Hamburg. Die Bundesliga-Handballer offenbaren beim 31:31 gegen Zweitliga-Aufsteiger Potsdam enorme Abwehrschwächen.

Was er sagte, war der größtmögliche Kontrast zu dem, was aus seinem Gesicht abzulesen war. „Jetzt können wir uns freuen, dass die Saison endlich losgeht“, diktierte Torsten Jansen am Mittwochnachmittag in der q.beyond Arena im Volkspark den anwesenden Reportern in Block und Mikrofon. Dabei schaute der Cheftrainer der Bundesliga-Handballer des HSV Hamburg aus der Wäsche, als habe er gerade drei Teller kalte Graupensuppe auslöffeln müssen.

Die Vorfreude auf die Saison 2022/23 jedenfalls, die am kommenden Donnerstag (19.05 Uhr/Barclays Arena) mit einem Heimspiel gegen Titelkandidat SG Flensburg-Handewitt beginnt, war dem 45-Jährigen gründlich verdorben worden.

HSV Hamburg: Desolate erste Hälfte gegen Potsdam

Die Ursache für Jansens Verdruss nach dem 31:31 (13:19) im letzten Testspiel der Vorbereitung gegen den VfL Potsdam war eine erste Halbzeit, die mit dem Adjektiv unterirdisch noch schmeichelhaft umschrieben wäre. Gegen den vom ehemaligen HSV-Trainer Bob Hanning (54) zugegeben hervorragend eingestellten, extrem aggressiv und siegeshungrig auftretenden Zweitliga-Aufsteiger bekamen die Hamburger in keiner Phase defensiv Zugriff auf den Gegner.

Die Torhüter Johannes Bitter und Ivan Budalic wurden von ihren Vorderleuten mehrfach komplett allein gelassen. Sinnbild für das kopflose Agieren war eine Szene, in der Budalic die schnelle Mitte nach einem Gegentor dadurch verpatzte, dass er Spielmacher Leif Tissier den Ball an den Hinterkopf drosch.

HSV Hamburg: Tissier versuchte es mit Einzelaktionen

„So wie in der ersten Halbzeit dürfen wir nicht auftreten, das geht gegen keinen Gegner gut“, schimpfte Tissier, der als einer von wenigen Hamburgern immerhin Normalform erreichte und versuchte, das Spiel mit Einzelaktionen an sich zu reißen. Bester Werfer war der von einer Achillessehnenreizung genesene dänische Linksaußen Casper Mortensen mit sieben Toren (fünf Siebenmeter). Kreisläufer Niklas Weller beklagte die mangelhafte Zusammenarbeit und Abstimmung im Defensivverbund. „Wir haben heute unsere Probleme aufgezeigt bekommen und müssen jetzt eine Woche Vollgas geben, um für Flensburg bereit zu sein“, sagte er.

Nun sind Testspiele gegen unterklassige Gegner bisweilen Muster ohne Wert, und verpatzte Generalproben versprechen oft gelungene Premieren. Was jedoch nachhaltig zur Sorge Anlass gab, war der Fakt, dass Jansen schon nach dem vergangenen Wochenende, als man beim 23:27 gegen Potsdams Ligarivalen VfL Lübeck-Schwartau 27 Gegentore binnen 40 Minuten kassiert hatte, eine Reaktion gefordert hatte.

Die blieb nicht nur aus, die Abwehr-Minusleistung wurde gegen Potsdam sogar noch einmal unterboten. „Ich hätte gedacht und erwartet, dass wir aus dem Schwartau-Spiel mehr mitgenommen hätten. Nun gilt es Antworten auf die Fragen zu finden, die diese erste Halbzeit aufgeworfen hat“, sagte der Coach.

HSV Hamburg: Tissier freut sich auf Saisonstart

Dass sich Spieler und Trainer mit der Aufholjagd in Hälfte zwei zufrieden zeigten, verwunderte. Schließlich war das gegen das junge VfL-Team, das ab Minute 45 körperlich abbaute, das Mindeste, was man erwarten durfte. Dennoch versuchten die Protagonisten, das Positive zu sehen. „Wenn wir verletzungsfrei bleiben, haben wir mehr Qualität als vergangene Saison“, sagte Tissier, „deshalb ist die Vorfreude enorm.“ Dabei schaute er zumindest entspannter drein als sein Trainer.