Lübeck/Reinfeld. Heinz-Jürgen Lübbe aus Reinfeld ist überzeugt: Stadt Lübeck hat Blitzer rechtswidrig aufgestellt. Sein Einsatz ist hoch.
Heinz-Jürgen Lübbe wusste ganz genau, wo der Blitzeranhänger stand, als er am 28. Februar gegen 1 Uhr nachts mit seinem Mercedes die Possehlstraße in Lübeck in Richtung Lachswehrallee fuhr. Der 70-Jährige aus Reinfeld drückte aufs Gas, der Blitzer löste aus. Wenig später hatte der Rentner den Bußgeldbescheid der Stadt Lübeck im Briefkasten. Und nicht nur einen: Gleich dreimal ließ sich Lübbe in jener Nacht binnen zehn Minuten blitzen – mit voller Absicht.
„Ich wollte sichergehen, dass ich auch wirklich schnell genug war“, sagt er. Gegen jeden einzelnen der drei Bußgeldbescheide hat der Rentner Widerspruch eingelegt. Dabei bestreitet Lübbe überhaupt nicht, zu schnell gefahren zu sein. Es geht ihm um etwas anderes: Der 70-Jährige ist der festen Überzeugung, dass der mobile Blitzer, ein sogenannter Enforcement-Trailer, von der Stadt Lübeck rechtswidrig aufgestellt worden ist. Und das möchte der Rentner beweisen.
Blitzer-Streit: Rentner aus Stormarn fährt absichtlich zu schnell – er hat eine Mission
Seit mittlerweile drei Jahren streitet Heinz-Jürgen Lübbe deshalb nach eigenen Angaben mit dem Lübecker Ordnungsamt. „Es war im März 2021, da stand der Blitzeranhänger am Padelügger Weg“, erzählt er. „Mir ist sofort aufgefallen, dass er kein ordnungsgemäßes Kennzeichen hat. Es ist ein Pseudo-Nummernschild, eine Dublette, ohne TÜV-Plakette und ohne Plakette der Zulassungsstelle.“
Das sei nicht zulässig. Lübbe kramt einen Ausdruck mit der Fahrzeug-Zulassungsverordnung (FZV) hervor. Für den gelernten Bankkaufmann ist klar: „Jedes Fahrzeug, das in Deutschland im öffentlichen Raum steht oder fährt, muss ein gültiges Nummernschild haben.“ Wie werde der Anhänger sonst bewegt, wenn er zu einem anderen Standort gebracht werde? Lübbe schrieb dem Ordnungsamt, fragte nach.
Blitzer-Streit: Ein anderer Anhänger verfügt über ein amtliches Kennzeichen
„Es hieß, das eigentliche Kennzeichen liege in dem Anhänger, um es vor Vandalismus zu schützen, und werde nur angebracht, wenn er bewegt wird.“ Das habe er zunächst so hingenommen. Dann aber, einige Monate später, sei ihm ein zweiter Blitzeranhänger in Lübeck aufgefallen. „Da habe ich natürlich genauer hingesehen. Und siehe da: Dieser Anhänger hatte ein ordnungsgemäß gestempeltes Kennzeichen.“
Lübbe schrieb dem Ordnungsamt erneut. „Warum hat ein Blitzer ein amtliches Nummernschild, der andere aber nicht? Das ist doch Unsinn“, sagt er. Eine nachvollziehbare Antwort habe er bis heute nicht bekommen. Es folgte ein reger Schriftverkehr, nicht immer war der Reinfelder freundlich im Ton.
Sprecher der Stadt Lübeck verweist auf Anfrage auf Vandalismusschutz
„Es gab immer wieder andere Begründungen. Mal wurde Vandalismus angeführt. Dann hieß es, das sei bauartbedingt, und dann wieder, der Hersteller des Anhängers habe die Verwendung einer Dublette vorgegeben“, sagt der 70-Jährige. „Das ist doch alles Schwachsinn. Seit wann kann ein Hersteller bestimmen, welches Kennzeichen an einem Fahrzeug anzubringen ist?“ Noch mehr: Inzwischen sei auch an dem anderen Anhänger das Kennzeichen gegen eine Dublette ausgetauscht worden, behauptet Lübbe.
Auf Anfrage unserer Redaktion verweist die Stadt Lübeck erneut auf den Vandalismusschutz. „Bei der Hansestadt Lübeck verfügen alle neueren mobilen Blitzer über einen Vandalismusschutz. Bei diesen neueren mobilen Blitzern befindet sich das Kennzeichen am Hänger“, so ein Sprecher.
Blitzer-Streit: Anhänger ist zugelassen und Position des Kennzeichens irrelevant
Bei dem älteren Modell ohne Vandalismusschutz sei das Kennzeichen beim Fahren auf der Straße am Hänger und beim Stehen im Hänger. „Unabhängig davon, wie es bei den unterschiedlichen Modellen gehandhabt wird, ist es grundsätzlich völlig irrelevant, wo sich das Kennzeichen befindet: Das Fahrzeug ist zugelassen und darf damit im öffentlichen Verkehrsraum stehen“, so der Sprecher weiter.
Für Lübbe handelt es sich um Behördenwillkür. Der Reinfelder redet sich in Rage. „Ich kann auch nicht einfach eine Dublette an meinem Auto anbringen und sagen, das sei eine Schutzmaßnahme vor Vandalismus. Es kann nicht jeder machen, was er will. Auch nicht die Ordnungsbehörde.“
Im zweiten Anlauf ließ sich Lübbe gleich dreimal hintereinander blitzen
Nachdem das Amt die Beanstandungen wiederholt zurückgewiesen hatte, beschloss Lübbe, vor Gericht zu ziehen. Bereits im Jahr 2022 hatte sich der Rentner dazu absichtlich blitzen lassen und anschließend Widerspruch gegen den Bußgeldbescheid eingelegt. Doch das Amtsgericht Lübeck stellte das Verfahren im Dezember 2023 ein. Der Grund: Lübbe war nur 6 km/h zu schnell gefahren. „Das Gericht erachtet eine Ahndung der Ordnungswidrigkeit nicht für geboten“, so die Entscheidung.
Deshalb unternahm der 70-Jährige im Februar einen weiteren Anlauf, gab mehr Gas und ließ sich gleich dreimal blitzen. Zweimal war er mit etwa 60 km/h unterwegs, wo eigentlich Tempo 50 gilt, einmal mit 80. „Ich habe es bewusst nachts gemacht, damit wenig Verkehr ist und niemand gefährdet wird“, sagt er.
Amtsgericht: Art des Kennzeichens hat keinen Einfluss auf Messergebnis
Doch auch diesmal hatte der Rentner bislang keinen Erfolg vor Gericht. Der erste Geschwindigkeitsverstoß wurde Anfang Juli am Amtsgericht verhandelt. Das Ergebnis: Lübbe muss nun statt 30 Euro 60 Euro Bußgeld bezahlen. Der Reinfelder habe selbst eingeräumt, absichtlich zu schnell gefahren zu sein, heißt es zur Begründung. „An der Richtigkeit der Messung bestehen nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme keine Zweifel“, so das Gericht. Die Art des Kennzeichens an dem Blitzeranhänger habe denklogisch keinen Einfluss auf das Messergebnis.
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Lübbe fühlt sich ungerecht behandelt. „In dem Verfahren wird immer nur auf das Messergebnis abgestellt. Das rechtswidrige Verhalten der Stadt Lübeck interessiert offenbar keinen.“ Das wolle er sich nicht gefallen lassen. „Ich habe recht. Das wissen alle, es will nur keiner zugeben, weil dann eine Welle losbrechen würden“, ist der 70-Jährige überzeugt. „Dann wären nämlich mindestens alle noch ausstehenden Bußgeldbescheide ungültig, möglicherweise müssten sogar bezahlte Beträge zurückerstattet werden.“ Lübbe meint: „Das ist Taktik, immer nur auf die Messung zu schauen. Die wollen mich austricksen.“
Lübbe möchte notfalls bis vor das Oberlandesgericht in Schleswig ziehen
Doch warum ist es dem Rentner überhaupt so wichtig, wenn er das Messergebnis des Blitzers gar nicht anzweifelt? „Es geht ums Prinzip“, sagt er. „Dass sich auch Behörden an die Regeln halten müssen.“ Lübbe will deshalb so lange weitermachen, „bis ein Richter zugibt, dass ich recht habe“.
Im zweiten Verfahren, das im September verhandelt wurde, hat der Rentner seinen Widerspruch allerdings zurückgezogen. Um Prozesskosten zu sparen, wie er sagt. Er wolle sich stattdessen auf den dritten Termin am 1. Oktober konzentrieren. Dann will der Reinfelder auch einen Anwalt mitbringen. „Ich habe eine Rechtsschutzversicherung“, sagt er. Sollte sein Widerspruch wieder abgewiesen werden, werde er in nächster Instanz vor das Oberlandesgericht in Schleswig ziehen, kündigt Lübbe an. Er sagt: „Ich werde den Finger weiter in die Wunde legen.“