. Das hatte der DOSB zuvor in Gesprächen mit den politisch Verantwortlichen ausgelotet. Als Prämisse steht fest: Es sollen für Olympia keine Sportstätten gebaut, vorhandene aber modernisiert werden. Das Errichten temporärer Anlagen sei möglich.
Die Entscheidung, ob Deutschland sich bewirbt oder nicht, soll im Mai 2024 fallen. Sommerspiele sind vom Internationalen Olympischen Komitee (IOC) bis ins Jahr 2032 vergeben. Eine Kampagne wäre erst für 2036 oder 2040 möglich.
Seit den Sommerspielen 1972 in München hat der deutsche Sport sechs offizielle Anläufe unternommen, Olympia auszurichten. Berchtesgaden (Winter 1992), Berlin (Sommer 2000), Leipzig (Sommer 2012), München (Winter (2018) fielen beim IOC durch, München (Winter 2022) und Hamburg (2024) bei der Bevölkerung. Auch die Erfolgschancen des möglichen siebten Anlaufes sind mäßig. Katar mit seinen Öl- und Gasmilliarden wäre ein Hauptkonkurrent, ein afrikanischer Bewerber hätte ebenfalls beste Aussichten.
Hamburger Olympia-Bewerbung scheiterte 2015 mit 48,4 Prozent Ja-Stimmen
Dass Deutschland Großereignisse organisieren, Begeisterung bei Athletinnen, Athleten und Zuschauern entfachen kann, ist bekannt. Die Fußball-EM 2024 könnte eine Olympiabewerbung im In- und Ausland befeuern. Die skeptische Bevölkerung zu überzeugen, dürfte dagegen zur größten Herausforderung werden.
Hamburgs Bewerbung scheiterte beim Referendum am 29. November 2015 mit 51,6 Prozent Neinstimmen maßgeblich an zwei Punkten: Misstrauen gegenüber dem IOC, das mutmaßlich alle Vorteile vereinnahme, jedoch alle Risiken auf den Ausrichter abwälze, und an der fehlenden Zusage der Bundesregierung, die sich gerade mit den Anfängen der Flüchtlingskrise konfrontiert sah, den Großteil der Kosten zu übernehmen. Diese Garantie wird es diesmal geben.
In Berlin sind bereits rund 70 Prozent der Sportstätten vorhanden
Hamburg böte von seiner Sportinfrastruktur schon heute die Voraussetzungen, jene olympischen Wettbewerbe auszurichten, die in Berlin nicht stattfinden könnten. In der Hauptstadt wären derzeit rund 70 Prozent der benötigten Sportstätten vorhanden.
In Hamburg und der näheren Umgebung fehlen ein Leichtathletikstadion und ein Wildwasserkanal für die Kanuten, für alle anderen Wettkämpfe gäbe es Lösungen. Die Schwimmer könnten in einem mobilen Becken im Volksparkstadion um Medaillen kraulen. Diese Idee war Teil eines innovativen Konzeptes der Hamburger Bewerbung für die Schwimm-WM 2013, die der Senat wegen zu hoher Kosten schließlich zurückzog.
Die Messehallen könnten das Olympia-Zentrum in Hamburg werden
Zentrum der Hamburger Olympia-Dependance könnten die zwölf Messehallen am Fernsehturm unweit des Fernbahnhofes Dammtor werden, mit direktem ICE-Anschluss nach Berlin. Hier wäre – wie für 2024 und 2028 geplant – die Ausrichtung aller Kampfsportarten möglich. Für Badminton und Tischtennis gelten die Räumlichkeiten ebenfalls als ideal, auch für ein Medienzentrum.
Für Rudern und Kanu stünde das Wassersportzentrum in Allermöhe bereit, in dem schon Junioren-Weltmeisterschaften ausgetragen wurden und das in Kürze modernisiert wird. Vorteil all dieser Anlagen: Umfangreiche Baumaßnahmen wären nicht erforderlich, die Nachnutzung ist bereits gegeben.
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Stadien und Hallen für alle Ballsportarten existieren, Hockey könnte am Millerntor gespielt werden auf temporär verlegtem Kunstrasen. Das sah schon die Hamburger Olympiabewerbung für 2012 vor, die 2003 am Votum des Nationalen Olympischen Komitees (NOK) für Leipzig scheiterte.
Tennis wäre für Damen und Herren am Rothenbaum gesetzt, Beachvolleyball wäre im Elbpark Entenwerder möglich, BMX (Bicycle Motocross) in Farmsen, Moutainbike in den Harburger Bergen, Triathlon in und an der Binnenalster mit Ziel am Rathausmarkt - wie bei der WM am nächsten Wochenende. IOC-Präsident Thomas Bach ist dann in Hamburg zu Gast. Er ist noch bis 2025 im Amt.
Fußball-Verband will mittelgroßes Stadion in Hamburg
Das vom Hamburger Fußball-Verband angemahnte mittelgroße Stadion würde das Angebot noch vergrößern. Der Hamburger Sportbund will dazu alle Beteiligten an einen Runden Tisch bitten. Möglicher Standort: der mit öffentlichen Verkehrsmitteln gut erreichbare Inselpark in Wilhelmsburg.
Als weitere Arena könnte der auf dem Huckepack-Bahnhof Rothenburgsort vorgesehene Elbdome im nächsten Jahrzehnt zur Verfügung stehen. Immobilien-Entwickler Tomislav Karajica, Hauptgesellschafter des Basketball-Bundesligaclubs Veolia Towers Hamburg, muss vor der Anhandgabe des Grundstücks allerdings einen Businessplan aufstellen. Der fehlt bisher. Beide Projekte fielen nicht unter die Maßgabe, keine Neubauten zu entwerfen, da sie vornehmlich für die Entwicklung der sportlichen Infrastruktur Hamburgs angedacht sind.
Tribüne im Flottbeker Derbypark muss erneuert werden
Fürs Spring- und Dressurreiten müsste der Derbypark in Klein Flottbek die seit mehr als einem Jahrzehnt geforderte neue Haupttribüne erhalten. Der bezirkliche Sportstättenbau will – unabhängig von Olympia – in den nächsten Monaten mit Besitzern und Betreibern des Geländes Vorschläge erarbeiten. Schießen in Garlstorf, die Vielseitigkeitsprüfungen der Reiter in Luhmühlen ergänzten Hamburgs Beitrag zu Olympia. Auch die zahlreich benötigten Trainingsstätten, Schwimmbäder, Sportplätze, Dreifeldhallen wären in der Stadt ausreichend vorhanden.
Die Hamburger Politik hat am Freitag überwiegend wohlwollend auf die Olympiapläne reagiert. „Den vom DOSB beschlossenen Prozess finde ich vernünftig, da er festlegt, dass eine Bewerbung nur mit breiter Unterstützung der Bürgerinnen und Bürger kommen wird“, sagte Marc Schemmel (SPD), der Vorsitzende des Sportausschusses der Bürgerschaft.
SPD, Grüne und CDU befürworten Olympia-Bewerbung unter Bedingungen
„Wir hatten 2015 ein anerkanntes Konzept, was uns neben modernen Sportstätten auch bei Themen wie Stadtentwicklung, Mobilität und Nachhaltigkeit vorangebracht hätte. Ich würde es begrüßen, wenn Weltklasse-Sportevents auch in Deutschland und nicht vermehrt in autoritären Staaten stattfänden. Dafür müsste aber eine höhere Akzeptanz in der Bevölkerung erzielt werden, sonst ergibt das Ganze keinen Sinn“, meint Schemmel.
Ähnlich sieht es die Grünen-Landesvorsitzende Maryam Blumenthal: „Auch wenn die Entscheidung gegen eine Ausrichtung der Spiele 2024 aus sportlicher Perspektive bitter war, gab es nachvollziehbare Gründe der Ablehnung. Deshalb ist es eine gute Idee des DOSB, in einen breiten Beteiligungsprozess zu gehen.“ Grundsätzlich gelte: Eine neue Diskussion über dezentral organisierte Spiele könne es nur geben, wenn die klare Bereitschaft der Bevölkerung da sei und der Bund ein Bekenntnis zur Finanzierung abgebe. „2036 als Austragungsjahr halten wir wegen der Nazispiele von 1936 zudem für ungeeignet“, sagte die Grünen-Chefin.
Dennis Thering, Vorsitzender der CDU-Fraktion in der Bürgerschaft, teilt weitgehend diese Meinung: „Nach den Erfahrungen, die Hamburg mit seiner Olympia-Bewerbung gemacht hat, können Spiele nur dann stattfinden, wenn sie von der großen Mehrheit der Stadt getragen wird. Dafür braucht es ein klares Konzept und Kostentransparenz. Gut geplant und nachhaltig umgesetzt, können Olympische Spiele eine Chance sein und Impulse freisetzen.“
Die Linke lehnt Olympia-Bewerbung als Geldverschwendung ab
Auf Ablehnung stößt der DOSB-Vorstoß bei den Linken. „Der Hamburger Senat hat bereits einmal versucht, Olympische Spiele in Hamburg austragen zu lassen, und ist damit krachend gescheitert. Das sollte eine Lehre sein. Wenn der Senat eine erneute Klatsche haben will: Wir sind bereit!“, sagte Metin Kaya, sportpolitischer Sprecher der Bürgerschaftsfraktion. In Zeiten von Krieg und Krisen, „in denen Kinder ohne Frühstück in die Schulen gehen, ein Großteil der Bevölkerung an der Armutsgrenze lebt, das Gesundheitssystem kaputtsaniert wurde, ist es eine Zumutung, erneut die Bereitschaft zu zeigen, Milliarden in ein Spektakel zu stecken, von dem nur die großen Sportunternehmen und das IOC profitieren.“
Katarina Blume, stellvertretende Landesvorsitzende und sportpolitische Sprecherin der Hamburger FDP, teilt die Bedenken der Linken nicht. Hamburg sei ein international anerkannter Gastgeber sportlicher Großveranstaltungen und habe für die Spiele viel zu bieten. "Vor diesem Hintergrund begrüßen wir den vom DOSB angestoßenen Dialogprozess und werden daran mit unserer Sportkommission konstruktiv mitwirken. Wichtig ist uns eine Rückbesinnung auf traditionelle Werte bei der Organisation und Durchführung. Hamburg kann der Welt zeigen, dass es besser geht! Ökonomisch, ökologisch, humanitär und nachhaltig mit Beteiligung der Bevölkerung von Anfang an. Hamburg muss aber seine bestehenden Sportanlagen dauerhaft entwickeln, um in die engere Wahl zu kommen."
Die AfD hatte auf die Abendblatt-Anfrage nicht geantwortet.