Braak. Die Fahrbahn der Alten Landstraße zwischen Braak und Meilsdorf in Stormarn ist ein Radkappen-Killer. Das hat einen historischen Grund.
Sag mir, was soll es bedeuten: Handelt es sich um Kunst im öffentlichen Raum? Oder um eine Mahnung an Autofahrer, die Tachonadel im Blick zu behalten? Auf der 1,3 Kilometer langen Verbindungsstraße zwischen Braak und Meilsdorf haben Unbekannte kürzlich rund zwei Dutzend Radkappen in die herbstlich belaubten Bäume gehängt und zu einem Turm aus millionenfach in Grau und Schwarz getünchten Kunststoff-Polymeren drapiert.
Klar ist: Die vergangenen Sommermonate, in denen Autofahrer die Alte Landstraße gern als Abkürzung beispielsweise zum Großensee nutzten, haben mächtig Tribut gezollt. Und dies sowohl bei den „Germanen“, die mit ihren automobilen Blechkisten aus Wolfsburg, Stuttgart oder Ingolstadt durch den südlichen Teil Stormarns gezogen sind, als auch bei Koreanern und Japanern, deren verlustig gegangenen Radschmuck am Wegesrand Kia- und Honda-Logos zieren.
Schlechte Straße in Stormarn: Radkappen von Autos fallen ab
Am Anfang der geschichtsträchtigen Kopfsteinpflasterstrecke warnen gleich drei Schilder vor Straßenschäden und mahnen gemächliches Fahren an. Dabei dürfte auch vor mehr als 200 Jahren der in vielen Stunden harter Arbeit gebaute Verkehrsweg, welcher einst über Wandsbek, Rahlstedt, Braak, Meilsdorf, Siek und Lütjensee weiter nach Lübeck führte und so die beiden Hansestädte verband, kaum in einem deutlich besseren Zustand gewesen sein.
Als die Straße um das Jahr 1810 – in der sogenannten Franzosenzeit – errichtet wurde, galt Kopfsteinpflaster als seltener und langlebiger Luxus. Selbst von den Straßenzügen, die zu dieser Zeit nach Berlin führten, waren nur die aus Potsdam und Charlottenburg kommenden Strecken zu Chausseen ausgebaut. Alle anderen bestanden aus unbefestigten Sandpisten mit vielen Schlaglöchern. Bei nasser Witterung gruben sich die Räder der Fuhrwerke in den weichen Boden ein und verwandelten ihn in tiefen Morast. Jede Fahrt war überaus beschwerlich und langsam. Die Durchschnittsgeschwindigkeit einer Kutsche lag zu Beginn des 19. Jahrhunderts bei 3,5 Kilometern pro Stunde. Da mutet eine heutige 30er-Zone fast wie eine Rennpiste an…
Autos verlieren Radkappen – wegen turbulenter Franzosenzeit in Stormarn
Nach den französischen Revolutionskriegen wollte Napoleon I. Bonaparte ab 1803 seinen Herrschaftsbereich in Europa massiv erweitern, weshalb auch Norddeutschland zunehmend in Konflikte geriet. Stormarn war innerhalb Schleswig-Holsteins mit am schwersten betroffen – und zwar anfangs weniger als Kriegsschauplatz, sondern mehr als Stationierungs- und Durchmarschgebiet feindlicher sowie verbündeter Truppen.
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Um 1810 waren französische Einheiten unter anderem im Kirchspiel Siek und Witzhave einquartiert, das dänische Hilfskorps lagerte bei Hoisdorf, Großensee und Rausdorf. Nach dem Sieg über Napoleon in der Schlacht bei Leipzig im Oktober 1813 rückten die Gegner Russland, Preußen, Österreich und Schweden gegen die verbündeten Franzosen und Dänen vor. In der Folgezeit wurde nun auch Stormarn zum blutigen Gefechtsplatz – und mittendrin die strategisch wichtige befestigte Heerstraße mit ihrem hochmodernen Napoleon-Pflaster.
Die globale Geschichte gepflasterter Wege reicht bis ins vierte Jahrtausend vor Christus zurück, wie Funde aus dem Zweistromland Mesopotamien oder dem antiken Babylon belegen. Der systematische Straßenbau in Europa begann im Römischen Reich. Die Via Appia Antica ist bis heute die wohl bekannteste Trasse. Appius Claudius Caecus ließ sie 312 v. Chr. anlegen. In ihren Anfängen diente sie militärischen Zwecken. Der ebene Belag erleichterte den Transport und die Versorgung der Heere. Später avancierte die Fernstraße zur wichtigsten Handelsroute.