Der Berliner Torhüter Heinevetter bewahrt das deutsche Team vor dem Ausscheiden - das nächste Spiel findet noch an diesem Wochenende statt.
Innsbruck. Das Spiel war seit 20 Minuten Geschichte, als sich bei Heiner Brand die Anspannung in einem Lächeln entlud. Ja, der Handball-Bundestrainer kicherte, und weil ihm das peinlich zu sein schien, beugte er sich tief über die Statistik, die den 30:29-(21:18)-Sieg seiner Mannschaft im letzten EM-Vorrundenspiel gegen Schweden dokumentierte. Das Lächeln war mehr als nur Ausdruck der Genugtuung über das Ergebnis und den Einzug in die Hauptrunde (HR). Es war auch die Freude über eine Mannschaft, die endlich gezeigt hatte, dass sie im Welthandball noch eine ernst zu nehmende Größe ist. Und die nach zwei zum Teil desaströsen Auftritten eine wundersame Verwandlung erlebte.
Gegen Slowenien hatten die Deutschen in der zehnten Minute ihr erstes Tor geworfen. Gegen Schweden leisteten sie sich in der zehnten Minute ihren ersten Fehlwurf: Christian Sprenger scheiterte frei von rechtsaußen am eingewechselten Mattias Andersson. Es sollte einer der wenigen missglückten Versuche in der ersten Halbzeit bleiben. Und diese wenigen waren verzeihlich, weil ihnen nicht wie zuvor die erstbesten Wurfgelegenheiten vorausgingen, sondern die besten.
Der Rückraum, bis dato ein unerschöpflich sprudelnder Fehlerquell, näherte sich nun mit jedem Spielzug der Perfektion. Und mit einem Mal gelangen Dinge, die dieser Mannschaft selbst in Normalzustand kaum zuzutrauen sind. Der Hamburger Torsten Jansen traf aus dem Rückraum, als sei das für einen Linksaußen eine leichte Übung. Kreisläufer Christoph Theuerkauf verwandelte einen Abpraller mit einem künstlerisch wertvollen Hechtsprung. Abwehrchef Oliver Roggisch gelang ein Tor. Und der zuletzt eher glücklose Torwart Silvio Heinevetter, der nach 18 Minuten für den Hamburger Johannes Bitter kam, fügte sich mit drei Paraden spektakulär ein.
"Jetzt geht's los", skandierten die meisten der 7500 Zuschauer in der Innsbrucker Olympiahalle in einer Lautstärke, die letztmals bei der Heim-WM vor drei Jahren zu vernehmen war. Es war das Aufbruchssignal für das Turnier gemeint. Der 21:18-Halbzeitstand spiegelte das Erweckungserlebnis nur unzureichend wider.
So konnte es im Grunde in der zweiten Halbzeit nicht weitergehen, und so ging es auch nicht weiter. Die Verunsicherung, die im deutschen Spiel nun um sich griff, hatte einen Namen: Mattias Andersson. Von 16 deutschen Würfen fanden nur drei den Weg am Großwallstädter Keeper vorbei. Elf Minuten lang gelang nicht ein einziges Tor, ehe Holger Glandorf einen Gegenstoß gewaltsam verwertete. Kurz nachdem Roggisch nach 51 Minuten und drei Zeitstrafen vom Feld musste, schafften die Schweden den 27:27-Ausgleich.
Doch nun setzten die Deutschen ihr Stammkapital ein: ihr kämpferisches Vermögen. Und natürlich war es Heinevetter, mit einer Fangquote von 43 Prozent ohnehin inoffizieller Matchwinner, der in der Schlussminute den entscheidenden Ball sicherte.
Es gibt Ansätze, die Verwandlung zu erklären. Man könnte den Ruhetag anführen, den das Team für eine Bergtour nutzte. Oder die ausführlichen Fehleranalysen. Oder dass Brand der Mannschaft den Film vom Supercupspiel gegen Schweden im Oktober vorführte, "der gezeigt hat, wie schön wir spielen können". Holger Glandorf hatte eine andere Erklärung: "Wahrscheinlich liegen uns Endspiele." Das nächste findet am Sonntag (16.30 Uhr/ARD live) gegen Olympiasieger und Weltmeister Frankreich statt. Glandorf aber war überzeugt: "So haben wir gegen jeden eine Chance."