Nach dem schlechtesten Bundesliga-Start der Vereinsgeschichte mehren sich bei Schalke 04 die Zweifel am radikalen Umbruch von Felix Magath.
Gelsenkirchen. Auf Schalke herrscht Fassungslosigkeit. Nach dem historischen Fehlstart mit Schalke 04 ist der als Meistermacher geholte Felix Magath zum ersten Mal ratlos. «Wir müssen die Situation neu bewerten», sagte der starke Mann der Königsblauen, nachdem beim 1:3 (0:1) im Revierderby gegen Borussia Dortmund schonungslos alle Schwächen seines Millionenensembles aufgezeigt worden waren.
An seinem «schlimmsten Tag auf Schalke» musste Magath erkennen, dass sein radikaler Umbruch den Vizemeister geradewegs in die tiefste Krise seit über 20 Jahren geführt hat. Die Fragen, ob er bei seinen Einkäufen für 37 Millionen Euro danebengegriffen hat, wurden immer lauter, seine Antworten immer ausweichender. «Man kann nach diesem einen Spiel nicht alles gänzlich in Frage stellen», sagte der Trainer und Manager erstmals sichtlich angeschlagen.
Doch selbst die Spieler taten nach fünf Pflichtspielpleiten in Folge und dem Absturz auf den letzten Tabellenplatz genau dies. «Wir haben zu wenige Spieler, die Verantwortung übernehmen», stellte Kapitän Manuel Neuer unverblümt fest. Der Nationaltorwart, der mit zahlreichen Paraden ein Debakel verhinderte, vermisst vor allem die abgegebenen Führungsspieler Marcelo Bordon und Heiko Westermann, die der besten Abwehr der Bundesliga in den vergangenen Jahren Stabilität verliehen hatten. Sie fehlt jetzt völlig.
Zu den hausgemachten Problemen in der Defensive kommt der lahmende Supersturm mit Raul und Klaas-Jan Huntelaar . Der Niederländer, der den Ehrentreffer erzielte (89.), beklagte sich erneut über die fehlende Unterstützung aus dem Mittelfeld - und zwang Magath indirekt zum Offenbarungseid. «Wir spielen zu viele lange Bälle, die Löcher sind zu groß, der Abstand zwischen den Mannschaftsteilen ist zu groß», sagte Huntelaar und warf damit die Frage nach dem für 13 Millionen Euro verpflichteten Spielmacher Jose Manuel Jurado auf.
«Er ist ein ausgesprochener Offensivmann. Er ist im Moment nicht der Richtige für diese Situation, er hätte uns nicht weitergeholfen», sagte Magath über den Spanier, den er erneut 90 Minuten lang auf der Bank sitzen ließ. Dass er sich kurz vor Transferschluss für den 24-Jährigen und gegen die Bundesliga-erfahrenen Zvejzdan Misimovic und Rafael van der Vaart entschied, war offenbar ein Fehler. Die erneut maßlos enttäuschenden Raul und Huntelaar hängen in der Luft, weil niemand in der Lage ist, sie in Szene zu setzen.
Der schlechteste Bundesliga-Start in der Schalker Vereinsgeschichte hat aber nicht nur kräftig am Image des Meistermachers Magath gekratzt, dem die Fans vor wenigen Monaten nach dem überraschenden Einzug in die Champions League noch zu Füßen lagen. Den Klub trifft die sportliche Krise auch wirtschaftlich hart. Die für die teure Mannschaft notwendige Europapokalteilnahme ist schon in weite Ferne gerückt: Noch nie hat in der Bundesliga ein Team nach vier Auftaktniederlagen am Ende mehr als Platz elf erreicht. «Vom Europapokal würde ich im Moment nicht reden», sagte Magath.
Und schon jetzt verliert Schalke täglich Geld: Aufgrund der schlechten Platzierung fließen die Prämien der DFL auf absehbare Zeit nicht so wie in der Vorsaison, als die Königsblauen sich in der Spitzengruppe eingenistet hatten. Und der GAU ist nicht völlig auszuschließen: Der spätere Absteiger Hertha BSC Berlin, der im Jahr zuvor noch um den Titel spielte, hatte nach vier Spieltagen drei Punkte mehr als Schalke jetzt. «Magath raus»-Rufe gab es noch nicht - auch weil die Fans schon zehn Minuten vor dem Schlusspfiff fluchtartig das Stadion verlassen hatten. Und weil sie wissen, dass sich der allmächtige Magath nur selbst entlassen kann.
Das Kontrastprogramm liefert der BVB. In der jüngsten Mannschaft der Bundesliga stellte ausgerechnet das «Schnäppchen» Shinji Kagawa, der für 350.000 Euro gekommen war, alle Schalker Millionen-Transfers in den Schatten. Mit seinen beiden Toren (20. und 58.), dem der eingewechelte Robert Lewandowski das 3:0 folgen ließ (86.), krönte der Japaner seine überragende Leistung.
«Wie schnell er zur zentralen Anspielstation geworden ist, das ist unglaublich», sagte Trainer Jürgen Klopp und ergänzte: «Dass Shinji ein richtig guter Fußballer ist, wussten wir. Dass die Umstellung so schnell geht, wussten wir nicht. Der Junge ist 21, lässt seine Familie zu Hause, hat als Bezugsperson nur seinen Dolmetscher. Und nun steht sein Name in den Geschichtsbüchern.»