Großhansdorf. Internet-Karriere mit 52: Der erstaunliche Weg des Georgios Souleidis. Beim SV Großhansdorf nahm er es mit 21 Gegnern gleichzeitig auf.

Die Hand von Peter Sorgenfrei zittert vor Aufregung, als er dem YouTube-Star Georgios Souleidis, genannt „The Big Greek“, zur Begrüßung die Hand reicht. „Also dass ich gegen Sie mal spielen darf, das hätte ich nie für möglich gehalten“, schwärmt der Senior der Schachabteilung des SV Großhansdorf.

Mit 153.000 Followern auf seinem YouTube-Kanal „The Big Greek“ ist Souleidis der erfolgreichste deutsche Schachstreamer und mittlerweile so bekannt, dass er schon mal auf der Straße erkannt wird. Sorgenfrei ist ein treuer Zuschauer der Internet-Videos, in denen der Deutsch-Grieche Amateuren die Geheimnisse des Schachs erklärt. Das Thema ist endlos: Es gibt mehr mögliche Stellungen im Schach als Atome im Weltall.

YouTube-Star „The Big Greek“ setzt Großhansdorf matt

Der SV Großhansdorf hat Souleidis zur 1. Ingo-Schütt-Gedenkveranstaltung eingeladen. Der 2012 verstorbene Großhansdorfer Fernschach-Großmeister wäre in diesen Tagen 90 Jahre alt geworden. Ihm zu Ehren gibt es ein Turnier, einen Vortrag des Schachunternehmers Frederic Friedel („Chessbase“) sowie eine Simultanveranstaltung, bei der Souleidis und der Hamburger Großmeister Matthias Wahls jeweils gegen mehrere Amateure antreten sollen.

SV Großhansdorf
Großmeister Matthias Wahls (l.) trat erfolgreich gegen eine Reihe an Amateuren an. Schachunternehmer Frederic Friedel (r.) stellte in einem Vortrag sein Buch „Schachgeschichten“ über seine persönlichen Begegnungen mit verschiedenen Weltmeistern vor. © Volker Gast | Volker Gast

Fernschach ist die langsamste Art des Schachs. Sie entstand zu Beginn des 19. Jahrhunderts. Die Züge werden per Post hin- und hergeschickt, jede Partie zieht sich über Wochen hin. Man hat Zeit, viel Zeit. Im 21. Jahrhundert ist das witzlos geworden, denn mittlerweile sind die Computer so stark, dass jeder Amateur daheim auf Großmeisterniveau agieren kann, wenn er will.

Wenn er verliert, dann brodelt es in „The Big Greek“

Turnierpartien im klassischen Schach dauern vier bis fünf Stunden, das moderne Online-Schach ist noch sehr viel schneller. Wenn „The Big Greek“ im Internet an Turnieren teilnimmt, währt eine Begegnung selten länger als ein paar Minuten. Das hat vieles verändert, etwa seinen Umgang mit Niederlagen.

Zwar ärgert sich Souleidis regelmäßig lautstark über sich selbst, wenn er verliert. Diese emotionalen Ausbrüche sind sein Markenzeichen. Aber so tief wie früher beim klassischen Turnierschach sitzt der Frust nicht mehr. „Jede Niederlage ist ein großer Ego-Verlust, da brodelt es in einem“, gibt der 52-Jährige zu. „Aber das Gute beim Online-Schach ist, dass sofort die nächste Partie kommt. Das ist beim klassischen Schach anders.“

In der Mensa rauchen die Köpfe, keiner setzt die Schachmeister matt

Bei der Simultan-Veranstaltung des SV Großhansdorf muss „The Big Greek“ nun gegen 21 Schachamateure auf einmal ran. In der Mensa des Emil-von-Behring-Gymnasiums in Großhansdorf, sonst ein Ort der Entspannung für die Schülerinnen und Schüler, rauchen für einige Stunden die Köpfe.

SV Großhansdorf
Schach-Amateur Peter Sorgenfrei (r.) hat sich viel vorgenommen für seine Partie gegen YouTube-Star Georgios Souleidis, genannt „The Big Greek“  © Volker Gast | Volker Gast

Ihren Gegner kennen die Amateure ganz genau. 2019 startete der damals 47-jährige Souleidis seine ungewöhnliche Karriere als Schachstreamer. „Ein Kumpel von mir meinte: ,Komm‘ lass uns einen YouTube-Kanal machen.‘“, erinnert er sich. Auf ein paar Tausend Follower hatte er gehofft. Während der Corona-Pandemie explodierten dann die Zuschauerzahlen.

„Wie Sportberichterstattung“: Das Erfolgskonzept von „The Big Greek“

Souleidis ist Internationaler Meister, das ist nach dem Großmeister der zweithöchste Titel im Schach. Er weiß also, wovon er spricht. Der gebürtige Hagener stammt in zweiter Generation aus einer griechischen Einwandererfamilie. Seine besondere Mischung aus südeuropäischem Temperament und Ruhrpott-Mentalität erwies sich als wie gemacht für das neue Medium.

„,The Big Greek‘ ist wie Sportberichterstattung“, schwärmt der 52-Jährige, „es gibt fast jeden Tag ein Schachevent, über das man berichten kann. Das war früher nicht so. Das Publikum ist sehr durchmischt, da ist alles dabei. 90 bis 95 Prozent sind Männer. Fast alles sind Gelegenheitsspieler, die in der Pandemie wieder angefangen haben, Schach zu spielen. Gerade die jüngeren Leute.“ 

Ein Teilnehmer nahm sogar eine Stunde Anreise auf sich

Die Fans sind treu. Einige Teilnehmer in Großhansdorf haben weite Wege auf sich genommen, um hier dabei sein zu können und ihrem YouTube-Idol einmal persönlich zu begegnen. „Ich bin extra aus Bienenbüttel bei Lüneburg gekommen“, erzählt Christoph Fröhlich. Die Autostunde Anreise sollte sich lohnen: Fröhlich steht glänzend, verliert am Ende nur knapp. „Er hat stark gespielt“, lobt Souleidis.

Auch interessant

Der Jugendliche Jacob Franke hat dem YouTube-Streamer sogar schon zwei Bauern abgeluchst. Ein Vorteil, der zum Sieg reichen kann, doch dem Teenager rutscht das Herz in die Hose. „Remis?“, fragt er vorsichtig. Unentschieden? „Nein, du hast zwei Bauern mehr, du musst das weiterspielen“, beharrt Souleidis, holt sich dann aber die beiden Bauern zurück und gewinnt die Partie noch.

Plötzlich ziehen an einem der Bretter dunkle Wolken auf

Tja, Sympathiepunkte werden vom Meister an diesem Nachmittag halt nicht verteilt. Jeder Zug, jedes Ergebnis will hart erarbeitet werden. Derweil ziehen für Souleidis an einem anderen Brett ganz dunkle Wolken auf: Gegen Dr. Andreas Möck verliert er die Dame. Das sollte ja nun wirklich zum Sieg reichen! Doch Möck, ansonsten selten um eine scharfe Attacke verlegen, lässt sich austricksen, willigt schließlich ins Remis ein.

Doch immerhin: Möck ist einer von nur vier Spielern, die ein Unentschieden schaffen. Gewinnen kann keiner. Und mehr noch: Souleidis lässt sich die Partie hinterher geben, will sie auf seinem YouTube-Kanal analysieren. Was für ein Ritterschlag für einen Schachamateur! Auch Großmeister Wahls gewinnt in der Parallel-Veranstaltung fast alles, lässt nur zwei Unentschieden zu.

Ein Erlebnis, das lange haften bleiben wird

„Oldie“ Peter Sorgenfrei muss gegen Souleidis schließlich auch die Segel streichen. Doch das Erlebnis, gegen „The Big Greek“ gespielt zu haben, das nimmt ihm keiner. „Die Begegnung mit dem älteren Herrn hat mich ganz besonders gefreut“, sagt Souleidis hinterher über einen Nachmittag, der den Schachspielern des SV Großhansdorf sicher noch lange im Gedächtnis bleiben wird.