Reinbek. Mehrfach hat es dieses Jahr auf dem Elektroschrott-Hof von Melor gebrannt. Das sagen Geschäftsführer Ingo Nusseck und die Feuerwehr.
Die dichte, dunkle Rauchwolke am Sonnabend, 26. Oktober, war bis nach Bergedorf zu sehen: Der Großbrand auf dem Gelände eines Elektroschrott-Recyclingbetriebs an der Carl-Zeiss-Straße in Reinbek hat zahlreiche Feuerwehren bis zu viereinhalb Stunden auf Trab gehalten. Als die Retter anrückten, standen etwa 60 bis 80 Kubikmeter Schrott in Flammen. Die Reinbeker Ortswehr wurde in diesem Jahr schon zum vierten Mal dorthin alarmiert. Und aus gut informierten Kreisen heißt es, auf dem Firmengelände brenne es sogar noch häufiger.
„Glücklicherweise hat der Wind den Rauch nicht in die Wohngebiete, sondern aufs Feld geweht“, sagt Reinbeks Wehrführer Marcus Bradtke-Hellthaler. „Sonst hätte es ein ernsthaftes Problem für die Reinbeker Bevölkerung gegeben.“ Der nahe Fitness-Club Infinity sowie die Unterkunft für Geflüchtete in der Nachbarschaft mussten jedoch evakuiert werden. Und auch um die Gesundheit seiner ehrenamtlichen Feuerwehrleute macht sich Bradtke-Hellthaler Sorgen, wenn sie alle paar Monate die giftigen Dämpfe einatmen: „Hier brennt kein Altpapier und nicht alle arbeiten unter Atemschutz“, gibt er zu bedenken.
Großfeuer in Reinbek: Akku soll den Brand ausgelöst haben
Deshalb wäre es ihm mehr als lieb, wenn die Einsätze reduziert werden könnten. „Wegen der Zustände vor Ort sowie der schlechten Wasserversorgung sind diese Einsätze unverhältnismäßig intensiv, sowohl was die Zahl der erforderlichen Einsatzkräfte, den Umfang der Einsatzmittel als auch die Dauer der Einsätze angeht.“ Die Polizei geht davon aus, dass die Ursache für den Brand die Selbstentzündung eines Akkus gewesen sei.
Das bestätigt der Geschäftsführer der Melor Edelmetall-Recycling GmbH, Ingo Nusseck: „Ich habe mir die Aufnahmen unserer Kameraüberwachung vom Samstagabend noch einmal angeschaut: Das war definitiv eine Selbstentzündung eines Lithium-Akkus. Was mir aber Sorgen bereitet: Es gab keine mechanische Fremdeinwirkung auf das Material. Der Akku hat sich einfach während der Lagerung entzündet.“
Melor-Geschäftsführer: Wir leisten wichtigen Beitrag zur Rohstoffsicherung
Auch er wünscht sich, dass sein Betrieb künftig von Bränden verschont wird. Er schätzt den Schaden, der ihm in diesem Jahr bislang durch Feuer entstanden ist, auf einen niedrigen sechsstelligen Betrag. Versichern ließe sich ein Betrieb dagegen nicht. „Glücklicherweise waren es ja nur Lagerschäden“, stellt er fest. Wären die Anlagen oder Gebäude betroffen gewesen, könnte er sein Unternehmen schließen. Er schimpft: „Dann können die Verbraucher sehen, wo sie mit ihrem Abfall bleiben.“
Nusseck wehrt sich gegen die Anfeindungen, die ihn nach dem Brand erreicht haben. Nicht sein Betrieb, sondern die fest verbauten Lithium-Akkus bärgen das Sicherheitsrisiko: „Wir sind nur das letzte Glied in der Kette“, betont er. „Nach der Herstellung, dem Vertrieb, dem Konsum kommen wir, die Entsorger.“ Seit 2008 recycelt das Unternehmen Elektrogeräte, die über kommunale Wertstoffhöfe aus der Region auf das Firmenareal in Reinbek gelangen. „In dieser Zeit haben wir rund 500.000 Tonnen Altgeräte umweltgerecht aufbereitet und wertvolle Rohstoffe in den Kreislauf zurückgeführt“, berichtet der 58-Jährige. „Wie viele andere Metallrecycler in Deutschland leisten wir damit einen wichtigen Beitrag zur Rohstoffsicherung, werden aber mit dem Problem der Batteriebrände allein gelassen.“
Elektrogeräte: Zahl der fest verbauten Akkus nimmt zu
Der Geschäftsführer arbeitet seit 30 Jahren in der Branche, 16 Jahre davon im Metallrecycling-Geschäft. „In dieser Zeit hat es bei uns achtmal gebrannt, viermal allein in diesem Jahr“, erklärt der 58-Jährige. „Da stimmt doch etwas nicht!“ Ob Handy, E-Zigarette, elektrische Zahnbürste, Tischlampe oder Staubsauger: Die Zahl der fest verbauten Akkus, die der Verbraucher nicht mehr entfernen kann, nehme dramatisch zu, aber niemand mache sich Gedanken über deren Entsorgung. „Ich will die Dinger hier überhaupt nicht auf dem Hof haben, aber trotzdem bauen wir 70 Tonnen Lithiumbatterien pro Jahr aus, jedes Jahr werden es zwei Tonnen mehr“, sagt Ingo Nusseck. Einer seiner 64 Mitarbeitenden verbringe seinen Arbeitstag allein damit, per Hand Akkus auszubauen, in Behälter zu sammeln und diese mit Sand aufzufüllen.
Er ist froh, dass die deutschen Entsorgungsverbände vergangene Woche endlich einmal Gehör bei der Bundesregierung gefunden haben. Sie fordern die Einführung eines Batteriepfands, einen Hersteller-finanzierten Fonds zur Absicherung der Entsorgungswirtschaft im Brandfall, zumindest ein Pfandsystem oder gar ein Verbot für E-Zigaretten sowie eine Kennzeichnungspflicht für Batterien. Denn die fest verbauten Akkus schlummerten oft unerkannt im Elektroschrott. „Eigentlich reicht doch ein RFID-Chip, der auf die Akkus geklebt wird“, sagt Nusseck. Ein derartiger Chip werde auch in Textilien eingenäht, um Diebe im Handel abzuschrecken, indem er ein akustisches Signal beim Verlassen eines Geschäftes auslöst.
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Feuerwehr Reinbek
Nicht zuletzt sorgt sich der Entsorgungsexperte um seine Mitarbeitenden, deren Sicherheit gefährdet sei. „Ich wünsche mir eine breitere Diskussion zu diesem Thema“, appelliert er an die Verbraucher. Melor habe in der jüngsten Zeit in die Kameraüberwachung und Wärmebildkameras sowie in die Brandhelferschulung investiert, um Brände möglichst zu vermeiden. Für eine Werksfeuerwehr sei der mittelständische Betrieb zu klein, sagt Nusseck.
Es geht auch um die Gesundheit der Bevölkerung
Feuerwehrchef Marcus Bradtke-Hellthaler sorgt sich ebenfalls um seine Kameraden. Es sei allein der Ausbildung der Ehrenamtlichen und der guten technischen Ausrüstung der Reinbeker Feuerwehren zu verdanken, dass sie den schwierigen und anstrengendem Einsatz so gut bewältigen konnten. „Dank etlicher Ehrenamtlicher, die im Anschluss an den nächtlichen Einsatz am folgenden Sonntag die Ausrüstung gereinigt haben, waren wir nach nur 24 Stunden wieder einsatzfähig“, sagt der Feuerwehrchef. Doch bei sich häufenden Bränden in einem Betrieb sei irgendwann eine Grenze überschritten. Während des viereinhalbstündigen Einsatzes am Sonnabend waren nahezu alle Einsatzkräfte und Fahrzeuge gebunden, so Bradtke-Hellthaler: „Es geht bei allem ja schließlich um die Sicherheit und die Gesundheit aller Reinbekerinnen und Reinbeker.“
Mittlerweile seien auch schon Überwachungsbehörden der Stadt und des Kreises an die Feuerwehr herangetreten. Ingo Nusseck sagt dazu: „Unser Betrieb wird regelmäßig überprüft.“ Auch habe er das Gespräch mit der Gemeindewehrführung und dem Bauamt gesucht, um das Brandrisiko zu reduzieren. „Ich habe selbst das größte Interesse daran, dass es in unserem Betrieb nicht brennt“, erklärt der Melor-Geschäftsführer.
Kreis: Reinbeker Feuerwehren können die Betriebsrisiken noch bewältigen
Die Stadt Reinbek habe den Fall an die obere Bauaufsicht und das Landesamt für Umweltschutz (LfU) weitergegeben, heißt es aus dem Rathaus. Das habe auch die Genehmigung nach dem Bundesemissionsgesetz erteilt. Zurzeit warte das LfU allerdings noch den Bericht vom Betreiber über den Vorfall ab. Die untere Bauaufsicht sei jedoch im Gespräch mit dem Betreiber, der Feuerwehr und der Brandschutzdienststelle, um kurzfristige Lösungen zu erarbeiten. Einen Termin, bei dem auch Vorschläge für Brandschutzmaßnahmen erörtert werden sollen, gebe es bereits.
Laut Kreis Stormarn liege die Verpflichtung eine Werksfeuerwehr einzurichten, nur vor, wenn die Betriebsrisiken durch die öffentlichen Feuerwehren nicht mehr abgedeckt werden können. „Erkenntnisse darüber dass die Sicherheit der Reinbeker Bevölkerung durch die freiwilligen Feuerwehren nicht sichergestellt werden kann, liegen nicht vor“, sagt Kreissprecher Michael Drenckhahn.