Hamburg. Ärzte und Wissenschaft sind sich einig: Ausführliche Beratungsgespräche zur Gesundheitsförderung sollten besser vergütet werden.

Bewegt euch! Mehr! Und vor allem regelmäßig! Das ist die Botschaft, die vom zweiten Hamburger „Sports, Medi­cine and Health Summit“, dem Sport-, Medizin- und Gesundheitsgipfel, ausgeht. Noch bis zu diesem Sonnabend sollen im Congress Center am Dammtorbahnhof in zahlreichen Diskussionen, Foren und über Mitmachangebote die Vorteile eines aktiven Lebensstils den Zuschauenden und Zuhörenden nähergebracht werden. In den vergangenen zwei Tagen waren die Veranstaltungen vor allem in der Eventhalle H gut besucht. „Die bisherige Resonanz hat unsere Erwartungen übertroffen“, sagt Nils Schumacher von der Universität Hamburg, der Kongresssekretär und COO (Chief Operating Officer).

Hamburger Bündnis für Bewegung auf Rezept

Dass Bewegung als beste gesundheit­liche Vorsorge gegen zahlreiche Zivilisationskrankheiten gilt, ist längst bekannt und wissenschaftlich ausreichend dokumentiert. Die politische Umsetzung hinkt den Erkenntnissen aber aussichtslos hinterher. In Hamburg hat nun ein Bündnis aus Sport, Wissenschaft und Medizin, insgesamt 24 Organisationen, erstmals gemeinsam einen Forderungskatalog aufgestellt. Der interdisziplinären Koalition haben sich wissenschaftliche und therapeutische Institutionen, Vertreter des Vereinssports und kommerzieller Anbieter sowie viele Krankenkassen angeschlossen.

„Ärztinnen und Ärzte spielen eine entscheidende Rolle, wenn es darum geht, Menschen in Bewegung zu bringen“, sagt die Schweriner Kinder- und Jugendärztin und Diabetologin Kerstin Holze, zugleich Vizepräsidentin des Deutschen Olympischen Sportbundes (DOSB). Diese Beratungsleistungen kosteten – entgegen der zu häufigen Verschreibung von Medikamenten – Zeit und Ressourcen, die jedoch die Honorarverordnung nicht entsprechend vergüte.

Initiatoren fordern Bewegung statt Medikamente

„Parallel dazu ist es unsere Aufgabe, mittel- und langfristig auch in der Ärzteschaft den Stellenwert von Bewegung in der Prävention zu erhöhen“, sagt Holze. Vorsorge habe allerdings das Problem, nicht belastbar messbar zu sein. Wer nicht krank wird, findet nun mal keinen Eingang in die Statistik. Und proaktiv zu handeln, falle vielen Menschen immer noch schwer. Oft führe erst der Schadensfall zu Verhaltensänderungen.

Das „Rezept auf Bewegung“, für das die Initiatoren in ihrem Hamburger Positionspapier werben, gibt es seit Jahrzehnten, verschrieben wird es selten. Bürokratische Hürden und mangelnder politischer Wille verhinderten eine wirksame Umsetzung – wohl auch die mächtige Pharmalobby, die eine (Abwärts-)Bewegung ihrer Gewinne fürchtet.

Mehr Bewegung spart Milliarden Euro im Gesundheitswesen

Mit Bewegung, darüber sind sich alle Expertinnen und Experten einig, ließen sich im deutschen Gesundheitswesen jährlich Milliarden Euro sparen. „Künftig droht es nur noch eine Spitzenmedizin, die sich bloß wenige leisten können, und eine ,Reparaturmedizin‘ zu geben“, sagt Holze. Gelder aus der „Reparaturmedizin“ für die Prävention abzuzweigen, sei deshalb das beste Rezept.

Eine effektive Beratung, auch das ist eine der Forderungen für eine bessere Gesundheitsförderung, erfordere einen berufsgruppenübergreifenden Ansatz. Ärzteschaft, Bewegungswissenschaft, Physiotherapie, Trainerinnen und Trainer müssten enger zusammenarbeiten, sich stärker vernetzen, gegenseitige Vorurteile und Standesdünkel abbauen. Ob das gelingt, welche Fortschritte erzielt wurden, das könnte in zwei Jahren beim nächsten Hamburger Sport- und Gesundheitsgipfel wieder eines der Hauptthemen werden.

Programm-Highlights am Sonnabend:10.15–10.45 Uhr: Der Hamburger Rechts­mediziner Prof. Klaus Püschel erzählt vom „Letzten Putt – Kuriose und dramatische Golfstorys“. 12.30–13.15 Uhr: „Nachts allein im Ozean“. Darüber berichtet André Wiersig, erster Deutscher, der die Ocean’s Seven absolvierte. 14–15.30 Uhr: Frauen im Sport in Führungspositionen. Diskussion unter anderem mit HSV-Präsident Marcell Jansen und Mareike Miller (Athleten Deutschland). Der Eintritt ist am Sonnabend frei. Weitere Informationen: sports-medicine-health-summit.de