Ahrensburg. Patricia Fasheh übernimmt Leitung der Bibliothek und möchte sie zur Open Library machen. Was die neue Chefin außerdem plant.

Sie ist die neue Wächterin über rund 60.000 Bücher, Hörbücher, Filme, Computer- und Gesellschaftsspiele: Patricia Fasheh hat zum Monatsbeginn die Leitung der Stadtbücherei Ahrensburg übernommen. Die Diplom-Bibliothekarin hat zuletzt in Schwarzenbek (Kreis Herzogtum Lauenburg) gearbeitet und ist auf die Stellenausschreibung aus der Schlossstadt aufmerksam geworden. „Ich wollte noch einmal eine neue berufliche Herausforderung“, sagt die 58-Jährige.

Fasheh bringt ein reiches Bündel an Erfahrungen mit in die Schlossstadt. Sie studierte Büchereiwesen an der Universität Hamburg, arbeitete im NDR-Fernseharchiv, im Hamburger Museum für Arbeit, acht Jahre in einer Bayreuther Bücherei, in der wissenschaftlichen Bibliothek des UKE und in Itzehoe, ehe sie 2016 die Leitung der Bücherei in Schwarzenbek übernahm.

Stadtbücherei Ahrensburg: Neue Chefin plant Öffnung rund um die Uhr

In den acht Jahren in der 17.000-Einwohner-Stadt hat sich Fasheh daran gemacht, die Bibliothek zu einem sogenannten „dritten Ort“ weiterzuentwickeln. Das wesentlich von dem amerikanischen Soziologen Ray Oldenburg entwickelte Konzept versteht die Bücherei als elementaren Treffpunkt und Sozialraum neben dem Zuhause (erster Ort) und dem Arbeitsplatz (zweiter Ort).

„Ein großes Angebot an Büchern und anderen Medien und ein moderner Bestand sind die Grundvoraussetzungen“, sagt die 58-Jährige. Eine Bücherei könne aber viel mehr sein. „Ich betrachte sie als Ort des lebenslangen Lernens, als Begegnungsstätte für alle Generationen und Gesellschaftsschichten.“ Bibliotheken könnten auch einen wichtigen Beitrag im Bereich der Demokratie- und Nachhaltigkeitsbildung leisten. „Wo sonst gibt es einen solchen Ort, an dem alle Menschen zusammenkommen?“, fragt Fasheh, die neben Deutsch und Englisch auch fließend Arabisch spricht, die Muttersprache ihres Vaters.

Fashehs Vorgänger wechselte Ende 2023 nach elf Jahren nach Lüneburg

Schon unter Fashehs Vorgänger Thomas Patzner, der Ende 2023 nach elf Jahren in Ahrensburg als Chef der Ratsbücherei nach Lüneburg gewechselt ist, positionierte sich die Stadtbücherei verstärkt als Ort für Kultur und Gesellschaft. Patzner holte regelmäßig Ausstellungen in die Bibliothek, veranstaltete Vortragsreihen und Spieleabende. Im November 2020, während der Corona-Pandemie, rief Patzner die Wochenmarkt-Balkonkonzerte ins Leben, um den Marktbesuchern während des Lockdowns Zugang zu Live-Musik und den Musikern eine Einnahmequelle zu bieten.

An diese Entwicklung möchte Fasheh anknüpfen und gleichzeitig neue Impulse setzen. „Es wird deutlich mehr Veranstaltungsangebote geben und wir werden uns deutlich breiter aufstellen“, kündigt die neue Chefin an. Mehr wolle sie noch nicht verraten, aber die Planungen liefen bereits.

Die neue Chefin setzt auf enge Kooperationen und Digitalisierung

„Als Bücherei können wir das natürlich nicht allein leisten“, sagt Fasheh, deren Team zurzeit aus acht Mitarbeiterinnen besteht. Die neue Büchereichefin setzt auf eine enge Kooperationen mit Kitas, Schulen, Vereinen und der Volkshochschule. Auch Kulturschaffende möchte die 58-Jährige für verschiedene Veranstaltungsformate mit ins Boot holen. Einen Schwerpunkt möchte Fasheh im Bereich Nachhaltigkeit setzen.

Auch in anderen Bereichen möchte Fasheh der Ahrensburger Bücherei neuen Schwung geben. Besonders im digitalen Bereich sieht die neue Chefin Nachholbedarf. Ganz weit oben auf ihrer Liste: die Umwandlung zur Open Library. „Das bedeutet, dass Bürgerinnen und Bürger auch außerhalb der Öffnungszeiten, zum Beispiel abends oder sonntags, zu uns kommen und Medien ausleihen können“, erklärt die 58-Jährige. Andernorts sei das bereits Standard.

Kunden sollen künftig Bücher selbstständig ausleihen und zurückbringen

„Die Kunden lesen ihren Bibliotheksausweis ein und erhalten so Zutritt.“ Drinnen könnten sie die Bücher mittels Scan selbstständig ausleihen und zurückbringen. „Die klassische Tresenarbeit, wie wir sie zurzeit noch haben, gibt es in modernen Bibliotheken nicht mehr“, sagt Fasheh.

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Sie weiß, wovon sie spricht: Als Mitglied der Arbeitsgemeinschaft Qualitätssicherung der Büchereizentrale Schleswig-Holstein hat Fasheh die Qualitätskriterien für das Zertifizierungsprogramm für öffentliche Bibliotheken im nördlichsten Bundesland mit ausgearbeitet und ist bestens vernetzt.

Bislang können Medien nur während der Öffnungszeiten ausgeliehen werden

In Ahrensburg ist es bereits möglich, Bücher und andere Medien selbstständig auszuleihen – allerdings nur während der Öffnungszeiten. Es gibt bereits ein Barcode-basiertes, elektronisches Buchungssystem. Für die Rückgabe braucht es aber bislang dennoch das Büchereipersonal. „Die Grundlage ist da, darauf werden wir aufbauen“, sagt Fasheh. „Der Schritt ist nicht mehr weit.“

Darüber hinaus möchte sie die Aufenthaltsqualität in der Bücherei und die Präsentation der Medien verbessern. „Die Menschen sollen sich in der Bücherei wohlfühlen, Neues entdecken, auch mal nachdenklich werden“, sagt sie. Aktuelle Medien möchte Fasheh prominenter platzieren.

Die neue Büchereichefin ist ein bekennender Sachbuch-Fan

Insbesondere der Sachbuch-Bereich verdiene mehr Aufmerksamkeit, sagt Fasheh, die selbst bekennender Sachbuch-Fan ist. Die neue Büchereichefin möchte eine „aktuelle Ecke“ etablieren, in der jeweils Bücher zu Themen zusammengestellt werden, die aktuell Politik und Gesellschaft bewegen. „Büchereien müssen ein Spiegel von dem sein, was gerade in der Welt passiert“, sagt sie.

Sie selbst hat sich als Lektüre für die kalten Tage ebenfalls ein Sachbuch vorgenommen: „Unverfügbar“ von dem Soziologen Hartmut Rosa. „Darin geht es darum, dass wir heutzutage dank der technologischen Vernetzung ständig und überall erreichbar sind und was passiert, wenn man sich da mal rauszieht“, sagt Fasheh.

An Young-Adult-Literatur führt in der Belletristik derzeit kein Weg vorbei

Im Bereich Belletristik führe derzeit an Young-Adult-Literatur kein Weg vorbei, sagt die Büchereichefin. Genrevertreter, wie die jüngst von Amazon als Serie adaptierte Maxton-Hall-Reihe der Hamburger Autorin Mona Kasten über die Romanze eines ungleichen Paares an einem Elite-College, richten sich vornehmlich an junge Erwachsene und erzählen klassische Liebes- und Coming-of-Age-Geschichten. „Die Bücher werden über Tiktok beworben, sodass oft ein regelrechter Hype entsteht“, weiß die Diplom-Bibliothekarin. Ihr Gesamtfazit nach knapp drei Wochen in Ahrensburg: „Es gibt noch viel Potenzial.“