Trittau/Grande. Zwei Betriebe in Stormarn haben das Arbeitszeitmodell getestet. Wie das Konzept bei Arbeitgebern und Arbeitnehmern angekommen ist.

„Freitag ist FREI Tag“. Diesen plakativen Slogan hat die Schlösser Schmiede-Schlosserei-Stahlbau GmbH mit Sitz in Trittau auf ihren Fahrzeugen angebracht und sie so zu rollenden Werbebannern gemacht. Geschäftsführer Roland Schlösser ist überzeugt, dass man mit der Viertagewoche bei potenziellen Mitarbeitern punkten kann. Seit Oktober hat er das neue Arbeitszeitmodell eingeführt. Vorausgegangen war eine Probezeit. Der Praxistest sollte zeigen, ob sich das Konzept für den alteingesessenen Handwerksbetrieb und seine Mitarbeiter als praktikabel erweisen würde – oder eben auch nicht.

Nach dem Besuch einer Informationsveranstaltung der Handwerkskammer Lübeck zum Thema stellte Schlösser das Konzept der 18-köpfigen Belegschaft vor. Deren Feedback fiel so positiv aus, dass der Firmenchef die Viertagewoche zum 1. April dieses Jahres probeweise einführte. Sechs Monate hatten Arbeitgeber und Arbeitnehmer anschließend Zeit, um reichlich Erfahrungen für eine abschließende Beurteilung zu sammeln. Das Ergebnis fragte er in Mitarbeitergesprächen ab. Es fiel eindeutig aus. „Zum 30. September haben wir alle gemeinsam beschlossen, dass wir die Viertagewoche beibehalten wollen.“ 

Chance oder Risiko – Handwerksbetriebe testen Viertagewoche

Viertagewoche ist nicht gleich Viertagewoche. Zur Ausgestaltung gibt es unterschiedliche Möglichkeiten. Seit der Umstellung müssen die Mitarbeiter eine halbe Stunde früher aufstehen. Dafür arbeiten sie mit 36 Stunden 90 Minuten weniger in der Woche als bisher und haben freitags frei. Und das bei vollem Lohnausgleich, wie Firmenchef Schlösser betont, der den Familienbetrieb in dritter Generation führt. „Die Mitarbeiter arbeiten weniger, bekommen aber das gleiche Geld. Das ist faktisch eine Lohnerhöhung.“

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Fahrende Werbebanner: Mittels Botschaft auf den Firmenfahrzeugen macht der Trittauer Handwerksbetrieb Schlösser auf seine Viertagewoche aufmerksam. © Schlösser | Schlösser

Er habe anfangs Bedenken gehabt, ob es gelingen werde, die Kosten wieder auszugleichen. Seine Befürchtungen hätten sich jedoch nicht bewahrheitet. „Wir brauchen freitags keinen Strom und sparen es uns, mit fünf Autos nach Hamburg zu fahren.“ Am Freitag sei ohnehin nur den halben Tag gearbeitet worden. „Deswegen haben wir diesen Tag hinten runterfallen lassen“, sagt Schlösser. „So haben alle von Freitag bis Sonntag drei Tage Wochenende.“

Längere Erholungsphasen erhalten Arbeitsfähigkeit

Thomas Bartels ist Assistent der Geschäftsleitung. Er sagt: „Ich habe einen längeren Arbeitsweg. Der fällt einmal pro Woche weg. Und für die Handwerker, die wie ich um die 60 Jahre alt sind, ist ein zusätzlicher freier Tag natürlich viel wert.“ Durch den positiven Effekt könne die Arbeitsfähigkeit länger erhalten werden, glaubt er. Ein wichtiger Punkt, denn Fachkräfte sind Mangelware.

Stephan Voss blickt auf 50 Jahre Betriebszugehörigkeit zurück. Der 64-Jährige ist seit Juni eigentlich Rentner, hat sich aber entschieden, weiterzuarbeiten. „Er hat noch Spaß und Lust dazu, und sein Bereich stellt keine so hohen körperlichen Anforderungen“, erläutert Schlösser. „Man ist dankbar für jeden, der bereit ist, nach hinten hinaus zu verlängern.“

Die wirtschaftlichen Bedingungen bei der Viertagewoche müssen stimmen

Voss wiederum freut sich, dass er durch die Viertagewoche jetzt mehr Freizeit hat. „Man arbeitet die Tage davor zwar ein bisschen mehr, aber das ist nicht weiter tragisch. Es ist ja nur eine halbe Stunde pro Tag“, meint er. Dafür könne er den Freitag für Behördengänge nutzen.

Für die Kunden spielten die veränderten Arbeitszeiten kaum eine Rolle. „Man hat einen Plan, was bis Ende der Woche geschafft werden muss. Ob das Freitag und Donnerstag fertig ist, ist relativ egal“, sagt Schlösser. Durch den früheren Arbeitsbeginn ist der Verkehr nicht so dicht, die Baustelle schneller zu erreichen. „Ich habe mehr Zeit auf der Baustelle, kann dadurch mehr schaffen.“ Steigerung von Effizienz und Effektivität, dazu Kosteneinsparung: Maßnahmen wie diese tragen dazu bei, dass die wirtschaftlichen Bedingungen stimmen.

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Geschäftsleiter Roland Schlösser in seinem Büro. Mit der Einführung der Viertagewoche will er sein Unternehmen noch attraktiver für Fachkräfte machen. © Elvira Nickmann | Elvira Nickmann

Geselle Niklas Buchholz (28) findet es klasse, dass er freitags nicht früh aufstehen muss. Für ihn sei die Umstellung des Arbeitszeitbeginns von 7 Uhr auf 6.30 Uhr kein Problem gewesen. „Man spart sich am Freitag den Stress im Straßenverkehr.“ Gerade auf dem Weg nach Hamburg müsse man mit Staus rechnen. „Ich fühle mich erholter durch das längere Wochenende und entspannter, weil ich freitags viel erledigen kann, was ich sonst am Sonnabend gemacht habe.“

Spontaneinsätze am Freitag erfordern aufwendige Koordination

Domenic Strecker (20) absolviert eine Ausbildung zum Metallbauer. Der Trittauer beurteilt seine Erfahrungen mit der Viertagewoche durchweg positiv. Das frühe Aufstehen sei Gewöhnungssache, findet er. „Durch die längere Erholungsphase regeneriert man sich schneller, wird seltener krank.“ Wenn er übers Wochenende wegfahre, habe er zudem mehr Vorbereitungszeit.

Projektleiter Dennis Schmechel (37) sagt: „Für mich als Arbeitnehmer sind 50 Tage mehr Freizeit natürlich Gold wert.“ Nachteile sieht er hinsichtlich der Flexibilität: „Wir versuchen natürlich immer zu kommunizieren, dass wir nur von Montag bis Donnerstag einsatzfähig sind.“ Schwierig kann es dann werden, wenn dem Kunden in letzter Minute plötzlich Restarbeiten einfallen, die noch vor dem Wochenende erledigt werden müssen. Dann ist Schmechels Organisationstalent gefragt und die Bereitschaft der Mitarbeiter, an ihrem freien Tag ausnahmsweise einzuspringen.

Zimmerei Johnsen bietet zwei unterschiedliche Arbeitszeitmodelle an

Auch die Zimmerei Johnsen in Grande musste der Kundschaft erst einmal beibringen, dass die Zimmerleute freitags nicht immer auf der Baustelle anzutreffen sind. Der Betrieb hat seine Handwerker in zwei Gruppen aufgeteilt, die an diesem Tag wechselweise im Einsatz sind. Die Viertagewoche hat die Zimmerei vor etwa vier Jahren für die gewerblichen und vor zwei Jahren für die Büromitarbeiter eingeführt.

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Das Team der Zimmerei Johnsen in Grande. Ganz vorn Geschäftsführer Andreas Johnsen und seine Frau Katrin, die ebenfalls im Unternehmen tätig ist. © Zimmerei Johnsen | Zimmerei Johnsen

Für die Handwerker gilt sie nur während der Sommerarbeitszeit von April bis November. Montags bis donnerstags arbeiten sie jeweils neun Stunden, am Freitag acht, und jeder zweite Freitag ist frei. Geschäftsführer Andreas Johnsen sagt: „Im Winter haben wir aufgrund von Tageslicht und Witterung weiter die Fünftagewoche.“

Falls erforderlich, können Arbeitnehmer die Tage flexibel gestalten

Klingt kompliziert, funktioniert aber. Nach Angaben des Firmenchefs ist das Arbeitszeitmodell bei seinen 26 Mitarbeitern sehr angesehen. Das war nicht von Anfang so. Manche hatten Bedenken, ob es mit ihren bisherigen Terminen wie Kinder abholen oder zum Training gehen in Einklang zu bringen sei. Die Lösung: „Wir haben angeboten, die Tage auch flexibel zu gestalten“, so Johnsen.

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Nachteile habe die Neuregelung nicht, glaubt Johnsen. „Mir sind keine bekannt, außer dass man vier Tage die Woche eine Stunde länger arbeiten muss.“ Für seine Frau Katrin, die ebenso wie die drei Kinder des Paares im Familienbetrieb mitarbeitet, ist die Viertagewoche eine Win-win-Situation für alle Beteiligten. „Die Familien rücken immer mehr in den Vordergrund“, sagt sie. „Und das ist auch gut so.“

Vorteile wie mehr Familienzeit, längere Wochenenden, mehr Freizeit, weniger Rüst- und Fahrtzeiten sorgten für eine hohe Motivation der Mitarbeiter. Werbung macht Johnsen damit nicht. Neue Mitarbeiter zu gewinnen, sei nicht seine Motivation für die Einführung der Viertagewoche gewesen. „Ich möchte, dass die Leute mehr planbare Familienzeit haben, das war für mich der Grund.“