Bergedorf. Das Time Magazine zählt den 33-Jährigen vom FC St. Pauli zu den 100 einflussreichsten Personen der Welt. Das sind die Gründe.

Wenn es um Magnus Carlsen geht, sind Superlative nicht weit. Er sei der „Mozart des Schachs“ schrieb einst der amerikanische Großmeister Lubomir Kavalek in der „Washington Post“. In unserem Bergedorfer Familien-Blog „Volkers Welt“ geht es heute um das norwegische Schachgenie. Seine Leistungen seien wie „in Turnschuhen und ohne Sauerstoff auf den Mount Everest zu steigen“, begeisterte sich der Hamburger Schachunternehmer Frederic Friedel. Und der frühere Weltmeister Viswanathan Anand seufzte resigniert, nachdem ihm der Norweger 2013 mit leichter Hand den Titel abgenommen hatte: „Es wird Zeit, dass er ein Mädchen kennenlernt.“

Das ist inzwischen geschehen. Doch die Beziehungen mit der Journalistin Synne Christin Larsen (ein Jahr) und der Kriminalistik-Studentin Elisabet Lorentzen Djönne (zwei Jahre) hielten nicht lange. Seitdem regieren wieder die hölzernen Damen auf dem Schachbrett. Zuletzt postete Carlsen von sich ein Foto an einem Swimmingpool unter südlicher Sonne mit einem Buch über Turmendspiele in der Hand. Die gelten als besonders schwierig – und langweilig.

Magnus Carlsen – So tickt das norwegische Schachgenie

Der FC St. Pauli kann sich also auf einen wohlinformierten Neuzugang freuen. Für den Kiezclub wird Carlsen in der nächsten Bundesliga-Saison spielen. „Ich freue mich, Teil der coolsten Marke in Deutschland zu sein“, betonte der 33-jährige Fußballfan. Möglich gemacht hat den Deal der Schach-Mäzen Jan Henric Buettner, der im Februar in seinem Luxushotel in Weissenhaus ein hochklassiges Turnier ausgerichtet hatte, die „GOAT Challenge“. Der GOAT, der Greatest Of All Time, das ist natürlich Carlsen, der das Turnier auch gewann.

Einer gegen alle: Magnus Carlsen bei einem Turnier in Kroatien.
Einer gegen alle: Magnus Carlsen bei einem Turnier in Kroatien. © picture alliance / PIXSELL | Jurica Galoic

Doch was hebt den Norweger vom Rest der Gedächtniskünstler ab? Um das zu illustrieren, eignet sich am besten eine Episode von der Blitz-Weltmeisterschaft 2022 in Almaty (Kasachstan). Hier haben die Spieler nur drei Minuten Bedenkzeit für die gesamte Partie. Läuft die Uhr ab, ist das Spiel verloren. Doch der Norweger hatte den Start der ersten Runde verpasst. Als Carlsen am Brett erschien, waren von seinen drei Minuten Bedenkzeit bereits 2:30 Minuten abgelaufen. Sein Gegner Wladislaw Kowaljow, der Meister Weißrusslands des Jahres 2016, wählte die französische Abtauschvariante.

Das ist die schachliche Art zu sagen: „Mir reicht ein Unentschieden gegen dich, ganz egal wie viel mehr Zeit ich auch haben mag.“ Wohl jeder andere Spieler hätte diese Einladung angenommen. Nicht so Carlsen. Mit nur 30 Sekunden auf der Uhr spielte er Kowaljow an die Wand. Das entsprechende Video auf Youtube hat 15,5 Millionen Klicks – eineinhalb Mal so viele wie die Liveübertragung vom Eurovision Song Contest.

Warum Schach vor allem bei jungen Menschen boomt

Das zeigt die gesamte mediale Wucht, die Schach entwickelt hat. Was früher ausschließlich ein Spiel für ältere Herrschaften war, die in Fünf-Stunden-Partien bedächtig ihre Figuren über das Brett zogen, hat seit der Corona-Pandemie nun auch die Jugend für sich entdeckt. Die braucht keine Holzbretter mehr und hat auch nicht die Geduld für Fünf-Stunden-Partien. Die neue Mode sind Online-Blitzpartien mit drei Minuten Bedenkzeit.

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Dabei nutzen die Youngster ihre Fähigkeiten am Computer, indem sie blitzschnell sogenannte Pre-Moves eingeben, also vorprogrammierte Antwortzüge, falls der Gegner etwas Bestimmtes zieht. So lassen sich wertvolle Sekundenbruchteile sparen.

Ein Achtjähriger hat einen Großmeister besiegt

Befeuert durch die Netflix-Serie „Das Damengambit“, die rund 100 Millionen Haushalte erreichte, hat Schach einen rasanten Boom hingelegt. Gab es auf dem wichtigsten Schachserver chess.com vor der Corona-Pandemie rund zwei Millionen Partien pro Tag, so waren es im vergangenen Jahr schon zwölf Millionen und in diesem Jahr sind es 38 Millionen. Mehr als eine Milliarde Partien sind auf dem Server insgesamt gespielt worden.

Überwiegend von Teenagern und jungen Erwachsenen, die das Spiel ausschließlich am Computer betreiben. Als Magnus Carlsen 2004 Großmeister wurde, war er mit 13 Jahren und vier Monaten der jüngste Spieler aller Zeiten, dem das gelang. Heute liegt der Rekord schon bei zwölf Jahren und vier Monaten. Und jüngst hat in Singapur erstmals ein Achtjähriger einen Großmeister besiegt.

Ein Real-Madrid-Fan, der sich selbst als „chaotisch und faul“ beschreibt

Der Held dieser neuen Schachgeneration ist Magnus Carlsen. Der 33-jährige Norweger, der 2022 Schlagzeilen machte, als er einen Spieler des Schummelns verdächtigte, was in einem 100-Millionen-Dollar-Prozess endete, ist ein ganz neuer Typ Champion: topfit und dadurch in der Lage, viele Stunden lang am Brett auf höchstem Niveau konzentriert zu bleiben.

Gleichzeitig ein Sportler durch und durch, der einmal bei einem Turnier in St. Louis in der letzten Runde ein Remisangebot ablehnte, obwohl ihm das Unentschieden den Turniersieg beschert hätte. Carlsen spielte weiter und gewann noch.

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Den Weltmeistertitel gab Carlsen aus Langeweile ab

Der Real-Madrid-Fan, der sich selbst als „chaotisch und faul“ beschreibt, besitzt eine außergewöhnliche Begabung für logische Verknüpfungen und ein hervorragendes Gedächtnis. Mit zwei Jahren setzte der kleine Magnus schon 50-Teile-Puzzle zusammen, mit fünf konnte er alle Länder der Erde mit Hauptstadt und Einwohnerzahl auswendig aufsagen. Gleichzeitig fielen ihm normale Bewegungsabläufe, etwa das Springen über Hindernisse, als kleines Kind schwer.

Den Weltmeistertitel hat er 2023 abgelegt, weil es ihm zu langweilig geworden war, ihn immer wieder zu verteidigen. Es gibt für ihn keinen Mount Everest mehr, bei dem sich das Besteigen in Turnschuhen für ihn noch lohnen würde. Der Ritterschlag kam vom Time Magazine, das ihn unter die 100 einflussreichsten Personen der Welt wählte, weil er Schach in der jungen Generation populär gemacht hat.