Der Doppelweltmeister raste vom letzten Startplatz auf Rang drei - im nächsten Rennen in Austin kann er schon den Titel holen.
Abu Dhabi/Hamburg. Sebastian Vettel wusste nicht wohin mit seinen Gefühlen. Als der Formel-1-Weltmeister auf der untersten Stufe des Siegerpodests stand und der finnischen Hymne lauschte, die zu Ehren des Gewinners Kimi Räikkönen gespielt wurde, schaute er sich etwas unbeholfen um. Dann reckte er die Fäuste in den Nachthimmel über Abu Dhabi, als hätte selbst er gerade einen Grand Prix gewonnen.
Tatsächlich war seine Serie von vier Siegen in Folge beendet und der Vorsprung in der Gesamtwertung vor Fernando Alonso geschmolzen. Trotzdem strahlte Vettel wie lange nicht mehr: "Die Gefahr, hier und heute alles in den Sand zu setzen, war sehr groß. Deswegen ist es umso schöner, jetzt hier oben auf dem Podest zu stehen."
Selten hat sich der Hesse mehr über eine Niederlage gefreut. Zwar fuhr er hinter seinem letzten Titelkonkurrenten Fernando Alonso über den Zielstrich. Doch behielt er die Führung in der Gesamtwertung. Zehn Punkte Vorsprung vor Alonso ermöglichen es ihm nun, schon beim nächsten Rennen in Austin/Texas am 18. November vorzeitig seinen dritten Titel zu holen und zu den Legenden Michael Schumacher und Juan Manuel Fangio aufzuschließen, den einzigen Piloten, denen dieser Hattrick gelungen ist. Gewinnt Vettel auf dem neuen Circuit of the Americas, muss Alonso mindestens Vierter werden, um seine theoretische Titelchance beim Saisonfinale in Brasilien zu wahren. "Wir haben gesehen, wie schnell sich die Dinge ändern können", bremste der jüngste Doppelweltmeister der Formel 1 die Euphorie: "Trotzdem sind wir nun in einer guten Position."
Der Verlierer auf dem Podest war einmal mehr Fernando Alonso. Während sich Überraschungsmann Räikkönen das arabische Rosenwasser ins Gesicht spritzte und im Interview mit Ex-Pilot David Coulthard witzelte, dass "sich jetzt wieder einige beschweren werden, dass ich zu wenig lächle", stand Alonso mit versteinerte Miene daneben. Obwohl auch er ein starkes Rennen gefahren war und insgesamt vier Positionen gutgemacht hatte, muss er sich weiter mit der Rolle des Verfolgers zufriedengeben.
Der 31-Jährige sprach nach der Siegerehrung zwar von einem "perfekten Wochenende" für sich und seinen Arbeitgeber Ferrari. Dass er jedoch nur drei Zähler auf Vettel gutmachen konnte, der vom letzten Startplatz ins Rennen ging, war enttäuschend für den Mann aus Oviedo.
Vettel pflügte durch das Feld wie ein Motorradfahrer durch eine verstopfte Autobahn. Mal überholte er links, dann wieder rechts, mal zwei Konkurrenten in einer Kurve. Er ließ sich auch von einer Kollision mit Bruno Senna nicht beirren und fuhr trotz eines beschädigten Frontflügels Bestzeiten. Als das Safety Car wegen eines spektakulären Unfalls von Mercedes-Pilot Nico Rosberg, dessen Bolide vom Inder Narain Karthikeyan ausgehebelt und in hohem Bogen in die Pistenbegrenzung katapultiert worden war, auf die Strecke fuhr, lag er schon auf Platz 13. Doch selbst die Berührung eines Styroporschilds, der Wechsel der Frontpartie und die missglückte Montage des rechten Hinterrads beim zweiten Boxenstopp konnten ihn nicht bremsen. Drei Runden vor Schluss bremste er den britischen McLaren-Piloten Jenson Button aus und war Dritter.
"Es war unglaublich, mit welcher Geschwindigkeit er die Situationen eingeschätzt hat", lobte Red-Bull-Berater Helmut Marko die Leistung seines Spitzenpiloten. "So ein Rennen habe ich in den vergangenen 20, 30 Jahren nicht gesehen." Und auch Teamchef Christian Horner war begeistert: "Sebastian ist ein brillantes Rennen gefahren. Er hat allen bewiesen, dass er ein großartiger Rennfahrer ist." Einer, der immer besser aufgehoben scheint in einer Reihe mit Schumacher und Fangio.