Hamburg. Seit mehr als 30 Jahren steht kein deutscher Schachspieler unter den Top 10 der Welt. Doch junge Talente geben Hoffnung.
Am Sonnabend, so ist es zumindest geplant, soll der World Chess Grand Prix im Theater Kehrwieder in der Speicherstadt eine deutsche Note erhalten. Vincent Keymer, Deutschlands jüngster Schach-Großmeister, will zu einer Simultanvorstellung nach Hamburg reisen. Dem gebürtigen Mainzer, der Freitag 15 Jahre alt wird, trauen viele zu, in den nächsten Jahren auch die stärksten Spieler am Brett herausfordern zu können. Das gelang zuletzt in den 1970- und 1980er-Jahren dem Kölner Großmeister Robert Hübner (71), zu seinen besten Zeiten hinter Weltmeister Anatoli Karpow und Herausforderer Victor Kortschnoi, damals beide Sowjetunion, der drittbeste Spieler der Welt.
91 deutsche Großmeister stehen in den Listen des Weltschachbundes Fide, nur Russland stellt mit 211 Großmeistern mehr Titelträger. Während derzeit zwei Russen unter den Top Ten der Weltrangliste geführt werden, taucht mit dem Deutsch-Rumänen Liviu-Dieter Nisipeanu (43) der erste Spieler des Deutschen Schachbundes auf Platz 92 auf.
Nur wenige Deutsche werden Berufsspieler
Die Erklärung ist einfach: Schach-Großmeister ist in Russland weiter ein ehrenwerter, einträglicher Beruf, hierzulande aber ein eher exotischer und oft belächelter. Die Begabtenförderung in jungen Jahren, wenn sie am nötigsten wäre, fällt entsprechend dürftig aus. Sponsoren, die den mühsamen Weg bis zur Weltspitze begleiten, lassen sich kaum finden.
Die Entscheidung, Berufsspieler zu werden, treffen in Deutschland daher nur wenige Talente. Keymer hat sich dazu entschlossen, der Hamburger Luis Engel, mit 17 Jahren zweitjüngster deutscher Großmeister, möchte dagegen nach dem Abitur lieber Rechtswissenschaften studieren, weil er „nicht vom Schlachtenglück abhängig sein will“.
Die drei anderen gebürtigen Hamburger Großmeister Matthias Wahls (51), Karsten Müller (48) und Jan Gustafsson (40), alle im Bundesligaverein Hamburger Schachklub aufgewachsen, verdienen ihr Geld zwar zum Teil auch heute noch mit Schach, selten aber mit Schachspielen. Wahls und Müller lehren und beschreiben (Bücher/Internet) das königliche Spiel, Gustafsson ist das Gesicht des erfolgreichen Internetportals chess24, das auch die Partien des Hamburg Grand Prix live überträgt. Dass mit chess24 und chessbase (Datenbanken, Software-Entwicklung) zwei der weltweit größten Schach-Dienstleister in Hamburg zu Hause sind, führte übrigens zur Vergabe des Grand Prix in die HafenCity.
World Chess Grand Prix, Halbfinale, 1. Partie: Vachier-Lagrave (Frankreich) – Grischuk (Russland) remis; Duda (Polen/Hamburger SK) – Dubow (Russland) remis. Die zweite Partie wird am Dienstag (15 Uhr) gespielt, ein möglicher Tiebreak am Mittwoch von 15 Uhr an.