Hamburg. Die deutschen Beachvolleyball-Meisterschaften sind für Anna Behlen der Saisonhöhepunkt. Die Kielerin erläutert die Faszination.
Wäre sie nicht beruflich ausgelastet mit ihrem Vollzeitjob als Kriminalpolizistin in Kiel, dann müsste der Deutsche Volleyball-Verband sich ernsthaft überlegen, Anna Behlen für seine Marketingabteilung einzustellen.
Wer die 30-Jährige anspricht auf die deutschen Beachvolleyball-Meisterschaften, die an diesem Mittwochabend in Timmendorfer Strand eröffnet und bis zum Sonntag ausgetragen werden, der bekommt eine Lobeshymne gesungen, die keinen Platz für Zweifel daran lässt, dass die nationale Leistungsschau der Strandsparte für sie der Höhepunkt des Sportjahres ist.
Behlen spielt mit Sarah Schulz
„Timmendorf ist eine Pilgerstätte für die gesamte deutsche Beachvolleyballszene“, sagt sie, „den Termin tragen sich alle ein Jahr im Voraus ein, weil niemand dieses besondere Flair verpassen will. Für mich als Schleswig-Holsteinerin ist es ein großes Privileg, solche Meisterschaften vor der Haustür zu haben und von Familie und Freunden angefeuert zu werden, die alle nur kommen, um zu sehen, was wir auf die Platte bringen“, sagt sie.
Wir, das sind sie und ihre Spielpartnerin Sarah Schulz (24) – und eigentlich war das ganz anders geplant zu Beginn der Sommersaison. Anna Behlen hatte vor, mit Rio-Olympiasiegerin Kira Walkenhorst (32/Essen) in den Sand zu gehen, die nach chronischen Verletzungsproblemen ihre Karriere schon beendet hatte, aber auf der nationalen Tour ein Comeback versuchen wollte.
Beide suchten neue Partnerinnen
Sarah Schulz war mit der als Toptalent geltenden Anna-Lena Grüne (21/Hildesheim) verabredet gewesen. Doch dann mussten Walkenhorst am Knie und Grüne an der Schulter operiert werden – und die beiden Übergebliebenen waren auf Partnersuche.
„Letztlich war es für uns beide eine glückliche Fügung, dass wir zur selben Zeit auf der Suche waren“, sagt Anna Behlen im Rückblick, „für mich war es die beste Option, eine Blockerin auf derart hohem Niveau zu finden, und ich denke, für Sarah hat es auch gepasst.“
Glück ist für all jene, die es im Leistungssport weit bringen wollen, eine wichtige Karrierezutat, und weil Anna Behlen ein Mensch ist, der gern Neues probiert und Herausforderungen als Chancen begreift, arrangierte sie sich schnell mit der neuen Situation.
Behlen hat den 1. Beachclub Kiel gegründet
Weil Sarah Schulz als Profisportlerin zwar nebenbei studiert, aber ihre Zeit deutlich freier einteilen kann, trafen sie sich zum Training oft in Altenholz. Dort hat sich Anna Behlen, mit 1,77 Metern sechs Zentimeter kleiner als ihre Blockerin, ein eigenes Refugium geschaffen.
Zu Jahresbeginn gründete sie mit ihren Brüdern Max und Tim und einigen weiteren Mitstreitenden den 1. Beachclub Kiel, für den sie auch in der Sommersaison startet. Die Brüder stellen den Vorstand, sie ist Schatzmeisterin. Trainiert wird in Eigenregie mit ihrem Coach Mattis Lehmann, Sarah Schulz brachte ihre Hamburger Trainerin Saskia van Hintum mit.
„Es hat nicht lange gedauert, bis wir als Duo funktioniert haben“, sagt Anna Behlen. Zwischen den zwei Turnieren der German Beach Tour (GBT) in Düsseldorf Ende Juni schoben sie ein Trainingslager in der Kaderschmiede Witten ein, die Vorbereitung auf die deutschen Meisterschaften absolvierten sie mit dem Nationalteam Karla Borger (34/Stuttgart)/Sandra Ittlinger (29/München) am vergangenen Wochenende in Hamburg.
Drei Turniersiege gefeiert
Drei ihrer letzten vier Turniere – die „Rock the Beach“-Events auf Fehmarn und Borkum und den GBT-Stopp in München Ende Juli – gewannen sie. Kein Wunder also, dass Anna Behlen als Zielsetzung für Timmendorf ausgibt: „Ich wäre sehr enttäuscht, wenn es schlechter als Platz fünf wird. Wenn wir es ins Halbfinale schaffen, wäre ich allerdings aus dem Häuschen!“
Es ist dieser schmale Grat, der Anna Behlen dazu zwingt, sich selbst als Halbprofi zu beschreiben, „auch wenn mein Chef sagt, dass ich vom Zeitaufwand her wie ein Profi trainiere“. Bis auf die an Position eins der Setzliste geführten WM- und Rothenbaum-Dritten Svenja Müller (22/Eimsbütteler TV) und Cinja Tillmann (32), die wie Sarah Schulz für TuSA Düsseldorf startet, sieht Behlen alle Kontrahentinnen als schlagbar an.
Internationales Level wäre möglich
Sie würde sich auch zutrauen, auf internationalem Level bei drittklassigen Future- oder gar zweitklassigen Challengerturnieren anzutreten. „Leistungstechnisch wäre das möglich, aber es ist leider brotlose Kunst. Dafür bräuchte ich einen Sponsor, der das finanziert. Und da ich den nicht habe, trete ich eben so lange auf der deutschen Tour an, wie ich mit den jungen Hüpfern noch mithalten kann“, sagt sie.
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Beachvolleyball hat für die Kleinunternehmerin, die mit ihrem Label „BeachRookie“ aus alten Volleybällen Produkte wie Brillenetuis oder Federmappen herstellt und im Internet vertreibt, einen höheren Stellenwert als die Hallenvariante. „Der Strand ist das, wo ich herkomme und hingehöre“, sagt sie.
Wechsel vom ETV nach Kiel
Dennoch spielt sie im Winter gern unterm Dach, allerdings aus Zeitgründen von der kommenden Saison an nicht mehr für die Zweitligafrauen des ETV, sondern wieder für ihren Heimatverein Kieler TV in der Regionalliga.
Wie es im nächsten Sommer weitergeht, ob sie einen neuen Anlauf mit Kira Walkenhorst nimmt oder mit Sarah Schulz weiterspielt, das ist noch unklar. „Die Gespräche darüber werden alle in Timmendorf geführt. Zwar wird viel gemunkelt, und natürlich hören wir alle den Buschfunk, aber die deutschen Meisterschaften sind die wichtigste Kontaktbörse“, sagt sie.
Zunächst jedoch zählt nur, gemeinsam mit Sarah Schulz den Saisonhöhepunkt zu genießen – und bei allem sportlichen Ehrgeiz auch Spaß zu haben. Denn Spaß am Sport ist der Grund, warum Menschen wie Anna Behlen sich gern aufopfern.