Lübeck/Oststeinbek. Zwei Männer in Lübeck vor Gericht. Tankstellenpächterin schildert Raub in Oststeinbek. Gebracht hat er den Tätern nichts außer Ärger.

„Bis heute“, sagt Cindy K. (Name geändert) mit brüchiger Stimme, „kann ich nicht in einer Tiefgarage parken.“ Mit den Tränen kämpfend schildert die 48-Jährige aus Oststeinbek vor dem Landgericht Lübeck, was sie am 3. April 2018 erlebt hat. Es war der Dienstag nach dem Osterwochenende, gegen Mittag, als Cindy K. mit ihrem Fiat 500 in die Tiefgarage der damaligen Filiale der Sparkasse Holstein an der Möllner Landstraße einbog. Mit im Auto: ein Mitarbeiter und 15.000 Euro in bar.

Die Oststeinbekerin war zu diesem Zeitpunkt als selbstständige Unternehmerin Pächterin zweier Tankstellen in der 9000-Einwohner-Gemeinde und in Hamburg-Bergedorf. Wie jeden Tag wollte sie die Einnahmen vom Vortag bei der Bank einzahlen. Doch dann passierte, was die 48-Jährige bis heute verfolgt.

Überfall in Oststeinbek: Räuber greifen falsche Tasche und erbeuten nur 50 Euro

„Plötzlich fuhr ein dunkelgrüner BMW aus einer Parklücke und blieb genau vor der Ein- und Ausfahrt stehen“, erinnert sich K. Das sei ihr gleich seltsam vorgekommen. „Dann sprangen drei oder vier maskierte Personen aus dem Auto und kamen auf uns zu.“ Offenbar hätten die Männer ihr aufgelauert. Sie hätten versucht, die Türen ihres Autos zu öffnen. „Ich habe immer die Zentralverriegelung aktiviert, deshalb ging das nicht“, sagt die ehemalige Tankstellen-Chefin.

Daraufhin hätten die mit dunklen Sturmhauben vermummten Männer begonnen, auf das Auto einzuschlagen und zu -treten. „Ich habe gehupt, um auf uns aufmerksam zu machen. Ich war in dem Moment nicht in der Lage, loszufahren und die Ausfahrt war ja blockiert.“ Sie habe ihrem damals 26 Jahre alten Mitarbeiter noch gesagt, er solle den Kopf runternehmen, um sich zu schützen. „Ich selbst habe mich nach vorn gebeugt und die Hände über den Kopf gehalten.“

Überfallopfer vor Gericht: „Es kam mir wie eine Ewigkeit vor“

Dann habe es gekracht, und die Fensterscheibe auf der Beifahrerseite sei zersplittert. „Sie haben sie mit irgendetwas eingeschlagen. Ich glaube, es war ein Feuerlöscher“, sagt Cindy K. Die Beifahrertür habe sich geöffnet, und einer der vermummten Männer habe einen Rucksack aus dem Fußraum gezogen. Anschließend seien die Räuber geflüchtet.

„Mein Mitarbeiter und ich haben dann noch kurz gewartet, um sicherzugehen, dass sie wirklich weg sind“, so die 48-Jährige. „Dann sind wir hoch in die Sparkasse und haben die Polizei gerufen.“ Insgesamt habe der Überfall wohl nur einige Minuten gedauert, „aber es kam mir vor wie eine Ewigkeit.“ Zumindest äußerlich überstanden Cindy K. und ihr Mitarbeiter den Überfall unverletzt. Die Täter entkamen unerkannt.

Zwei Komplizen der beiden Angeklagten sind weiterhin unbekannt

Zwei Tatverdächtige konnten Polizei und Staatsanwaltschaft identifizieren. Stanislaw M. und Vadim P. (Namen geändert) stehen seit Mittwoch in Lübeck wegen Raubes vor Gericht. Zwei weitere Personen, die den Ermittlern zufolge beteiligt gewesen sein sollen, sind hingegen weiterhin unbekannt.

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Gelohnt hat sich der Überfall, wegen dem die heute 39 und 45 Jahre alten Männer im Fall einer Verurteilung wohl eine langjährige Haftstrafe verbüßen werde müssen, für das Quartett nicht. Sie erbeuteten nur 50 Euro. Denn bei dem Rucksack, den die Täter mitnahmen, mutmaßlich um Glauben, darin befänden sich die Tageseinnahmen, habe es sich lediglich um die Tasche ihres Mitarbeiters gehandelt, erzählt Cindy K. „Darin waren nur sein Portemonnaie und Proviant für die Arbeit.“

Der Überfall hat für die Oststeinbekerin bis heute Folgen

Die 15.000 Euro habe sie hingegen in ihrer Handtasche gehabt, die hinter dem Fahrersitz gelegen habe und die die Räuber wohl im Eifer des Gefechts übersahen. Doch auch, wenn der finanzielle Schaden, abgesehen von erheblichen Beschädigungen an ihrem Auto, ausgeblieben sei, habe der Überfall bis heute Folgen, erzählt K. Sie habe die Hilfe eines Psychologen gesucht, um das Erlebte zu verarbeiten. Die Selbstständigkeit habe sie aufgegeben, nachdem sie und ihr Mann schon in den Jahren zuvor immer wieder Diebstähle und Überfälle an den Tankstellen erlebt hätten.

Eine große Frage, die am ersten Verhandlungstag offen bleibt: Woher wusste das Quartett um die Angeklagten, dass Cindy K. an jenem Tag zu genau der Zeit die Tageseinnahmen zur Bank bringen würde? Nach eigenen Angaben wechselte die 48-Jährige regelmäßig, meist sogar täglich, die Filiale, um es Kriminellen schwer zu machen.

Es bleibt unklar, wie die Täter von dem Geld im Auto wissen konnten

Die Angeklagten kennt die Oststeinbekerin nicht. Ob es Mitarbeiter, Verwandte oder Bekannte gegeben habe, die davon Kenntnis gehabt hätten, wo sie an diesem Tag das Geld hinbringen wollte, möchte der Vorsitzende Richter Jörg Zachariae wissen. K. verneint.

Auch nach dem Mitarbeiter, der mit im Auto saß, fragt die Kammer. Dieser selbst soll erst am übernächsten Verhandlungstag Anfang November befragt werden. „Ich habe ihn manchmal zu seiner Schicht an der Tankstelle in Oststeinbek mitgenommen, wenn ich die Einnahmen aus Bergedorf geholt habe, weil er dort wohnte“, sagt K. Das sei aber nicht immer so gewesen, und an diesem Tag habe er sie spontan begleitet.

Ein Urteil in dem Verfahren soll es frühenstens Ende November geben

Zachariae will auch genau wissen, wo das Auto in den Tagen vor dem Überfall geparkt war und wer Zugang dazu hatte. Möglicherweise könnte ein Sender oder Ähnliches eine Rolle gespielt haben. Ins Detail geht es an dieser Stelle am ersten Prozesstag nicht.

Der nächste Verhandlungstag ist am Mittwoch, 16. Oktober. Insgesamt sind sechs Termine angesetzt. Ein Urteil wird frühestens Ende November erwartet.