Hamburg. Die Hamburgerin geht nach Kreuzbandriss im April 2022 an diesem Sonntag in Tiflis wieder auf die Jagd nach der Olympiaqualifikation.
Angst? Überhaupt keine, sagt Renée Lucht, und auch wenn man es ihr kaum glauben mag, liefert die 24 Jahre alte Hamburgerin eine Erklärung nach, die einleuchtet. „Vor sieben Jahren hatte ich die gleiche Verletzung im rechten Knie. Seitdem habe ich damit keinerlei Probleme gehabt. Also gehe ich davon aus, dass das jetzt mit dem linken Knie genauso läuft“, sagt die Judokämpferin, die an diesem Freitag zu einer besonderen Reise aufbricht.
Erstmals, seitdem sie sich im April 2022 beim Grand-Slam-Turnier in Antalya (Türkei) das vordere Kreuzband des linken Knies gerissen hatte, startet die Superschwergewichtlerin (Klasse über 78 Kilogramm) wieder auf der Welttour. Beim Grand-Slam-Turnier in Georgiens Hauptstadt Tiflis ist Renée Lucht am Sonntag auf der Matte gefordert.
Den ganz großen Wurf erwartet weder der Verband noch sie selbst. „Ich bin noch nicht wieder da, wo ich vor der Verletzung war“, sagt sie ehrlich, „aber ich spüre, dass ich auf dem richtigen Weg bin.“ Körperlich habe sie keinerlei Einschränkungen mehr. Im Gegenteil: „Athletisch fühle ich mich gerade so stark wie nie zuvor, weil ich während der Pause sehr gezielt an Defiziten arbeiten konnte.“
Knie und Schultern sind im Judo die am meisten belasteten Gelenke
Der schwierige Aspekt ist die mentale Komponente einer solch schweren Verletzung. Gerade in ihrer Klasse, wo Gegnerinnen mit bis zu 130 Kilogramm bewegt werden müssen, sind die Knie neben den Schultern die am meisten belasteten Gelenke. Wer da mit der Angst in den Wettkampf geht, die Verletzung könne erneut aufbrechen, hat einen gehörigen Nachteil. „Ich hatte zwar keine psychologische Begleitung, aber der Kopf bereitet mir überhaupt keine Probleme. Die Verletzung ist für mich abgehakt, was jetzt passiert, ist einfach Schicksal“, sagt sie.
Geholfen hat der 1,72 Meter großen Hamburgerin, die seit vier Jahren am Bundesstützpunkt in Berlin-Hohenschönhausen trainiert und Sonderpädagogik studiert, aber noch immer für die HT 16 startet, eine akribische Rehabilitationsphase. Ursprünglich hatte sie ihr Comeback auf der Welttour bereits kurz vor Weihnachten in Israel vorgesehen, nachdem sie im Dezember wieder mit Vollkontakt wettkampfnah trainieren konnte.
Dann wurde sie krank, sagte den Israel-Trip ab, reiste stattdessen im Januar mit der Nationalmannschaft ins Konditions-Trainingslager nach Südafrika und im Februar zur Wettkampfvorbereitung nach Bytom (Polen). „Alles hat gut funktioniert, ich habe mir dort die nötige Sicherheit geholt“, sagt sie. Ein fünfter Rang beim Europacup in Rom (Italien) am vorvergangenen Wochenende gab dann die Gewissheit, es wieder mit den Besten aufnehmen zu können.
Von Juni an zählen alle erkämpften Punkte für die Olympiaqualifikation
Das Vertrauen in den Körper ist also zurück, Druck allerdings entsteht auf einem anderen Feld. Im Juni 2022 war die Qualifikationsphase für die Olympischen Sommerspiele 2024 gestartet, und Renée Lucht musste tatenlos zusehen, wie die Konkurrenz anfing, Punkte zu sammeln. „Das war nicht ganz einfach, da die Geduld zu bewahren. Aber mir war klar, dass es nichts bringt, zu früh zu viel zu riskieren“, sagt sie.
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Zumal erst von Juni dieses Jahres an alle dann erkämpften Punkte zählen. Die im Zeitraum Juni 2022 bis Mai 2023 erzielten Zähler werden halbiert. „Ich bin deshalb guter Dinge, dass ich es nach Paris schaffen werde“, sagt Renée Lucht. Die Top 17 des Olympiarankings, in dem die Weltranglisten-29. aktuell an Position 82 steht, sind direkt qualifiziert, allerdings pro Nation nur eine Starterin. Dazu kommen Quotenplätze. Die genaue Anzahl der Starterinnen steht nicht fest.
All das ist Zukunftsmusik. Zunächst zählt für Renée Lucht nur Tiflis, eine Woche darauf allerdings steht eine emotional noch brisantere Reise an. In Antalya, wo sie 2022 im Halbfinale verletzt ausschied, will sie das Trauma ihres Kreuzbandrisses endgültig hinter sich lassen.