Hamburg. Der Hamburger Haftom Welday möchte beim Haspa-Marathon-Debüt am Sonntag die Olympianorm für die Sommerspiele 2024 in Paris knacken.
Den großen Auftritt vor dem ersten Heimwettkampf seines Lebens hat Haftom Welday bereits an diesem Donnerstag. Wenn um 13 Uhr im Radisson Blu Hotel am Dammtor die internationalen Topstars für den Haspa Marathon am Sonntag vor die Medien treten, wird der 33-Jährige für die Spitzenläuferinnen aus Äthiopien als Dolmetscher zur Verfügung stehen.
Und wahrscheinlich könnte es kein besseres Zeichen dafür geben, dass der gebürtige Eritreer, der im Sommer 2014 aus der Krisenregion Tigray im Norden Äthiopiens nach Deutschland geflohen war, angekommen ist in seiner neuen Heimat, deren Staatsbürgerschaft er seit September vergangenen Jahres besitzt.
„Ich bin glücklich, dass ich dem Veranstalter als Dolmetscher helfen darf“, sagt Haftom Welday in bestem Deutsch und der ihm eigenen Bescheidenheit. Am Freitag wird er dann wieder als Protagonist auf dem Podium sitzen, wenn die nationalen Eliteathletinnen und -athleten gefragt sind.
Welday lebt seit 2021 in Groß Borstel
Denn der Mann, der im Dezember 2021 aus Niedersachsen mit seiner Ehefrau Brtokan, Sohn Mateus (10) und den Zwillingsmädchen Hana und Hyab (2) nach Groß Borstel zog, ist einer der deutschen Kandidaten für den Marathonlauf bei den Olympischen Spielen 2024 in Paris. Mit seiner Bestzeit von 2:09:06 Stunden, aufgestellt im September 2022 in Berlin, ist er Sechster der ewigen deutschen Bestenliste über die 42,195 Kilometer und hat damit die Norm für die WM in Budapest (Ungarn/19. bis 27. August) erfüllt.
Mit dem Laufen hatte der 1,76 Meter große Athlet erst in Deutschland begonnen. Als er 2019 seinem großen Idol, dem äthiopischen Langstreckenstar Kenenisa Bekele (40), beim Berlin-Marathon zuschaute, beschloss er, selbst Profiläufer werden zu wollen. Seinen ersten Marathon absolvierte er zwei Jahre später ohne großes Training in Berlin in 2:13:47 Stunden.
Seitdem glauben die, die ihn fördern, an eine große Karriere. „Wenn ich sehe, in welchen Schritten er sich verbessert, dann weiß ich, welches Potenzial in ihm steckt“, sagt sein Manager Till Behrend. In Hamburg nun wird Haftom Welday zum dritten Mal bei einem Marathon an der Startlinie stehen. Dass er aufgeregter sein wird als jemals zuvor, liegt daran, dass es ein Heimrennen für ihn ist.
Den Hamburg-Marathon 2022 verpasste er
Sein für vergangenes Jahr geplantes Hamburg-Debüt hatte er wegen von Vitamin-D-Mangel ausgelöster muskulärer Probleme absagen müssen. „Ich habe früher immer davon geträumt, die großen Marathons in London oder den USA zu laufen. Aber Hamburg ist auch etwas sehr Großes für mich, die Unterstützung der Menschen hier gibt mir Extramotivation und viel Kraft“, sagt er.
Seine Vereinskollegen vom Hamburger Laufladen e.V. werden an der Strecke stehen und ihn anfeuern, Haftom Welday hofft aber, dass ihn alle Menschen, die ihn erkennen, unterstützen werden. „Ich möchte mit einer Topleistung ein wenig für die Gastfreundschaft und Hilfe zurückgeben, die meine Familie und ich hier seit vielen Jahren erfahren“, sagt er.
Um diese Topleistung bringen zu können, hat er so hart wie nie gearbeitet und einige Entbehrungen auf sich genommen. Seit Anfang Januar bis zum vergangenen Sonnabend war er im Trainingslager in Burayu, einer 50.000-Einwohner-Stadt im Hochland Äthiopiens, das sein Hauptsponsor LetMeShip, ein Hamburger Digitallogistik-Unternehmen, ermöglichte.
Knapp 2500 Kilometer lief er im Trainingslager
Auf rund 2600 Meter Höhe spulte er in einer professionellen Trainingsgruppe, in der sich bis zu 50 afrikanische Spitzenläufer auf die Frühjahrswettkämpfe vorbereiteten, knapp 2500 Kilometer auf Gras, Schotter, Sand und Asphalt ab. „Mein Wochenrekord lag bei 195 Kilometern“, sagt er.
Begleitet wurde die Gruppe von Proficoach Getamesay Mokka Dana, der seit dem Berlin-Marathon 2022 Weldays Trainingspläne schreibt. Unterstützt wurde der Hamburger vor Ort von seinem Freund Tadu Abate (25), der 2019 den Hamburg-Marathon gewonnen hatte.
„Er hat alles organisiert und mich sogar in seiner Wohnung aufgenommen, als in dem Apartment, das ich gemietet hatte, wegen starker Regenfälle Feuchtigkeit eintrat und meine Matratze verschimmelte“, sagt Welday, der sich zudem über einige Trainingseinheiten mit seinem Idol Bekele freuen durfte, in dessen Trainingszentrum er jeden Freitag auf der Tartanbahn trainierte. „Er kam Ende März in unsere Gruppe, das war natürlich etwas sehr Besonderes für mich“, sagt er.
Eine Ernährungsumstellung soll helfen
Nach dem Trainingslager und einer Ernährungsumstellung mit Verzicht auf Milchprodukte und rotes Fleisch fühlt sich Haftom Welday nun bereit dafür, sein großes Ziel zu erreichen. In Hamburg möchte er am Sonntag die Norm für Olympia 2024 knacken, die bei 2:08:10 Stunden liegt.
- Ziel Olympia: Der Flüchtling, der seinem Traum nachläuft
- Ausgebremst vom Vitamin-D-Mangel – aber der Traum lebt
- 74 Aktive erhalten für Olympia 2024 besondere Förderung
Drei deutsche Männer können den Sprung nach Paris schaffen, derzeit hat lediglich Amanal Petros (27/SCC Berlin) die geforderte Zeit bereits geknackt. Am Sonntag ist Richard Ringer (34/LC Rehlingen), dessen Bestzeit von 2:08:49 vom April 2021 datiert, Weldays nationaler Hauptkonkurrent.
„Ich freue mich, dass es so viele gute Marathonläufer in Deutschland gibt. Konkurrenz treibt mich an“, sagt Haftom Welday, der sich zwar in der Form wähnt, bester Deutscher zu werden und die Norm zu erreichen, das aber nicht herausposaunen mag. Große Ansagen sind nicht sein Stil, er will lieber Taten sprechen lassen.
Trennung von Familie war besonders hart
Besonders hart war für den Familienmenschen die Trennung von Frau und Kindern. Um sich auf das Rennen zu fokussieren, wohnt er bis Sonntag im Hotel. Danach jedoch ist die Familie endlich wiedervereint. „Mein Glück ist, dass meine Familie versteht, dass ich das alles für sie tue“, sagt Haftom Welday, der seinem Sohn auch beruflich bereits als Vorbild dient.
Mateus läuft am Sonnabend beim Zehntel, dem Schülerlauf über 4200 Meter, mit. 2032 in Brisbane gemeinsam mit dem Sohn für Deutschland bei Olympia zu starten, das wäre das perfekte Ende für Haftom Weldays Laufmärchen.