Hamburg. Der Geschäftsführer des THW Kiel spricht über das Derby gegen den HSV Hamburg und seine Liebe für die HSV-Fußballer.
Wenn der HSV Hamburg (HSVH) am Sonntag (16.05 Uhr/Sky) bei Handball-Rekordmeister THW Kiel gastiert, wird Viktor Szilágyi wieder auf der Auswechselbank Platz nehmen. Seine aktive Karriere hat der 201-malige österreichische Nationalspieler bereits 2017 beendet, doch auch als Geschäftsführer will der 44-Jährige weiter nah am Geschehen sein. Vor dem Derby nahm sich Szilágyi Zeit für ein Gespräch mit dem Abendblatt.
Hamburger Abendblatt: Herr Szilágyi, Sie sind in Ungarn geboren, später in Österreich aufgewachsen und verdienen im Handball Ihr Geld. Trotzdem sind Sie begeisterter Fan der HSV-Fußballer. Wie ist das passiert?
Viktor Szilágyi: Ich bin nicht nur HSV-Fan, sondern stolzer HSV-Fan. Da gibt es ja einige Leute, die das in den vergangenen Jahren ein bisschen unter Verschluss halten. In Österreich haben wir als Schüler immer schon die Fußball-Bundesliga verfolgt. Wenn bei uns zu Hause der Fernseher lief, lief immer Sport. Beim HSV hat es dann schnell Klick gemacht, während meiner Zeit als Handball-Profi in Nordrhein-Westfalen ist es dann noch intensiver geworden, weil ich mir viele Auswärtsspiele ansehen konnte. Bis heute versuche ich bei jedem Heimspiel, wenn es zeitlich passt, ins Volksparkstadion zu gehen. Und in Österreich ist der HSV durch Menschen wie Ernst Happel sowieso eine große Nummer.
Das klingt, als hätten Sie eine Dauerkarte auf der Nordtribüne …
Szilágyi: Nein, dafür habe ich tatsächlich zu wenig Zeit. Aber ich freue mich, dass ich zu HSV-Vorstand Jonas Boldt mittlerweile einen persönlichen Draht habe. Als er einmal die Auslosung für das DHB-Pokal-Final-Four in Hamburg gemacht hat, haben wir uns länger miteinander unterhalten. Auch Tim Walter habe ich in seiner Zeit als Trainer von Holstein Kiel kennengelernt. Mit beiden bin ich bis heute in Kontakt, wir freuen uns immer, wenn wir uns sehen. Auch meine beiden großen Söhne sind zum Glück schnell HSV-Fans geworden, die habe ich direkt in die richtige Richtung gelenkt. Ich hoffe, der Kleine folgt dem Vorbild seiner Brüder.
Für Hamburgs Handballer haben und hatten Sie nie so viel übrig, oder?
Szilágyi: Doch, ich finde es großartig, dass Hamburg wieder in der Bundesliga ist. Das liegt nicht nur daran, dass wir uns über eine kurze Anreise zum Auswärtsspiel freuen. Städte wie Hamburg tun der Bundesliga einfach gut. Von allen Beteiligten wird beim HSVH eine gute Arbeit geleistet. Sie haben keine einfache Zeit hinter sich, sich aber ein neues Image erarbeitet. Sie zeigen, dass sie völlig zu Recht in der Bundesliga sind und die Liga bereichern.
Freuen Sie sich, dass es wieder ein weiteres Nordderby für Sie gibt? Oder ist das Spiel gegen Flensburg das einzig wahre Derby?
Szilágyi: Als THW Kiel sehen wir das Spiel gegen Hamburg auch als Derby an, wenngleich sich der Begriff „kleines Derby“ bei den Fans etabliert hat. Es reisen sehr viele Fans mit, man merkt in der Halle, dass die Spiele etwas Besonderes sind. In der Geschichte gab es in der Bundesliga große Duelle zwischen dem THW und dem HSV Handball. Obwohl das schon ein paar Jahre her ist, merkt man, dass in den Spielen immer noch richtig Feuer drin ist. Wir sind am Sonntag der Favorit, die Rolle nehmen wir auch gerne an. Der HSVH hat aber schon viele Argumente in dieser Saison geliefert, um mit sehr viel Respekt in das Heimspiel zu gehen.
Welchen Tabellenplatz trauen Sie dem HSVH in dieser Saison zu?
Szilágyi: Ich denke, dass sie einen Platz im gesicherten Mittelfeld erreichen können und mit dem Abstieg nichts zu tun haben werden. Ich verstehe aber auch die Herangehensweise des HSVH, erst mal das Ziel Klassenerhalt auszurufen. Die Saisonziele haben aber in solchen Duellen wie am Sonntag wenig Einfluss, es geht für beide Mannschaften um zwei Punkte. Für den HSVH mag es ein eher einfaches Spiel sein, weil sie keinen Druck haben. Wir stehen in jedem Spiel unter Druck.
Wie viele Teams erwarten Sie im Kampf um die Meisterschaft?
Szilágyi: Wir zählen fünf Mannschaften zum Favoritenkreis. Da gehört natürlich weiterhin auch Flensburg dazu, obwohl sie schon drei Minuspunkte haben. Bisher hatten die Clubs unterschiedliche Auftaktprogramme, richtig aussagekräftig wird die Tabelle erst Ende November sein. In der Bundesliga reichen manchmal schon ein oder zwei Ausfälle von Spielern dafür, dass sich sehr viel verändert.
Man sagt, dass es schwer ist, an die Spitze zu kommen, aber noch schwerer ist, an der Spitze zu bleiben. Wie gelingt Ihnen das?
Szilágyi: Wir haben mit unseren Möglichkeiten den Anspruch, jedes Jahr um den Titel mitzuspielen. Der große Unterschied zwischen Mannschaften an der Tabellenspitze und im Tabellenmittelfeld ist die Konstanz. Wir spielen alle drei Tage, müssen immer unserem Anspruch gerecht werden. Bis Donnerstag hat sich bei uns jeder mit dem Champions-League-Spiel gegen Szeged beschäftigt, erst danach war Hamburg das Thema.
Der THW ist ein Traditionsverein im Handball, der HSV ein Traditionsverein im Fußball. Wirklichen Erfolg haben nur Sie. Liegt es daran, dass Sie in der THW-Führungsebene deutlich harmonischer zusammenarbeiten als bei Ihrem Lieblings-Fußballclub?
Szilágyi: Es ist die Grundvoraussetzung für Erfolg, dass in einem Verein alles in die gleiche Richtung geht. Das fängt mit der Spitze des Aufsichtsrats an und geht bis zu den Teammanagern und Betreuern. Jeder muss seine Rolle kennen und persönliche Interessen hintanstellen. Das geht nur, wenn man intern eine gewisse Stabilität und Ruhe hat. Das schützen und bewachen wir jeden Tag. Auch wir müssen oft sehr schwierige Entscheidungen treffen. Wenn sich ein Trainer beispielsweise einen Spieler wünscht, muss er auch dafür Verständnis haben, dass der Transfer aus kaufmännischer Sicht manchmal nicht möglich ist. Zum HSV kann ich mich bei diesem Thema nicht äußern.
Seit vielen Jahren wird über die große Belastung für Handball-Spitzenteams geklagt, getan hat sich aber nicht besonders viel. Welche Lösungsansätze sehen Sie?
Szilágyi: Es ist gut, dass man das Problem erkannt hat. Wir brauchen beispielsweise aber auch eine starke deutsche Nationalmannschaft, um den Handball weiter nach vorne zu bringen. Deshalb sind wir auch bereit, die Nationalmannschaft mit Spielerabstellungen zu festen Terminen zu unterstützen. Ganz wichtig ist aber, dass die Spieler eine längere Pause brauchen. Die Anzahl der Spiele ist nicht das Problem, sondern die fehlende Zeit zur Regeneration. Wir brauchen gerade im Sommer mindestens sechs Wochen Pause für die Spieler.
- HSVH-Trainer Jansen freut sich über Saisonstart – und warnt
- HSVH nimmt schwachen Bergischen HC auseinander
- Wie der HSV Hamburg unter dem Besucherschwund leidet
Man hat mitunter den Eindruck, dass viele Bundesligastars auch wegen der großen Belastung in kleinere Ligen wechseln. Sehen Sie das als Gefahr?
Szilágyi: Es gibt immer noch genug Stars, die bereit sind, in die Bundesliga zu wechseln. Trotzdem ist international Konkurrenz hinzugekommen. Dass mit Aalborg in Dänemark und Kolstad in Norwegen zwei finanzstarke Projekte entstehen, erschwert uns als Nordclub die Arbeit. Für die Spieler, die sich Woche für Woche auf höchstem Niveau messen wollen, ist die Bundesliga auch weiterhin genau das Richtige. Unsere Aufgabe ist, die Spieler zu finden, die genau diese Herausforderung in vollen Arenen suchen. Trotzdem akzeptiere ich, dass ältere Spieler, die die Bundesliga schon kennen, lieber in anderen Ligen spielen wollen.
Zum Abschluss eine Frage, die nicht ganz ernst gemeint ist: Was halten Sie in dieser Saison für wahrscheinlicher? Dass der THW das Triple gewinnt – oder, dass der HSV wieder in die Bundesliga aufsteigt?
Szilágyi: (lacht) Über ein Triple zu sprechen, wäre angesichts der Konkurrenz vermessen. Ich bin davon überzeugt, dass es der HSV in dieser Saison schaffen wird, muss aber auch zugeben, dass ich das auch schon in den vergangenen vier Jahren war. Auch wir sind beim TWH auf einem guten Weg. Trotzdem weiß ich, dass immer wieder Faktoren entscheidend sein können, die man nicht beeinflussen kann.