Wie das Benefizspiel für Timo Kraus' Familie zustande kam
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Buchholz/Hamburg. Der Auftritt des Bundesligisten in Buchholz ist nicht selbstverständlich. Das Gastspiel der Stars erfordert eine Menge Logistik.
Das Motto des Tages hat Stadion-Moderator Christoph Reise ganz klar vorgegeben: „Es soll ein toller Nachmittag werden und kein trauriger Tag.“ Ein Fest für Buchholz, für die Fußballfreunde dort, für Kinder und Familien. 2000 Zuschauer, seit Langem ausverkauft – der HSV kommt zum Freundschaftskick. Erstmals überhaupt. Der große Hamburger SV, mit voller Kapelle. An diesem Sonnabend von 17 Uhr an geht es los in der Otto-Koch-Kampfbahn am Seppenser Mühlenweg.
Hamburgs Oberliga-Vizemeister Buchholz 08 und Kreisligist Buchholzer FC spielen dann jeweils zweimal 30 Minuten gegen die Hamburger Bundesligacracks, die frisch aus dem Trainingslager in Rotenburg kommen und auch erstmals ihre Nationalspieler wie Bobby Wood oder das neu verpflichtete U-21-Feierbiest Julian Pollersbeck dabei haben – zumindest als Zuschauer. Viel Fußball also, das ist die Hauptsache. Aber eben auch immer wieder ein Gedanke daran, warum es überhaupt zu dieser Partie gekommen ist.
Der Sommerfahrplan des HSV
6. Juli: Trainingsauftakt
Trainingsauftakt und Beginn der Vorbereitung auf die Bundesligasaison am Volkspark.
9. bis 13. Juli: Trainingslager I
Der Grundstein für die kommende Saison soll in Rotenburg (Wümme) gelegt werden, wo die Mannschaft in der vergangenen Saison schon zweimal ihre Kräfte bündeln konnte. Vom 9. bis zum 13. Juli zog sie ins bewährte „Hotel Landhaus Wachtelhof“. Auf dem Programm stand vor allem Lauf- und Konditionstraining.
12. Juli: Testspiel
Im Stadion In der Ahe siegte der HSV gegen den örtlichen Landesligisten Rotenburger SV mit 8:0.
15. Juli: Testspiel "Gemeinsam für Timo"
In Buchholz (Otto-Koch-Kampfbahn) trat der HSV zu einem Benefizspiel für die Hinterbliebenen des verstorbenen Merchandisingleiters Timo Kraus an. 60 Minuten spielte das Team gegen Oberliga-Vizemeister Buchholz 08 (4:0), weitere 60 Minuten gegen Kreisligist Buchholzer FC (8:1).
18. Juli: Media Day
An diesem Tag stellte sich der Kader und der Betreuerstab für die offiziellen Porträts der neuen Saison auf.
19. Juli: Testspiel
Gegen Zweitliga-Aufsteiger Holstein Kiel setzte es vor 6000 Zuschauern in Neumünster (ausverkauft) eine 3:5 (2:1)-Niederlage. Das Spiel hatte ursprünglich im Städtischen Stadion Nobiskrug Rendsburg stattfinden sollen, wurde aus Sicherheitsgründen aber in die Grümmi-Arena des VfR Neumünster verlegt.
22. Juli bis 1. August: Trainingslager II
Nach einer weiteren Trainingswoche am Volksparkstadion reisen die Rothosen dann ins zweite Trainingslager, das in Längenfeld in Tirol stattfinden wird. Hier will sich der HSV den spielerischen und taktischen Feinschliff holen. Ursprünglich sollte das Trainingslager in Leogang im Salzburger Land stattfinden, es wurde jedoch wegen des schlechten Zustands des Rasens kurzfristig verlegt.
25. Juli: Testspiel
In Imst spielte der HSV 1:1 (0:1) gegen den niederländischen Erstligisten Sparta Rotterdam. Torschütze: Bakery Jatta.
31. Juli: Testspiel
In Leogang heißt der Gegner Antalyaspor aus der türkischen Süperlig. Anstoß ist um 18 Uhr.
6. August: Volksparkfest
Bei der Generalprobe empfängt der HSV zur offiziellen Saisoneröffnung um 15 Uhr im Volksparkstadion den spanischen Erstligisten Espanyol Barcelona.
13. August: DFB-Pokal, 1. Runde
Der HSV muss zum Drittligisten VfL Osnabrück an die Bremer Brücke reisen. Anstoß ist um 15.30 Uhr.
18. bis 20. August: Bundesliga-Auftakt
Die 55. Spielzeit mit dem HSV als dem einzigem noch nie abgestiegenem Gründungsmitglied beginnt. Erster Gegner ist im heimischen Volkspark der FC Augsburg.
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Die Idee ging vom HSV aus
Timo Kraus (44) war in der Nacht zum 8. Januar am Hafen verschwunden. Erst am 24. März wurde seine Leiche in der Elbe bei den Landungsbrücken entdeckt. Der Marketingchef des HSV war im eiskalten Wasser ertrunken. Ein tragischer Unglücksfall, der den Verein und sehr viele Menschen in seinem Wohnort Buchholz erschütterte. Schnell kam die Idee, Kraus’ Ehefrau Corinna und den beiden Söhnen zu helfen, auch finanziell. Und deshalb tritt der HSV nun ohne Gage in Buchholz an. Die Einnahmen aus den Ticketverkäufen gehen an die Familie, den Gewinn aus Würstchen- oder Bierverkäufen teilen sich die Familie sowie die Jugendabteilungen beider Vereine.
„Dieses Spiel kann den Verlust der Familie natürlich weder menschlich noch wirtschaftlich ausgleichen“, sagt HSV-Vorstandschef Heribert Bruchhagen, „es ist mehr eine Geste.“ Aber eine starke – und eine, die tatsächlich vom HSV ausging. Das erzählt Hans-Jürgen Lorenschat, der 2. Vorsitzende des Buchholzer FC, in dessen Jugendabteilung die beiden Söhne von Kraus spielen. „Wir wären nie auf die vermessene Idee gekommen, den HSV einzuladen. Das können wir uns normalerweise gar nicht leisten“, sagt Lorenschat.
"Ohne falsche Rivalitäten"
Am 6. Mai aber, bei der Einweihung des neuen Vereinsheims, da waren DFB-Präsident Reinhard Grindel, Bruchhagen, HSV-Stadionsänger Lotto King Karl und Europacupheld Bernd Wehmeyer in Buchholz. Hoher Besuch, da sprach man über dies, das und jenes. Und eben irgendwann auch über Timo Kraus. Logisch, dieses Schicksal berührt alle, die ihn kannten und die Familie kennen. Das schüttelt niemand ab, viele wollten etwas tun. „Wir haben dann den Faden aufgenommen, der grob beim HSV gesponnen wurde“, sagt Lorenschat. Er hat dann Kontakt zu Buchholz 08 aufgenommen. Die haben die stärkere Mannschaft, das größere Stadion und waren sofort bereit mitzuhelfen. Ohne irgendwelche falschen Rivalitäten, einfach, weil man das so macht in solch einem Fall. „Unser Motto heißt: Gemeinsam für Timo“, sagt „Häns“ Lorenschat.
Bilder aus dem HSV-Trainingslager:
HSV-Trainingslager in Rotenburg
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Als Zweitligist wäre der HSV nicht gekommen
So haben sie alles zusammengetrommelt, in nur knapp fünf Wochen. Denn dass das Spiel tatsächlich stattfindet, hatte sich erst am letzten Bundesligaspieltag entschieden, als Luca Waldschmidt den HSV zum Klassenerhalt schoss. Als Zweitligist hätte der HSV nicht kommen können oder wollen. „Solch ein Event gab es in Buchholz noch nie“, sagt Sascha Thielert, der als stellvertretender Fußballabteilungsleiter von Buchholz 08 für die Organisation mitverantwortlich ist. Alles hat eine andere Dimension. 350 Zuschauer kommen normalerweise, jetzt 2000, statt sechs Ordner werden 50 gebraucht, Parkraum musste geschaffen werden, dennoch bitten die Vereine, das eigene Auto stehen zu lassen.
Die Stadt wollte ein Sicherheitskonzept
Vier Getränkestände, Würstchenbuden, einen VIP-Bereich gibt es, Eintrittskarten mussten entworfen und gedruckt werden, Presse und Kamerateams müssen untergebracht werden, die Stadt wollte ein Sicherheitskonzept. Viel Arbeit, viel Aufwand. Die über 200 Helfer aus den Vereinen arbeiten alle ehrenamtlich, zahlreiche Sachspenden kamen, Würstchen, Getränke und so weiter. Spendendosen sollen rumgehen. Der HSV versteigert auf seiner Homepage noch bis Montag einen Strandkorb mit den Unterschriften aller Spieler, hergestellt von der Strandkorbmanufaktur Buchholz. 5000 war das letzte Gebot am Freitagabend.
Jetzt ist fast alles tatsächlich geschafft. Der HSV kann kommen, das Fußballfest in Buchholz kann beginnen. Die Familie wird dabei sein, irgendwie. Und Timo Kraus in ganz vielen Gedanken auch. Er hat den Fußball sehr geliebt.
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