Hamburg. Markus Dieckmann will als neuer Präsident den Volleyball-Verband befrieden und leistungsfähiger machen. Hamburg spielt eine Hauptrolle.

Das Zeichen, das der Deutsche Volleyball-Verband (DVV) am Sonntagvormittag aussandte, war genau das von Markus Dieckmann erhoffte. Bei der außerordentlichen Mitgliederversammlung in Bremen wurde der 47 Jahre alte, zweimalige Beach-Europameister ohne Gegenstimme bei einer Enthaltung als Nachfolger des im Juli zurückgetretenen René Hecht (61) als neuer Präsident gewählt.

Auch sein Führungsteam um Beach-Olympiasieger Julius Brink (41) bekam einen hohen Vertrauensvorschuss. „Nun geben wir uns die aus der Politik bekannten 100 Tage, um uns einen Überblick zu verschaffen und unser Konzept zu entwickeln“, sagt Dieckmann, der mit Ehefrau und zwei Kindern in Meerbusch lebt, im Abendblatt-Gespräch.

Hamburger Abendblatt: Herr Dieckmann, dem DVV wurden in den vergangenen Monaten Chaos in der Führungsebene, finanzielle Schwierigkeiten, eine hohe Personalfluktuation und ein vergiftetes Binnenklima attestiert. Was treibt Sie als erfolgreichen Unternehmer, Europa-Verantwortlicher für den gesamten Indoorbereich beim Sportausstatter 11teamsports, dazu, diesen Verband anzuführen?

Markus Dieckmann: Seit 30 Jahren bin ich in diesem Sport tätig, erst als Hallenspieler, dann als Beacher, zuletzt in verschiedenen Funktionen als Trainer und Geschäftsmann. Vor drei Monaten waren wir an einem Punkt, an dem meine Mitstreitenden und ich das anhaltende Gefühl hatten, dass sich der Verband in keine gute Richtung entwickelt. Deshalb haben wir unsere Unterstützung angeboten. Von einem Amt, insbesondere dem des Präsidenten, war anfangs gar keine Rede. Aber im Laufe des Prozesses haben wir gespürt, dass es eine große Gruppe an Menschen gibt, die nach einem Führungswechsel Lust dazu haben, im deutschen Volleyball etwas zu bewegen. Das hat mir Mut gemacht, mich als Präsident zu engagieren.

Ihren Hauptberuf wollen Sie für das Ehrenamt nicht aufgeben. Ahnen Sie schon, was Sie sich da zeitlich aufbürden?

Die ersten Wochen und Monate werden sicherlich sehr intensiv werden, das ist mir bewusst. Aber ich stehe nicht allein vorn, sondern habe große Unterstützung und ganz viel Expertise im Team. Ich habe immer schon viele Dinge nebeneinander gemacht. Nun habe ich etwas aufgeräumt und bin bereit für die Herausforderungen.

Erste Priorität: Leistungssportpersonal

Von denen es im DVV viele gibt. Beginnen wir bei der Personalstruktur. Die vier wichtigsten Stellen im Leistungssport – Vorstand Leistungssport, Sportdirektoren Halle und Beach sowie Nachwuchskoordination – sind unbesetzt. Wie schnell ist da Abhilfe zu schaffen?

Das ist tatsächlich Priorität eins. Wir wollen die beiden vakanten Vorstandsposten, neben dem Sport auch Finanzen/Marketing, bis spätestens Jahresende besetzt haben. Der neue Vorstand Leistungssport wird sich um die Besetzung der weiteren Posten kümmern.

Das alte Präsidium, das die Vakanzen zu verantworten hat, wollte keine Sportdirektoren mehr, sondern Chefbundestrainer. Bleibt es dabei?

Ich habe den Unterschied bislang nur zu 50 Prozent verstanden. Wie auch immer wir es nennen: Wir brauchen die bestmögliche Expertise, aber wir werden das im Konsens mit allen Beteiligten beschließen. Die gute Nachricht ist, dass die Trainer, die wir haben, sehr gute Arbeit leisten und sich untereinander sehr intensiv austauschen. Dafür können wir dankbar sein.

Sorge um Olympiaqualifikation

Allerdings muss man befürchten, dass beide Hallenteams es nicht zu den Olympischen Spielen 2024 nach Paris schaffen, die Frauen sind gerade im Achtelfinale der EM ausgeschieden. Auch bei den Beach-Männern wird es wohl kein zweites deutsches Team geben. Sehen Sie Möglichkeiten, dem noch Abhilfe zu schaffen?

Unsere Strategie wird eher darauf abzielen, langfristig wieder den maximalen Erfolg zu ermöglichen. Kurzfristig werden wir alle Teams fragen, was sie benötigen, um optimal aufgestellt zu sein. Wir müssen ehrlich sein: Im Volleyball ist die Quali nach wie vor möglich, aber da liegt ein langer Weg vor uns. Warten wir mal ab, was die Männer bei der nun startenden EM schaffen werden. Die Frauen hatten leider großes Verletzungspech. Beim Beachvolleyball hatten wir 2016 und 2021 auch nur ein Männerteam am Start. Wenn es in Paris wieder drei Teams sind, haben die Verantwortlichen nicht so schlecht gearbeitet. Dass es noch besser geht, dafür wollen wir mit dem neuen Team die Grundlage legen.

Die finanzielle Lage des Verbands war immer wieder ein heikles Thema. Haben Sie schon einen Überblick darüber?

Nein. Diesen Überblick zu bekommen ist eins unserer 14-Tage-Ziele. Erst dann kann ich das seriös beurteilen.

Ein großes Problem war auch die hohe Fluktuation auf der Geschäftsstelle und in den Stützpunkten. Wie nehmen Sie das Binnenklima im DVV wahr?

Dass die Stimmung nicht gut ist und in Teilen mehr über- als miteinander geredet wird, ist nicht wegzudiskutieren. In so einem großen Verband ist es normal, dass es unterschiedliche Interessenslagen gibt. Das ist auch nicht verwerflich. Dennoch gilt es, die verschiedenen Gruppen nun wieder zu vereinen. Da müssen wir nicht nur aufräumen, sondern eine neue Kultur etablieren, die vor allem von Transparenz und Offenheit lebt. Das wird aber nur funktionieren, wenn wir das vorleben.

Keine Trennung von Beach und Halle

Ihrem Vorgänger wurde oft vorgehalten, er sei ein Mann des Hallenvolleyballs. Sie und Ihr Vizepräsident Julius Brink sind deutlich der Beachsparte zuzuordnen. Wie schaffen Sie es, ausgleichend zu wirken und alle Bereiche mitzunehmen?

Dieser Konflikt war in den vergangenen Wochen immer wieder ein Thema, am Sonntag bei der Wahl schon nicht mehr, weil wir innerhalb des Präsidiums mit Maren Fromm als Athletenvertreterin und Daniel Sattler als Vertreter der Bundesligen ein klares Gegengewicht aus dem Hallenbereich haben. Wir denken nicht in Halle oder Beach, sondern in Volleyball. Deshalb bin ich überzeugt davon, dass es uns gelingen kann, alle mitzunehmen.

Gibt es denn auch Bereiche im DVV, die aus Ihrer Sicht gut funktionieren?

Die gibt es, und ich möchte betonen, dass ich weder Interesse noch Grund habe, mit dem Vorgängerpräsidium schmutzige Wäsche zu waschen. Wir sehen alle, worin die Probleme gelegen haben, aber René, den ich persönlich schätze, hat sich sehr intensiv für unseren Sport engagiert. Strukturell und organisatorisch sehe ich den DVV mit einem hauptamtlichen Vorstand und dem ehrenamtlichen Präsidium gut aufgestellt. Das Personal, das trotz der sehr schwierigen vergangenen Monate noch da ist, wird uns sehr helfen. Auch die Umsetzung der Digitalisierung ist in einem Maß vorangetrieben worden, das wir so beibehalten wollen.

Hamburg bleibt Bundesstützpunkt Beach

Das Stützpunktsystem ist auch immer wieder hinterfragt worden. Sind Sie ein Anhänger der Zentralisierung?

Grundsätzlich glaube ich: Je mehr Standorte es in Deutschland gibt, an denen leistungsorientiert gearbeitet wird, desto besser ist es für den Sport, und wir sollten alles tun, das zu fördern. Wenn es allerdings um Hochleistungssport geht, dann sage ich, dass die Spitze auch spitz bleiben muss. Wir werden keine fünf, sechs, sieben Standorte finanzieren können, die das nötige Gesamtpaket bieten.

Was bedeutet das für den Hamburger Bundesstützpunkt Beachvolleyball, über den ja auch bisweilen diskutiert wurde?

Das habe ich nie verstanden. Das Letzte, was wir jetzt tun werden, ist, an Dinge ranzugehen, die funktionieren. Und Hamburg funktioniert ohne Zweifel. Das haben wir bei der Beach-WM 2019 gesehen und auch in diesem Jahr wieder mit drei großen Turnieren, die hier stattgefunden haben. In Hamburg steht die Stadt in einer Weise hinter dem Sport, die wir uns nur wünschen können. Ich habe den Verantwortlichen in einem Gespräch klar signalisiert, dass wir am Status des Stützpunktes nicht rütteln werden.