Hamburg. Kristoff Puelinckx, von 2024 an mit der Agentur Tennium Veranstalter des Herrentennisturniers, spricht erstmals über seine Pläne.

Als Kristoff Puelinckx am Mittwoch vom Flughafen Fuhlsbüttel zum Rothenbaum fuhr, fiel ihm etwas auf. „Ich habe auf dem gesamten Weg kein Zeichen davon gesehen, dass gerade ein großes Tennisturnier in der Stadt gespielt wird“, sagt der 53-Jährige, „das ist eins der Dinge, die wir verbessern möchten.“

Vom kommenden Jahr an haben der Belgier und sein Team dazu die Gelegenheit. Seit der Deutsche Tennis Bund (DTB) im Herbst 2022 offiziell die Lizenz für das Herrenturnier der 500er-Kategorie (500 Weltranglistenpunkte für den Sieger) für die Jahre 2024 bis 2028 an die Agentur Tennium verpachtet hat, deren Gründer und Geschäftsführer Puelinckx ist, laufen deren Planungen im Hintergrund.

Deutschland interessanter Markt

Aus Respekt vor Turnierdirektorin Sandra Reichel, die 2019 die Nachfolge von Michael Stich angetreten hatte, hat sich Tennium bislang nicht öffentlich geäußert. Für das Abendblatt machte Puelinckx nun eine Ausnahme, da die Diskussionen über die Zukunft des Turniers zunehmen und es ihm wichtig erscheint, die generelle Ausrichtung seiner aus Barcelona agierenden Agentur zu erklären.

„Deutschland war für uns seit unserer Gründung 2015 ein sehr interessanter Markt, und als wir die Chance sahen, in Hamburg einzusteigen, haben wir nicht gezögert. Der Rothenbaum ist ein tolles Turnier, das wir zu einem Top-Event der 500er-Serie machen wollen, was es momentan aus meiner Sicht nicht ist.“

2024 wird vor Olympia gespielt

Wie genau das aussehen soll, will Tennium, das diese Woche mit sechs Mitarbeitern Eindrücke sammelt und am 1. September ein lokales Büro in Hamburg eröffnet, im Herbst vorstellen. Für 2024 ist zumindest die Terminierung des Herrenturniers klar. Gespielt wird vom 15. bis 21. Juli, in der Woche direkt nach Wimbledon und vor dem Start der Olympischen Spiele (26. Juli bis 11. August).

Da in Paris auf der Anlage der French Open auf Sand gespielt wird, dürften viele Topspieler trotz der Konkurrenz der 250er-Events in Gstaad (Schweiz) und Bastad (Schweden) die Chance nutzen, sich in Hamburg nach der Rasensaison auf Sand umzustellen.

Was allerdings von 2025 an passiert, ist aktuell vollkommen unklar. Die Herrentennisorganisation ATP hatte in Aussicht gestellt, die als Masters firmierenden Turniere der 1000er-Serie von neun auf zehn auszuweiten. Um jene zehnte Lizenz würde sich der DTB, der bis 2008 am Rothenbaum ein solches Mastersturnier ausrichten durfte, gern bewerben.

Mastersturnier hat keine Priorität

Für ein kombiniertes Damen- und Herrenevent, das Sandra Reichel 2022 installiert hatte, wäre dann nicht ausreichend Platz, da 1000er-Turniere mit 64er- statt 32er-Starterfeld gespielt werden. Tennium, das in den Verhandlungen eine deutlich höhere Lizenzsumme als Matchmaker geboten haben soll, ist für diese Umstellung bereit, Priorität aber habe sie nicht. „Ein 1000er-Turnier ist immer eine gute Idee. Aber wir können zunächst nur mit dem planen, was wir haben“, sagt Kristoff Puelinckx.

Signale, dass die ATP den deutschen Markt aufwerten möchte, gibt es zwar, eine Bestätigung für die Ausweitung der Mastersserie von 2025 an aber noch nicht. Zudem drängt mit Saudi-Arabien ein Konkurrent auf den Markt, der sich daran stößt, dass die arabischen Rivalen Doha (Katar) und Dubai (VAE) bereits auf der ATP-Landkarte vertreten sind.

Saudi-Arabien ist ein Konkurrent

Geld ist in Saudi-Arabien bekanntlich im Überfluss vorhanden, ein Rasenturnier könnte dort ebenso stattfinden wie ein Hartplatzmasters zu Jahresbeginn als Einstimmung auf das erste Grand-Slam-Turnier der Saison, die Aus­tralian Open in Melbourne.

Die ATP soll deutlich dazu tendieren, ein zehntes 1000er-Turnier in die Wochen vor Wimbledon auf Rasen zu platzieren. Aktuell wird im März in Indian Wells und Miami (beide USA) auf Hartplatz gespielt, im April und Mai in Monte Carlo, Madrid (Spanien) und Rom (Italien) auf Sand, ehe es im August in Montreal, das jährlich mit Toronto (beide Kanada) wechselt, und Cincinnati (USA) sowie im Oktober in Shanghai (China) und Paris (einziges Hallenmasters) auf Hartplatz weitergeht.

DTB: Hamburg einzige Option

DTB-Präsident Dietloff von Arnim bekräftigt, dass es keine Pläne gebe, das ATP-Turnier aus Hamburg in eine andere deutsche Stadt zu verlegen. „Hamburg ist unsere einzige Option“, sagt er. Kristoff Puelinckx bestätigt dies: „Der DTB entscheidet, und wir halten Hamburg für einen tollen Standort. Vor allem das Stadion ist ein großer Pluspunkt.“

Für eine im Falle des Masters-Zuschlags notwendige Umrüstung der Anlage an der Hallerstraße auf Rasen existieren bereits mehrere Planspiele, wobei die temporäre Umwidmung von Sandplätzen mittels Rollrasen von der ATP nicht akzeptiert wird.

Carsten Lütten, Erster Vorsitzender des Clubs an der Alster, der bis 2049 das Erbpachtrecht an der Anlage hält und Eigentümer des 2020 für zehn Millionen Euro renovierten Stadions ist, sagt: „Wir sind grundsätzlich für alle Gespräche offen, müssen aber zunächst einmal wissen, was die ATP plant. Außerdem bin ich verpflichtet, im Sinne unserer Mitgliedschaft zu handeln.“

Club an der Alster muss zustimmen

Für den Club ist die aktuelle Situation optimal. Da am Rothenbaum angesichts der streitlustigen Anwohner die Zahl der Veranstaltungstage auf 18 plus vier Auf- und Abbautage limitiert ist, lässt ein kombiniertes Damen- und Herrenturnier, das innerhalb von neun Spieltagen durchgezogen werden kann, genug Raum für die Belange der Tennisabteilung und die Hamburger Schwerpunktsportart Beachvolleyball, die am Rothenbaum mit einem Turnier der höchsten Weltserie Elite 16 – in diesem Jahr vom 16. bis 20. August – vertreten ist.

Da die Familie Reichel aber die Lizenz am Damenturnier hält, ist eine weitere gemeinsame Präsentation von Damen und Herren nicht möglich, da ein kombiniertes Turnier mit zwei unterschiedlichen Veranstaltern allein schon an logistischen Problemen scheitert.

Damenturnier soll 500er-Status erhalten

Sandra Reichel, die sich um eine Aufwertung ihres Damenturniers vom 250er- zum 500er-Status bemüht und erklärt hat, am Rothenbaum für „die nächsten 20, 30 Jahre zu planen“, will sich, was man verstehen kann, erst am Sonntag bei der Bilanzpressekonferenz zur Zukunft äußern.

Die Stadt Hamburg hat zwar Interesse bekundet, weiter Damen- und Herrentennis zu unterstützen. Sollte jedoch in zwei voneinander getrennten Wochen gespielt werden, ist kaum vorstellbar, wie das am Rothenbaum umgesetzt werden könnte. Veranstaltungen mit weniger als 1500 Zuschauern sind zwar über die 18-Tage-Grenze hinaus erlaubt, aber ein singuläres Damenturnier dürfte dann angesichts des sowieso schon geringeren Zuschauerinteresses schwer finanzierbar sein.

Zukunft des Damenturniers unklar

Sandra Reichel könnte, um zumindest 2024 von dem günstigen Vor-Olympia-Termin zu profitieren, ihre Lizenz für ein Jahr an Tennium verpachten und von 2025 an eine tragfähige Lösung für das Damenturnier suchen. Oder sie könnte, sofern die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen zu ungünstig wären, ihre Lizenz komplett an die Agentur Tennium verkaufen, die dann, sofern das ATP-Turnier auf 500er-Level verbleibt, ein kombiniertes Turnier austragen könnte.

„Aktuell führen wir keine Verhandlungen mit der Familie Reichel, und unsere Priorität liegt auf dem Herrenturnier“, sagt Puelinckx dazu. Sollte die ATP keine zehnte 1000er-Lizenz oder eine solche nicht an Hamburg vergeben, bliebe der aktuelle 500er-Status, der im vergangenen Herbst bis ins Jahr 2038 garantiert wurde, bestehen.

Auch Hartplatz bleibt ein Thema

Ob das Turnier jedoch weiter im Sommer auf Sand ausgetragen würde, ist ebenfalls unklar. Wegen der Ausweitung der Masters-Events in Nordamerika auf jeweils zehn Tage wird die kurze Sandplatzsaison nach Wimbledon auf zwei Wochen zusammengestrichen, was massiven Einfluss auf die Teilnehmerfelder haben dürfte. Die Option, am Rothenbaum temporär auf Hartplatz umzurüsten, wie es 2022 bei der Daviscup-Zwischenrunde bereits praktiziert wurde, bleibt aktuell.

„Ich habe dazu keine Präferenz“, sagt Kristoff Puelinckx, „unser Fokus liegt darauf, das bestmögliche Spielerfeld zu bekommen. Wenn wir die Pläne der ATP kennen, werden wir schauen, was das Beste ist.“ Sicher ist also nur: Die Diskussionen um die Zukunft werden weitergehen.