Hamburg. Turnierbotschafterin Andrea Petkovic übt harte Kritik am Tennisverband: „Erstaunlich, dass man so ein Produkt auseinanderreißt“.

Natürlich gibt es immer Dinge zu optimieren. Das Wetter hätte besser sein dürfen, und dem Damenfeld hätte nach den Absagen der russischen Topspielerinnen Daria Kassatkina (26/Nr. 11) und Anastasia Potapowa (22/Nr. 26) ein wenig mehr Klasse gut getan. Dennoch hat Turnierdirektorin Sandra Reichel ihre Ankündigung, das „perfekte Turnier“ vor sich zu haben, durchaus mit Substanz gefüllt.

„Zwei Einzelfinals am Rothenbaum mit Hamburger Beteiligung – das Universum hat es gut mit uns gemeint“, sagte die 52 Jahre alte Österreicherin. Trotz des unter der Woche teils gruseligen Wetters kamen 64.000 Fans an den neun Turniertagen, 9000 mehr als im vergangenen Jahr.

Rothenbaum: Lob für kombiniertes Turnier

Viele, so der Tenor vieler Gespräche, empfinden das 2022 erstmals ausgetragene kombinierte Event aus Damen- und Herrentennis innerhalb einer Woche als das optimale Produkt für Hamburg. Auch Dietloff von Arnim, Präsident des Deutschen Tennis-Bundes (DTB), lobte das Turnier als „großen Erfolg und hervorragende Werbung für den Tennissport.“

Er sah sich deshalb in der Bilanzpressekonferenz diverser Nachfragen dazu ausgesetzt, warum der Verband als Inhaber der Herrenlizenz von 2024 an ein offensichtlich funktionierendes Gesamtkonstrukt einreißt, indem er die Ausrichtung des Herrenturniers für zunächst fünf Jahre an die spanische Agentur Tennium vergeben hat.

DTB will sich um Masters bewerben

„Die finanzielle Ausstattung des DTB wird sich dadurch verbessern“, sagte er und bestätigte damit, dass Tennium eine höhere Lizenzsumme geboten hatte. Außerdem hofft der Verband, dass die Herrentennisorganisation ATP von 2025 an eine zehnte Lizenz für die 1000er-Turnierserie vergibt, für die er sich mit Hamburg bewerben würde.

Eiszeit herrschte auf dem Podium, als von Arnim darauf beharrte, „dass der Erfolg des Turniers hauptsächlich auf der Tradition des Herrenevents fußt, und dass der neue Vermarkter es besser machen wird“. Die Agentur Tennium selbst will von September an in Hamburg präsent sein und dann ihre Pläne vorstellen.

Petkovic übt Kritik am Verband

Turnierbotschafterin Andrea Petkovic (35) übte deutliche Kritik am DTB. „Der Verband sollte auch andere Dinge als wirtschaftliche Faktoren sehen. Ich bin überzeugt davon, dass kombinierte Turniere die Zukunft sind und die Fans am meisten begeistern, und ich finde es erstaunlich, dass man so ein Produkt auseinanderreißt“, sagte sie.

Sandra Reichel und ihr Vater Peter-Michael Reichel bekräftigten zwar, das Damenturnier, dessen Lizenz ihnen gehört, in Hamburg halten zu wollen. Wie genau das funktionieren wird, ist unklar, auch weil es in 2024 die Besonderheit gibt, dass vom 26. Juli bis 11. August die Olympischen Sommerspiele in Paris anstehen. Zwischen dem Ende des Grand-Slam-Turniers in Wimbledon und dem Olympiastart liegen nur zwölf Tage.

Termin für ATP-Turnier 2024 steht

Der Termin für das ATP-Turnier steht für die Woche 15. bis 21. Juli direkt nach Wimbledon fest. Die Option, die Damenlizenz für ein Jahr an Tennium zu verpachten, um es im kommenden Jahr im engen Kalender unterzubringen und die Zeit bis 2025 zu überbrücken, wenn sowohl der WTA- als auch der ATP-Kalender neu geordnet werden, wollten die Reichels zumindest nicht ausschließen.

„Wir sind für alles offen, lieber mache ich das Turnier aber selber“, sagte Sandra Reichel. Gespräche mit Tennium sollen in den kommenden Wochen aufgenommen werden. Klar ist, dass die Österreicher sich um eine Aufwertung des Damenturniers vom 250er- auf den 500er-Status bemühen.

Die Entscheidung darüber soll bei den US Open (28. August bis 10. September) fallen. „Das beste Produkt wäre ein kombiniertes Damen- und Herrenturnier mit beiden Turnieren auf 500er-Level“, sagte Andrea Petkovic. Dann wäre das Label „perfektes Turnier“ unumstritten.