Reinbek. Daniel Wulf (20) absolviert ein duales Studium bei der TSV Reinbek – und hat ein außergewöhnlich vielfältiges Aufgabengebiet.
Mercedes-Benz, Henkel, der Softwarekonzern SAP und John Deere, ein führender Hersteller von Landtechnik: Sie alle bieten das duale Studium an. Die Auserwählten sammeln Praxiserfahrung im Unternehmen, bekommen Theorie an einer Hochschule vermittelt und dazu ein festes Gehalt. Nach sechs Semestern erwirbt man den Bachelor-Abschluss. Immer mehr Betriebe hierzulande setzen auf diese Art der Ausbildung. Im Februar 2022 waren in diesem Segment 120.517 Personen erfasst, eine Steigerung von 10,9 Prozent im Vergleich zur vorherigen Erhebung aus dem Jahr 2019. Die Zahlen nennt das Bundesinstitut für Berufsbildung (BIBB). Auch die TSV Reinbek, mit rund 4000 Mitgliedern einer der größten Sportvereine im Kreis Stormarn, ist auf den Geschmack gekommen, schnitzt sich so neue Führungskräfte.
Daniel Wulf ist der zweite Absolvent. Er hat im Oktober mit dem dualen Studium begonnen, sitzt an diesem Vormittag mit Joggingschuhen, -hose und Hoody in einem Büro der Geschäftsstelle, das er sich mit zwei weiteren Kräften teilt. Das Outfit ist nicht nur bequem, sondern vorteilhaft, weil sich der 20-Jährige nicht umziehen muss. Zu späterer Stunde fungiert er als Übungsleiter. Sein Abitur machte der Börnsener am Gymnasium Wentorf mit der Note 1,9, entschied sich seinerzeit für das WiPo-Profil, also Wirtschaft und Politik. Er spielt Tischtennis und Fußball in seinem Heimatverein, jeweils in der Kreisliga. Höherklassig muss es nicht sein. „Der Leistungsgedanke hat nie im Vordergrund gestanden“, sagt Wulf, der zudem die D-Jugend-Kicker des SV Börnsen trainiert.
TSV Reinbek: Traumjob im Sportverein – dieser Weg führt zum Erfolg
Das Anleiten macht ihm Spaß, doch der junge Mann will mehr über das Funktionieren eines Sportvereins erfahren, Kenntnisse über administrative Aufgaben erlangen, ohne sich auf einen Beruf festzulegen. Deshalb entscheidet er sich nach der Schule für ein freiwilliges soziales Jahr. Sein Vater macht ihn auf eine Anzeige aufmerksam: Die TSV Reinbek ist auf der Suche. Es klappt. Als FSJler sorgt Wulf dafür, dass die TSV auf Instagram aktiv wird und noch mehr Menschen erreicht, hospitiert zudem als Co-Trainer in diversen Gruppen: Leichtathletik, Tischtennis, Schwimmen, Hand- sowie Basketball. Auch gibt er Kurse bei der Nachmittagsbetreuung an der Grund- und Gemeinschaftsschule.
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Sein Engagement überzeugt die Verantwortlichen. Nach nur fünf Monaten im Dienst bieten sie Wulf das duale Studium an. Der überlegt nicht lange, sagt über seine Erfahrungen auf der Geschäftsstelle: „Die Arbeitsatmosphäre ist ganz cool, jeder kennt jeden, man kann sich sehr gut austauschen und ist per du.“ Zehn Hauptamtliche sind in der Verwaltung tätig, nicht alle in Vollzeit. Wulf ist immer von mittwochs bis freitags vor Ort, an den ersten beiden Wochentagen hat er Uni. Die Seminare sind an der Internationalen Berufsakademie (iba) im Hamburger Stadtteil Hammerbrook. Wulf studiert Betriebswirtschaftslehre mit Fachrichtung Marketing und digitale Medien. Die TSV Reinbek zahlt dafür eine Gebühr in Höhe von 649 Euro pro Monat.
Duales Studium: Der erste Absolvent ist Ausbilder und Führungskraft
Wulf sagt, er freue sich stets, wenn der Dienstag vorbei und er wieder auf der Geschäftsstelle sei. Die Arbeit im Verein während der Ausbildung sagt ihm mehr zu. Seine aktuellen Aufgaben: die Homepage, Instagram und Facebook bestücken, Pressemeldungen schreiben sowie die Plakate im Schaukasten vor dem Kunstrasenplatz aktualisieren. Er gibt drei Kurse an Schulen, zwei davon für Erstklässler sowie einen in Basketball für die Stufen fünf und sechs. Auch leitet die Nachwuchskraft ein Eltern-Kind-Angebot. In der Vereinsjugend hat Wulf neue Freunde gewonnen. Das Gremium besteht aus zehn Personen, hält einmal im Monat eine Sitzung ab. Die Gruppe organisiert Veranstaltungen für Kinder, zuletzt die Halloween-Magic-Night mit Übernachtung und Spielen in der Halle plus Wanderung bei Dunkelheit. Sieben Betreuer kümmerten sich um 20 Teilnehmer.
„Daniel identifiziert sich mit dem Verein“, sagt Wulfs Ausbilder Lasse Paulsen. Er war auch Mentor einer jungen Frau, die eine Lehre zur Sportfachfrau gemacht hat und übernommen wurde. Der 29-Jährige war der erste Absolvent des dualen Studiums bei der TSV Reinbek und ist inzwischen eine Führungskraft, unter anderem für die Sportorganisation verantwortlich. Paulsen sattelte nach dem Bachelor drauf mit einem berufsbegleitenden Fernstudium. Er hat nun auch den Master im Sportbusinessmanagement. Der Ausbilder und sein Schützling treffen sich regelmäßig zu Feedbackgesprächen. Wulf wird ermuntert, eigene Ideen einzubringen.
Die TSV Reinbek hat Hobby-Horsing im Programm
Die Arbeit in einem Sportverein ist alles andere als monoton. Um neue Mitglieder zu gewinnen, bedarf es auch Änderungen im Angebot. Man muss Übungsleiter rekrutieren. Die TSV reagierte zum Beispiel darauf, dass sich das Bewusstsein von Senioren verändert hat hin zu mehr Bewegung. Natürlich hat man auch die Jüngeren im Blick, nahm Hobby-Horsing ins Programm auf. Eine Sportart aus Skandinavien mit Gymnastikelementen, bei der Bewegungsabläufe ähnlich derer beim Springreiten oder Dressur nachgestellt werden, ohne dass echte Pferde zum Einsatz kommen. Stattdessen benutzen die Teilnehmer überwiegend selbst gefertigte Steckenpferde.
Wulf hat sich schon viel Wissen angeeignet, wird in seiner Ausbildung noch so einiges lernen. Sein Ziel ist eine Weiterbeschäftigung: „Wenn es nach mir geht, kann ich den Job auch die nächsten 20 Jahre machen.“ Stimmt die Leistung, wird man ihn nach dem Studium nicht wegschicken. „Der Verein bildet nur auf jenen Feldern aus, wo es Aussicht auf Übernahme gibt“, sagt Geschäftsführer Rüdiger Höhne. Im Januar stehen für Wulf zwei Wochen Blockunterricht in Hammerbrook an, im März nach eigenen Angaben die Klausuren. Auch dann will er liefern.