Hamburg. Volleyball in der Halle und im Sand, Studium bei der Polizei und ein eigenes Unternehmen – Multitalent Anna Behlen.
Sie ist Profi. Sagt zumindest die Volleyball-Bundesliga, die in der Corona-Pandemie unbedingt den Spielbetrieb in den ersten beiden Ligen der Männer und Frauen aufrechterhalten wollte und die teilnehmenden Vereine deshalb kurzerhand zu Profiteams erklärte. Fragt man Anna Behlen, die mit den Zweitligafrauen des Eimsbütteler TV an diesem Sonnabend (19.30 Uhr, Sporthalle Hoheluft) RC Sorpesee empfängt, klingt das allerdings etwas anders. „Ich bin ambitionierte Hobbysportlerin“, sagt die Diagonalangreiferin, „Profi ist man, wenn man einen entsprechenden Vertrag hat und seinen Lebensunterhalt mit dem Sport verdient. Beides trifft auf mich tatsächlich nicht zu.“
Trotzdem ist sie froh darüber, dass sie ihren Sport weiter ausüben darf. Schließlich spielt Volleyball im Leben der 27-Jährigen eine wichtige Rolle. Als eine von nur sehr wenigen Spielerinnen in Deutschland ist Anna Behlen, seit sie die Eliteschule des Sports am Alten Teichweg mit dem Abitur (Schnitt 1,3) verlassen hat, in jeder Saison sowohl im Sommer am Strand als auch im Winter in der Halle aktiv gewesen. Im Beachvolleyball, wo sie aktuell mit der Stralsunderin Anne Krohn (37) ein Duo bildet, fühlt sie sich, ganz ihrem Naturell („Sonne und Strand“) entsprechend, etwas mehr zu Hause, auch weil sie sich dort individueller einbringen kann und mehr Ballkontakte hat. „Das fehlt mir in der Halle. Da werfe ich mich oft in Bälle, die mir nicht gehören“, sagt sie.
Konstanz fehlt
Doch als in der vergangenen Drittligasaison ETV-Cheftrainer Ulrich Kahl anfragte, ob sich Anna Behlen, die aus Kiel stammt und sich dort mit ihrem Bruder Max eine Wohnung teilt, bei einem Aufstieg der Hamburgerinnen einen Wechsel vom Kieler TV vorstellen könnte, sagte sie nach einem Probetraining zu. „Einerseits, weil ich mich in der Dritten Liga etwas unterfordert fühlte. Andererseits, weil ich das Potenzial gesehen habe, das in dieser Mannschaft steckt“, sagt sie.
Mit zehn Punkten aus neun Spielen stehen die ETV-Frauen aktuell auf Rang acht, doch die mit 177 Zentimetern eher kleine Angreiferin sieht noch deutlich Luft nach oben. „Wir haben eine hohe Qualität, aber noch keine Konstanz in unserem Spiel. Vor der Saison habe ich zu meinem Bruder gesagt, dass wir Vierter werden können. Jetzt, da ich die Liga etwas besser kenne, korrigiere ich leicht nach unten, aber mit dem Abstieg werden wir nichts zu tun haben“, sagt sie.
Interessanter Nebenerwerb
Den Aufwand, dreimal pro Woche zum Training von Kiel nach Hamburg zu pendeln und am Wochenende durch die Republik zu reisen, nimmt Anna Behlen auf sich, weil „ich mir ein Leben ohne Sport nicht vorstellen könnte und ich einfach Bock auf das Team und die Herausforderung habe, in der Zweiten Liga eine Führungsspielerin zu sein“. Dass der Sport nicht ihr Beruf ist und sie auch abseits von Halle und Strand stets Action braucht, unterstreicht indes der Fakt, dass sie neben ihrem Hauptjob – in Kiel studiert sie als Kriminalkommissar-Anwärterin für den gehobenen Polizeidienst – als Kleinunternehmerin einem interessanten Nebenerwerb nachgeht.
Anna Behlen fertigt aus alten Volleybällen, die sie von Ausrüstern bekommt, Etuis für Brillen oder Federmappen an. Dafür zerschneidet sie die ausrangierten Spielgeräte und kleidet sie mit Stoff aus, den sie selbst einkauft. Genäht wird daheim oder auf ihrer großen Nähmaschine, die sie aus Platzgründen im Keller des Hauses ihrer Großmutter stehen hat. Von der Oma und ihrem Vater hat sie die handwerkliche Begabung geerbt. Unter dem Markennamen „BeachRookie“ vertreibt sie die Produkte im Internet.
Polizistin will sie wegen ihres Gerechtigkeitssinns werden
Angefangen hatte alles vor sechs Jahren, als sie die Idee hatte, aus alten Spielertrikots, die sie auf Beachvolleyballturnieren einsammelte, Kinderhosen zu fertigen. „Ich habe mir überlegt, wie man Dinge, die sonst weggeworfen werden, nachhaltig weiterverwerten kann. Zunächst waren es Kinderhosen, weil aus meinem Freundeskreis die ersten Paare Kinder bekamen. Die Hosen gibt es im Onlineshop auch immer noch, aber mittlerweile bin ich vor allem auf die Etuis in zwei Größen spezialisiert“, sagt sie. Und der Laden läuft: In der Weihnachtszeit gehen täglich Bestellungen ein, 2019 waren es im Dezember locker 50. Vom Einkauf über Fertigung bis Versand stemmt Anna Behlen alles allein.
„Ich müsste eigentlich Arbeit abgeben, mir das mit jemandem teilen, der Kontakte hat oder auch mit Geld unterstützt. Aber ich habe einfach zu viel Spaß daran, mich um alles selbst zu kümmern“, sagt sie. Längst hat sie darüber nachgedacht, auch alten Utensilien aus anderen Sportarten zu neuem Glanz zu verhelfen. Ganz auf das alternative Modegeschäft zu setzen, das traue sie sich allerdings nicht. „Ich bin dafür zu sehr Sicherheitsmensch, deshalb habe ich mich für das Studium bei der Polizei entschieden“, sagt sie. Ein Studium der Sozialökonomie hat sie abgeschlossen, aber keinen Gefallen daran gefunden. „Polizei ist meins, weil ich schon immer ein hohes Gerechtigkeitsempfinden gehabt habe.“
Wie gerecht es ist, als Profisportlerin geführt, aber nicht so bezahlt zu werden, steht auf einem anderen Blatt. Aber Anna Behlen genießt es, sich auf vielen Feldern auszutoben. Und Zeit zum Klagen hat sie sowieso keine.