Hamburg. Der 26-jährige Rückraumspieler spielt zum ersten Mal außerhalb Dänemarks und soll den HSVH verstärken. Dabei verfolgt er feste Werte.
Der Stadtteil, den sich Jacob Lassen in Hamburg ausgesucht hat, passt eigentlich überhaupt nicht zu ihm. Der Handballprofi, der in diesem Sommer aus seiner Heimat Dänemark als Königstransfer zum Bundesligisten HSV Hamburg (HSVH) gewechselt ist, hat mit seiner Frau Julie und Söhnchen Conrad (1) – im Februar soll zudem die erste Tochter auf die Welt kommen – eine Wohnung in St. Georg bezogen.
Einem schrillen, lauten, manchmal reizvollen, manchmal abstoßenden Ort. Jacob Lassen, ein ruhiger Mensch, der Gewalt nur als Wurfgewalt kennt, mag es trotzdem. „Wir haben noch nicht alles von der Stadt gesehen. Bisher gefällt es uns aber sehr gut“, sagt der 26 Jahre alte Rückraumspieler über seine neue Heimat.
HSV Handball: Lassen hat ein festes Wertesystem
Eine Erkenntnis, die bei einem Familienmenschen wie Lassen nicht unbedingt zu erwarten war. Sein gesamtes Leben hatte er in Randers verbracht, einer Kleinstadt in Ostjütland. „Für meine Frau und mich ist es das erste Mal, dass wir unsere Heimatstadt verlassen. Wir müssen uns erst daran gewöhnen“, sagt Lassen. Besonders schwer falle ihm die räumliche Distanz zu seinen Eltern: „Ich war es gewohnt, in ein paar Minuten zu Fuß bei meinen Eltern zu sein. Die Hilfe von ihnen nicht mehr direkt um die Ecke zu haben, macht die Planung für uns manchmal etwas schwerer.“
Drei bis vier Stunden benötigt er nun mit dem Auto in seine Heimat. Lassen, das wird im Gespräch mit dem dänischen Nationalspieler schnell deutlich, hat ein festes Wertesystem. Glück und Geborgenheit sind für ihn wichtiger als der maximale sportliche Erfolg. „Mein Traum war immer, glücklich zu sein – egal, wo ich gerade bin. Es ging nie darum, unbedingt in der Bundesliga zu spielen“, sagt Lassen.
„Es ist schön, dänische Mitspieler zu haben"
Beim HSVH hat er bis auf seine dänischen Teamkollegen Casper Mortensen (32), Frederik Bo Andersen (23) und Andreas Magaard (24) nichts, was ihn an Dänemark erinnert. „Es ist schön, dänische Mitspieler zu haben. So fühlt es sich ein bisschen mehr wie zu Hause an. Ich mag dieses sichere Heimatgefühl, mich mit Leuten zu umgeben, die mir viel bedeuten“, sagt er. Im Vergleich zu den meisten anderen dänischen Toptalenten, die wie Andersen oder Magaard möglichst früh den Wechsel in die stärkste Liga der Welt wagen, ließ sich Lassen bewusst Zeit.
Von 2016 bis 2022 spielte er für den dänischen Erstligisten Bjerringbro-Silkeborg, rund 40 Autominuten von Randers entfernt. Angebote aus der Bundesliga hatte der 1,97 Meter große Athlet bereits seit mehreren Jahren. Er entschied sich dennoch dafür, vorerst in seiner Heimat zu bleiben. „In den vergangenen Jahren habe ich mit meiner Frau viel darüber gesprochen. Jetzt war der richtige Moment für den Wechsel nach Deutschland gekommen. Ich bin bald 27 Jahre alt und werde nicht jünger“, sagt Lassen. „Die Bundesliga war immer die Liga, die ich neben der dänischen Liga verfolgt habe. Als die Anfrage aus Hamburg kam, habe ich nicht lange gezögert.“
Lassen entwickelte sich auch abseits der Bundesliga
Sportlich schadete ihm die dänische Liga bis zuletzt definitiv nicht, als einer von wenigen Profis der fast ausschließlich mit Weltstars besetzten dänischen Nationalmannschaft entwickelte sich Lassen auch abseits des Rampenlichts der Bundesliga und Champions League. „Der Handball in Deutschland ist etwas körperlicher als in Dänemark. In meiner Heimat wird mehr an der Technik gefeilt, schon als Jugendspieler. Es geht nicht nur um Körperlichkeit, der Fokus liegt auf dem Spiel“, sagt Lassen, der in zehn Länderspielen bisher 20 Treffer erzielt hat.
Der dänische Nationaltrainer Nikolaj Jacobsen habe ihm zwar nicht zu dem Wechsel geraten, Mitspieler wie Johan Hansen (28/SG Flensburg-Handewitt) haben ihm die Bundesliga aber empfohlen. „Ich würde gerne eine feste Rolle in der Nationalmannschaft spielen. Deutschland ist der richtige Ort, um sich zu beweisen“, sagt Lassen. Hinter Shootingstar Mathias Gidsel (23/Füchse Berlin), der bei Dänemark im rechten Rückraum gesetzt ist, kämpft Lassen vor allem mit Niclas Kirkeløkke (28/Rhein-Neckar Löwen) um den Status als klare Nummer zwei.
Lassen: „Ich spüre keinen großen Druck"
Was für manche Profis eine mentale Belastung sein könnte, schiebt Lassen einfach beiseite. „Ich spüre keinen großen Druck. Ich bin hier, um das Beste aus meiner Karriere herauszuholen. Wenn es für die Nationalmannschaft reicht, freue ich mich. Wenn nicht, dann habe ich wenigstens alles gegeben“, sagt er.
Am meisten arbeiten müsse der 106 Kilogramm schwere Shooter, der auch über Qualitäten im Passspiel verfügt, vor allem an seinem Defensivverhalten. Mit Nicolai Theilinger (30) hat er beim HSV Hamburg dafür den perfekten Positionspartner. Theilinger ist vor allem in der Deckungsarbeit wertvoll, hat aber Potenzial im Angriffsspiel. Beide dürften sich gegenseitig gut ergänzen.
HSV Handball: Lassen hat seinen Platz gefunden
Wenn der HSVH am 1. September (19.05 Uhr/Sky) die SG Flensburg-Handewitt zum Bundesligastart in der Barclays Arena am Volkspark empfängt, dürfte Jacob Lassen im rechten Rückraum gesetzt sein. Im Team von Trainer Torsten Jansen hat er seinen Platz bereits gefunden.
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Fehlt nur noch ein Platz für Conrad. „Wir wollen ihn bald im Kindergarten anmelden“, sagt Jacob Lassen über seinen Sohn, der im Oktober zwei Jahre alt wird. „Wenn man glücklich ist, hat man auch Erfolg. Wenn meine Frau und mein Sohn hier unglücklich wären, könnte ich auch keine Leistung bringen.“ So schön Randers auch sein mag – gut möglich, dass Conrad Lassen in ein paar Jahren St. Georg als seine Heimat bezeichnet. Sein Vater dürfte nichts dagegen haben.