Bad Oldesloe. Was tun, wenn im Netz intime Fotos des Kindes geteilt werden? Wer haftet bei Fehlverhalten? Polizei gibt Tipps.
Dank Smarthone und Tablet-PC haben Kinder von klein auf jederzeit Zugang zum Internet. Mal eben etwas für die Hausaufgaben googeln, über Instagram, Snapchat und Co. mit Freunden chatten oder zur Entspannung lustige Videos auf TikTok anschauen gehört für die Jugend von heute zum Alltag.
Doch das Internet birgt auch vielfältige Gefahren. Im schlimmsten Fall können sich Kinder und auch ihre Eltern strafbar machen. Die Polizei ist deshalb bemüht, Eltern verstärkt für das Thema zu sensibilisieren. Erstmals hat die Präventionsstelle der Ratzeburger Direktion im September zu drei Informationsabenden eingeladen.
TikTok und Co.: Große Gefahren im Internet – Polizei gibt Eltern Tipps
Der Auftakt für das Format war jetzt im Bürgerhaus in Bad Oldesloe. Rund eineinhalb Stunden sprach Polizeihauptmeister Oliver Tabor über Dinge, von denen Eltern sonst nur wenig mitbekommen. Es ging um TikTok, Cybergrooming, Dickpics, Sextortion und die Hot-Chip-Challenge.
Zunächst gibt Tabor einen Crashkursus in Sachen Influencer. Ein großes Problem: Mutproben, die dank Sozialen Medien und Influencern populär und von Jungen und Mädchen millionenfach nachgemacht werden. Immer wieder sorgen gefährliche TikTok-Challenges für Schlagzeilen. „Einige sind harmlos, wie die Ice-Cube-Challenge, bei der sich die Teilnehmer eiskaltes Wasser über den Kopf kippen“, so Tabor.
Challenges in Sozialen Medien sind häufig gefährlich, aber nicht unbedingt strafbar
Andere hätten schwere Verletzungen zur Folge oder gingen sogar tödlich aus. „Bei der Deo-Challenge, die vor einigen Monaten die Runde gemacht hat, sprühen sich die Kids Deo auf den Arm und die Hand, bis es schlimmstenfalls zu schwersten Eisbrandverletzungen und Erfrierungen kommt“, erzählt der Polizeihauptmeister. Infolge der Hot-Chip-Challenge, bei der es darum geht, einen extrem scharfen Kartoffelchip zu essen, seien bereits Jugendliche nach einem Kreislaufzusammenbruch gestorben. Diese Mutproben klängen dumm. „Aber die Kids machen das, um dazuzugehören.“
Die Teilnahme an TikTok-Challenges sei zwar oft gefährlich, in den meisten Fällen aber nicht strafbar. Anders sehe es beim Verschicken intimer oder gewaltverherrlichender Fotos und Videos aus. „Nicht nur das Anfertigen und die Verbreitung kinderpornografischer Inhalte ist strafbar, sondern bereits der Besitz“, sagt Tabor.
TikTok und Co.: Austauschen intimer Fotos ist auch in der Beziehung heikel
Darunter fielen auch das Dickpic, welches dem Schwarm zugeschickt wird, um ihn zu beeindrucken, und alle sonstigen intimen Aufnahmen. „Das ist für den Gesetzgeber Pornografie, und wenn die Person im Bild jünger als 14 Jahre ist, handelt es sich um Kinderpornografie, für deren Besitz das Strafgesetzbuch bis zu zehn Jahre Haft vorsieht.“
Das gelte auch, wenn es sich um Freund und Freundin handele, welche die Aufnahmen austauschten, „beispielsweise wenn er 15 ist und sie 13 und ihre Eltern das dann mitbekommen und Anzeige erstatten.“ 2022 waren laut Tabor die Beschuldigten in fast 46 Prozent der Ermittlungsverfahren wegen Besitzens oder Teilens von Kinderpornografie jünger als 18 Jahre, Tendenz steigend.
Verbreitung von Aufnahmen Minderjähriger erfordert Zustimmung der Eltern
Ebenfalls beliebt bei Kinder und Jugendlichen: das Teilen peinlicher Fotos und Videos von Freunden oder Klassenkameraden. „Auch das ist eine Straftat, es handelt sich dann um eine Verletzung des sogenannten höchstpersönlichen Lebensbereiches“, erklärt der Polizist. Darunter falle nicht nur das Foto auf der Toilette oder in der Umkleide. „Das klassische Beispiel: Jemand hat auf der Party zu tief ins Glas geschaut und übergibt sich oder liegt betrunken in der Ecke.“ Wer hier filme, mache sich bereits strafbar.
Überhaupt bedürfe die Verbreitung sämtlicher Aufnahmen Minderjähriger der Zustimmung der Erziehungsberechtigten, auch wenn die Kinder selbst ihr Einverständnis gegeben haben. „Erst wenn sie volljährig sind, dürfen sie selbst entscheiden, weil man davon ausgeht, dass Kinder und Jugendliche sich der Konsequenzen nicht bewusst sind, wenn Fotos von ihnen ins Netz gelangen.“ Heißt: Wer Bilder mit der besten Freundin im Whatsapp-Status postet, kann sich strafbar machen. „In der Regel ist das kein Problem, aber wenn die Eltern der Freundin zur Polizei gehen, kann das ungemütlich werden“, sagt Tabor. „Das sollte einem bewusst sein.“
Internet: Cyber-Grooming und Sextortion sind Phänomene, die verstärkt auftreten
Ein Phänomen, das seit einigen Jahren verstärkt auftrete, sei das sogenannte Cyber-Grooming. „Unbekannte bauen dabei im Netz ein Vertrauensverhältnis zu den Mädchen oder Jungs auf, zum Beispiel über Chatrooms von Online-Spielen.“ Anschließend schickten sie den Kindern Nachrichten mit sexuellem Inhalt. „Das muss nicht gleich ein Nacktfoto sein, auch sexuelle Kommunikation mit Minderjährigen fällt unter den Straftatbestand des sexuellen Missbrauchs“, betont Tabor.
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Einen Schritt weiter gehe die sogenannte Sextortion, eine Form der sexuellen Erpressung. „Hier werden die Kids dazu angestiftet, von sich selbst intime Aufnahmen zu machen und diese dem Chatpartner zuzuschicken.“ Oft machten die Täter den Jungen und Mädchen zuvor Komplimente, um ihr Vertrauen zu gewinnen. „Anschließend fordern sie Geld oder weitere Aufnahmen und drohen andernfalls, die Bilder an Freunde oder Familie der Kinder zu schicken. Teilweise stehen dahinter ganze Callcenter, die mit diesem Modell groß Geld verdienen.“
Im ungünstigen Fall erfährt auch die Führerscheinstelle von digitalen Fehltritten
Unter Gewaltdarstellungen, deren Teilen verboten ist, fallen auch Fotos und Videos von Kriegshandlungen, etwa aus Nahost oder der Ukraine, wie sie zurzeit vielfach kursieren, betont Tabor. Ebenfalls verboten sei das Verwenden oder Teilen verbotener Symbole. „Dazu zählt nicht nur das Hakenkreuz, auch das russische Z oder die Flaggen von IS und PKK fallen darunter.“ Cyber-Mobbing dagegen sei kein Straftatbestand. „Strafbar sind aber bestimmte Handlungen wie Beleidigung oder Stalking, die Teil des Mobbings sein können“, erklärt der Polizist.
Die Strafen könnten von Arbeitsstunden und erzieherischen Maßnahmen des Jugendamtes über eine Geldstrafe bis hin zum Jugendarrest reichen. Auch eine Information der Führerscheinstelle könne eine Konsequenz sein. „Dann kann es heißen: Du bist noch nicht reif genug, du darfst erst mit 21 deinen Führerschein machen.“
TikTok und Co.: Smartphone und Tablet können als Tatmittel eingezogen werden
Am schlimmsten sei aber für viele Jugendliche, dass das eigene Handy in einem Ermittlungsverfahren als Tatmittel eingezogen werden könne. „Wenn der Richter wohlgesonnen ist, wird es nach Ende des Verfahrens wieder ausgehändigt, dann aber auf Werkeinstellungen zurückgesetzt“, sagt Tabor.
Ebenfalls wichtig: Wenn Eltern sich anstößige Fotos oder Videos von ihren Kindern auf ihr eigenes Handy weiterschicken lassen, um diese zu sichern, machen sie sich gegebenenfalls ebenfalls strafbar, weil ab diesem Moment im Besitz des Materials sind. Tabor empfiehlt deshalb, Fotos und Videos nicht auf andere Geräte zu transferieren, sondern auf dem Smartphone oder Tablet des Kindes zu sichern und dieses bei der Polizei vorzuzeigen.
Kinder und Jugendliche haften ab dem siebten Lebensjahr für sich selbst
Auch bei Handlungen, die nicht strafbar seien, könnten sich Minderjährige haftbar machen, erklärt er. „Betroffene, etwa von Cyber-Mobbing, können vor ein Zivilgericht ziehen und Schadensersatz einfordern.“ Im schlimmsten Fall drohten jahrelange hohe Zahlungen, etwa für Therapiekosten, wenn das Opfer psychologische Schäden geltend mache. Die Forderungen verjährten erst nach 30 Jahren. „Es ist ein Irrglaube, dass in diesem Fall die Eltern haften“, sagt Tabor. „Laut Bürgerlichem Gesetzbuch sind Kinder ab sieben Jahren voll haftbar.“
Was also können Eltern tun, um ihre Kinder vor den Gefahren des Internets zu schützen? „Verbote sind keine Lösung“, sagt Tabor. Kinder fänden immer Wege, sich Zugang zu verschaffen, gerade weil das Internet heute so allgegenwärtig sei. „Kinder müssen ins Internet und sollen ins Internet“, betont er. „Es ist aber wichtig, die Kids bei der Nutzung der Sozialen Medien zu begleiten“, rät der Polizist stattdessen. „Eltern sollten wissen, welche Inhalte ihre Kinder konsumieren, und mit ihnen darüber sprechen.“
Kindersicherungen wie Google Family Link oder JusProg können helfen
Dabei helfen könnten Kindersicherungen wie Google Family Link oder JusProg, die Eltern erlauben, zu steuern, welche Seiten und Inhalte ihre Kinder besuchen. „Bauen Sie ein Vertrauensverhältnis auf, schimpfen Sie nicht, sondern stehen Sie Ihren Kindern zur Seite“, empfiehlt Tabor. Angst vor Strafen führe nur dazu, dass der Nachwuchs Dinge verheimliche.
Werde das Kind Opfer einer Straftat, indem etwa unerlaubt Bilder weiterverbreitet werden, rät Tabor, dies erstens den Plattformen zu melden, auf denen die Dateien geteilt wurden, und zweitens in jedem Fall Anzeige zu erstatten – auch, wenn es in dem Moment peinlich wirke. „Wir als Polizei haben häufig mehr Möglichkeiten, die Verbreitung noch zu stoppen.“