Ahrensburg. 1974 wurde das Dorf ein Teil vom großen Nachbarn Ahrensburg. Bis heute sind einige Punkte aus dem Eingemeindungsvertrag nicht erfüllt.
Es ist der 31. Januar 1974. „Heute sind wir das letzte Mal als Gäste hier, das nächste Mal sind wir zu Hause, wenn wir Ahrensfelder Gastlichkeit genießen“, sagt Ahrensburgs damaliger Bürgermeister Manfred Samusch bei einem feierlichen Empfang im „Peerstall“. Einen Tag später, am 1. Februar 1974, wird die bis dahin eigenständige Gemeinde Ahrensfelde ein Stadtteil Ahrensburgs.
Heute, gut 50 Jahre später, denken viele Ahrensfelder, die seinerzeit dabei waren, mit Frust an jenes Datum zurück. Die Freude über den Zusammenschluss ist längst der Ernüchterung gewichen. Ahrensburg, so der Vorwurf, habe die Zusagen, die die Schlossstadt der Gemeinde einst im Zuge der Eingemeindung machte, nicht eingehalten. Insbesondere der Verkehr ist seit Jahren ein Dauerstreitthema zwischen den Bewohnern des südlichen Stadtteils und der Stadtverwaltung.
Ahrensburg und Ahrensfelde: Frust ist groß – auch 50 Jahre nach der Fusion
„Rückblickend lässt sich sagen, dass die Nachteile des Zusammenschlusses für Ahrensfelde klar überwiegen“, sagt Peter Körner, Vorsitzender der Dorfgemeinschaft Ahrensfelde (DGA). Der 2019 gegründete Verein versteht sich als Interessenvertretung des Stadtteils und seiner Bewohner. „Wir werden von der Ahrensburger Verwaltung seit Jahren an der Nase herumgeführt.“
Hauptstreitpunkt: eine geplante Umgehungsstraße, die bis heute nicht gebaut wurde. Seit Jahren klagen die Ahrensfelder über zunehmenden Verkehr im Ort, über rücksichtslose Autofahrer, die trotz Geschwindigkeitsbegrenzung auf Tempo 30 durch das Dorf rasen und dabei Fußgänger, Radfahrer und Reiter gefährden, die regelmäßig in dem ländlich geprägten Stadtteil unterwegs sind.
Ahrensfelde: 8800 Fahrzeuge rollen täglich durch den Stadtteil, davon 65 Prozent Durchgangsverkehr
Die Route Brauner Hirsch/Dorfstraße durch Ahrensfelde verbindet die Hamburger Straße (ehemals B75) und im weiteren Verlauf die Hamburger Stadtteile Volksdorf und Rahlstedt mit dem Ahrensburger Anschluss zur A1. Das macht sie als Abkürzung beliebt. Eine Zählung im Jahr 2019 ergab, dass täglich rund 8800 Fahrzeugen durch den Stadtteil rollen, davon 50 bis 65 Prozent Durchgangsverkehr.
Die Pläne für eine Umgehungsstraße, die sogenannte Ahrensburger Südtangente, von der Einmündung der Eulenkrugstraße bis zur A1, reichen bis ins Jahr 1934 zurück. Mit der Eingemeindung war für Ahrensfeldes damalige Kommunalpolitiker die Hoffnung verbunden, dass die Straße endlich realisiert wird.
Ahrensfelder Landwirte wollten ihre Ackerflächen als Bauland vermarkten
Die Südtangente sei damals aber nur ein Argument gewesen, welches aus Ahrensfelder Sicht für den Anschluss an Ahrensburg gesprochen habe, sagt Jürgen Wahl, der seinerzeit den Vertrag als Justiziar der Stadt Ahrensburg maßgeblich mit ausgehandelt hat. „Viele Landwirte in der Gemeinde wollten ihre Ackerflächen als Bauland entwickeln.“ Die Aussichten, das vom Land genehmigt zu bekommen, seien für Ahrensfelde als Teil des Mittelzentrums Ahrensburg größer gewesen als als eigenständige Gemeinde. „Außerdem wollten die Ahrensfelder ein neues Feuerwehrgerätehaus, das die Stadt 1986 dann auch gebaut hat.“
Ahrensburg wiederum war als Mittelzentrum in der Pflicht, neue Baugebiete auszuweisen und deshalb sehr interessiert daran, dass das 521 Hektar große Ahrensfelder Gemeindegebiet Teil der Stadt wird. Zudem beabsichtigte Ahrensburg die Verlängerung des Ostrings bis zum A1-Anschluss über Ahrensfelder Gebiet. Für die Schlossstadt war es die erste Gebietserweiterung seit 1928 und 1929, als die Dörfer Beimoor, Kremberberg und Wulfsdorf Teil des Stadtgebiets wurden.
Ahrensfelde: Zum Zeitpunkt der Eingemeindung lebten knapp 500 Menschen im Dorf
„Die Eingemeindung war ein beiderseitiger Beschluss, von dem sich beide Parteien Vorteile versprochen haben“, betont Wahl. „Ahrensfelde gehörte ohnehin zum Einzugsbereich Ahrensburgs. Die Menschen kamen zum Einkaufen und zur Schule.“ Im Alltag der Ahrensfelder habe sich deshalb wenig geändert.
Bis zur Eingemeindung 1974 gehörte das Dorf Ahrensfelde mit seinen damals knapp 500 Einwohnern als eigenständige Kommune zum Amt Siek. Die Gespräche über einen Zusammenschluss mit der großen Nachbarstadt begannen bereits in den 1960er-Jahren. Sie fielen in eine Zeit, in der die Landesregierung in Kiel aus Gründen der Effizienz bestrebt war, die Zahl der Kommunen in Schleswig-Holstein zu reduzieren.
Ahrensfelde: Die Bevölkerung war in der Frage der Eingemeindung gespalten
Bis 1974 wurde die Zahl der Kreise und kreisfreien Städte durch Fusionen von zuvor 21 auf die heutigen 15 gesenkt. Zahlreiche Kleinstgemeinden gingen in größeren Verwaltungseinheiten auf. In Stormarn entstand 1974 etwa aus dem Zusammenschluss der Dörfer Papendorf, Kronshorst und Langelohe die neue Gemeinde Brunsbek. Im selben Jahr schloss sich Havighorst der Gemeinde Oststeinbek an, und Schönningstedt wurde ein Teil der Stadt Reinbek.
Die Verhandlungen zwischen Ahrensburg und Ahrensfelde waren zäh und dauerten mehrere Jahre, ehe im Dezember 1973 die Kommunalparlamente beider Orte einstimmig den achtseitigen Eingemeindungsvertrag beschlossen. Die Meinung in der Bevölkerung, so belegen es Protokolle der Gemeindevertretersitzungen aus jener Zeit, war hingegen weniger homogen. Einige Ahrensfelder begrüßten den Zusammenschluss, andere wollten lieber Teil der Nachbargemeinde Großhansdorf werden und wieder andere bevorzugten es, eigenständig zu bleiben.
Ahrensburg musste den Ahrensfeldern eine Reihe von Zusagen machen
Ihre Zustimmung ließen sich Ahrensfeldes Gemeindevertreter seinerzeit teuer bezahlen. Ahrensburg musste sich verpflichten, den Ausbau der Ahrensfelder Ortsdurchfahrt (K20) voranzutreiben, die Kanalisation auszubauen und eine Stadtbuslinie durch das Dorf einzurichten. Auch sagte die Schlossstadt zu, die Bauleitplanung für neue Baugebiete in Ahrensfelde zu übernehmen.
Ausgerechnet beim für die Anwohner so wichtigen Thema Südtangente blieb der Vertrag jedoch vage. „Die Stadt und die Gemeinde Ahrensfelde werden beim Kreis Stormarn beantragen, dass er die Baulastträgerschaft für den verlängerten Ostring und die Südtangente übernimmt und das Planfeststellungsverfahren einleitet“, heißt es dazu. Der Grund: Stadt und Gemeinde hatten sich nicht auf eine Trassenführung für die Umgehungsstraße einigen können.
Kreis Stormarn kassierte Zusage zur Planung einer Umgehungsstraße wieder ein
Deshalb sollte der Kreis beide Varianten untersuchen und so eine Entscheidung herbeiführen. Bereits 1968 hatte der Kreistag sich dafür ausgesprochen, Planung und Finanzierung zu übernehmen. Doch es kam anders: 1977 rückte der Kreis von seiner Zusage wieder ab, die Politiker hoben den neun Jahre alten Beschluss auf.
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Durch die Eingemeindung Ahrensfeldes handele es sich nun um ein innerörtliches Projekt, für das man nicht zuständig sei, so die Begründung. Zudem könne der Kreis als Dritter durch den Eingemeindungsvertrag nicht verpflichtet werden. Geplant und gebaut wurde schließlich lediglich die Verlängerung des Ostrings, der man aufgrund der Anbindung an die Autobahn Vorrang einräumte – und die noch mehr Verkehr nach Ahrensfelde brachte.
Ahrensburg: Ende 2019 wurden die Pläne für die Südtangente endgültig beerdigt
Seitdem gab es in Ahrensburg immer wieder Anläufe, die Südtangente zu realisieren – ohne Ergebnis. Ende 2019 wurden die Pläne endgültig beerdigt. Gründe waren die hohen Kosten von schätzungsweise rund 61 Millionen Euro und naturschutzrechtliche Restriktionen.
Gleichzeitig gab es die Zusage seitens der Stadt, anderweitige Maßnahmen zur Verkehrsberuhigung umzusetzen. Bis auf eine Fahrbahnverengung am nördlichen Ortseingang Ahrensfeldes und die Installation von Geschwindigkeitsanzeigetafeln hat sich bislang aber wenig getan. Ein geplanter Mini-Kreisvekehr scheiterte zuletzt am Denkmalschutz.
Dorfgemeinschaft Ahrensfelde wirft Stadt Ahrensburg Vertragsbruch vor
Für Peter Körner und seine Mitstreiter von der DGA ist das ein klarer Vertragsbruch. „Der Vertrag ist in diesem Punkt bis heute nicht erfüllt“, sagt er. Auch in anderen Punkten habe sich Ahrensburg an Verpflichtungen nicht gehalten. „Der Anschluss an den Stadtbusverkehr kam erst 2021“, so Körner.
Mit dem jüngst von Ahrensburgs Stadtverordneten beschlossenen Plan, die Ahrensfelder Feuerwehr gemeinsam mit der Löschgruppe im Stadtteil Am Hagen an einem neuen Standort Süd an der Straße Brauner Hirsch zusammenzulegen, verstoße ebenfalls gegen den Vertrag. „Es gibt die Zusage, die Wehr in Ahrensfelde so lange zu erhalten, wie der überwiegend landwirtschaftliche Charakter des Ortskerns es erfordert.“
Urteil von 1981: Untergegangene Gemeinden können nicht vor Gericht ziehen
Körner verweist auf ein Gutachten des Wissenschaftlichen Dienstes des Bundestags von 2013 zur Bindungswirkung von Eingemeindungsverträgen. „Eine Partei kann sich nicht einseitig von der Verpflichtung lösen“, heißt es dort. Es gelte der Grundsatz der Vertragsbindung.
Einklagen können die Ahrensfelder die Zusagen aus dem Vertrag dennoch nicht. Grund ist ein Urteil des Verwaltungsgerichts in Schleswig aus dem Jahr 1981. Damals stritten Ahrensburg und der inzwischen nicht mehr existierende Ahrensfelder Ortsbeirat um die Ausweisung neuer Baugebiete. Ahrensburgs Stadtverordnete wollten ein für Wohnbebauung vorgesehenes Areal in Ahrensfelde nachträglich wieder aus dem Flächennuntzungslan streichen.
Dorfgemeinschaft Ahrensfelde will Kommunalaufsicht einschalten
Die Klage sei unzulässig, weil die Gemeinde Ahrensfelde infolge des Zusammenschlusses nicht mehr existiere und ohne kommunalpolitische Organe keine Willensbildung der Bürger bezüglich des Rechtsstreits mehr möglich sei, so die Schleswiger Richter. Zwar bekamen die Ahrensfelder später nach einer Intervention des Innenministeriums doch noch recht, doch stellt sich auch heute die Frage: Wer ist berechtigt, die Interessen der untergegangenen Gemeinde juristisch zu vertreten?
Dem Gutachten des Bundestags zufolge wäre dafür die Kommunalaufsichtsbehörde zuständig. Doch die ist im Ahrensfelder Fall bislang nicht tätig geworden. „Zu erreichen, dass die Kommunalaufsicht eingreift, ist der Weg, den wir jetzt verfolgen“, sagt Körner. Derzeit prüfe man in der DGA die rechtlichen Möglichkeiten. Auch eine Sammelklage von Anwohnern stehe im Raum. Ob die Ahrensfelder damit letztlich Erfolg haben werden – ungewiss.