Hamburg. Der Serbe Slavko Tekic, der für viele Athleten eine Vaterfigur ist, wechselt zum 1. August als Nationaltrainer nach Aserbaidschan.

Um seinen großen Traum hat Slavko Tekic nie ein Geheimnis gemacht. Als Nationaltrainer bei Olympischen Spielen seinen Athletinnen und Athleten zu Medaillen im Judo zu verhelfen – das ist es, warum der diplomierte Sportlehrer Ende der 90er-Jahre nach dem Studium in Hamburg seinen Beruf ergriff.

Nun, nach 25 Jahren als Chefcoach im TH Eilbeck und 22 als leitender Landestrainer im Hamburger Verband (HJV), wird sein Traum endlich Realität – aber auf andere Art und Weise, als es sich der frühere jugoslawische Auswahlkämpfer ursprünglich erhofft hatte. Der 53-Jährige wird nicht deutscher Bundestrainer, sondern zieht mit Ehefrau Angela und Tochter Jelena (9) nach Baku, um dort die Männerauswahl Aserbaidschans zu übernehmen.

Erstes Angebot schon 2021

„Die Entscheidung, Hamburg zu verlassen, ist mir unglaublich schwer gefallen“, sagt der Serbe, als er das Abendblatt am Montagmorgen zum Abschiedsinterview im Leistungszentrum am Eulenkamp empfängt, „aber das Angebot ist zu gut, um es abzulehnen.“

Nach den Olympischen Spielen 2021 in Tokio wollte Aserbaidschans Verband ihn im Paket mit Bundestrainer Richard Trautmann, der nach Tokio aus unerfindlichen Gründen seiner Aufgabe entbunden worden war und seit längerem am Kaspischen Meer arbeitet, schon einmal abwerben. Damals entschied Tekic sich, in erster Linie seinem Pflichtgefühl folgend, dagegen, die in Hamburg über die Jahre mühsam erarbeiteten Strukturen sich selbst zu überlassen.

Nachfolger hat er aufgebaut

Nun, zwei Jahre später, hat er seine Nachfolger aufgebaut. „Ich kann deshalb guten Gewissens gehen, weil ich weiß, was für eine starke Grundlage wir hier geschaffen haben. Die Jungs werden es auch ohne mich sehr gut machen“, sagt er.

Die Jungs, das sind in erster Linie HJV-Sportdirektor Florian Hahn, der frühere Landestrainer Daniel Lenk, Landestrainer Johannes Kruse und Patrick Strutz, Sportdirektor des Bundesligateams HJT, dessen Cheftrainer Tekic ebenfalls noch bis zu seinem Wechsel Ende Juli ist.

„Wir konnten uns auf diesen Tag vorbereiten, denn völlig überraschend kommt das ja nicht. Dennoch ist es natürlich ein trauriger Moment, so eine prägende Figur wie Slavko zu verlieren“, sagt HJV-Präsident Rainer Ganschow, der Tekics Stelle bereits offiziell ausgeschrieben hat, aber kaum vor Jahresende mit Ersatz rechnet. Sascha Costa, Leiter der Judoabteilung im Eimsbütteler TV, soll zur Unterstützung des Bundesligateams gewonnen werden.

Leidenschaft und Herzblut zeichnen ihn aus

In der Tat gibt es sportartenübergreifend in Hamburg wahrscheinlich keinen zweiten Trainer, der die Geschicke seiner Sportart derart maßgeblich geprägt hat wie Slavko Tekic. Vor allem Leidenschaft und Herzblut, die den 1,85 Meter großen Kraftmenschen mit dem Spitzbubengesicht sieben Tage in der Woche von 8 Uhr morgens bis 22 Uhr am Abend in Aktion halten, dürften ihresgleichen suchen.

Als Vaterfigur wird Tekic von fast all seinen Athleten geschätzt. „Hamburgs Judoka sind wie meine Familie, deshalb überwiegt derzeit ganz klar das weinende Auge“, sagt er. Fraglos jedoch wird er, wenn er nach der Anfang August anstehenden Hochzeit seines ältesten Sohnes Nikola (29) in Baku seinen Dienst antritt, auch dort mit 100 Prozent Einsatzbereitschaft die Mission Olympia 2024 in Paris einläuten.

Bis nach den Spielen läuft sein Kontrakt zunächst, und in einem Land wie Aserbaidschan, wo Judo gemeinsam mit Ringen Nationalsport Nummer eins ist, sind Medaillen die einzige Währung, die zählt. Dessen ist Slavko Tekic sich bewusst, die Herausforderung nimmt er gern an. Nicht nur, weil sie herausragend bezahlt wird, sondern auch, weil er weiß, dass der Rückweg nach Hamburg immer offen steht.

Rückkehr nach Hamburg ist geplant

Den Kontakt wird er nicht abreißen lassen, er will weiterhin die ausländischen Kämpfer für die Bundesligakämpfe des HJT rekrutieren und im Herbst auch zur Final-4-Endrunde kommen, wenn Hamburg sich dafür qualifiziert. „Wenn meine Trainerkarriere irgendwann beendet ist, werde ich bestimmt nach Hamburg zurückkehren“, sagt er.

Ganz aufgegeben hat er auch seinen großen Traum nicht, von Hamburg aus als Bundestrainer der deutschen Judoka, deren Assistenzcoach er bis 2021 war, wirken zu können. Aktuell hat der nationale Verband andere Pläne. Aber wie schnell sich Dinge ändern können, hat er ja gerade erst wieder erfahren.