Ahrensburg/Højer. In Ahrensburg sorgte der „Muschelläufer“ jahrelang für Streit. Nun sucht Urheber Martin Wolke einen Käufer für sein umstrittenes Werk.
Jahrelang hat der „Muschelläufer“ in Ahrensburg für hitzige, bisweilen emotional geführte Diskussionen gesorgt, ehe die umstrittene Skulptur die Schlossstadt im März 2023 verließ. Nun könnte das Werk des Kieler Bildhauers Martin Wolke in seine alte Heimat zurückkehren – zumindest, wenn sich ein Käufer findet, der bereit ist, 129.000 Euro für die Plastik zu bezahlen.
Wolke, der auch die „Reisenden Riesen“ am Bahnhof von Westerland auf Sylt geschaffen hat, hat die Zeit nach dem Abtransport aus Ahrensburg genutzt, um den knapp vier Meter hohen und 400 Kilogramm schweren Fiberglas-Koloss generalzuüberholen. Der „Muschelläufer 2.0“ ist jetzt olivgrün statt blau und das Lautsprechersystem, welches bei einer Böllerattacke zerstört wurde, funktioniert nun wieder. Wer etwas in die Handmuschel hineinruft, hört das Echo gemeinsam mit Meeresrauschen aus dem großen Schneckenhaus erklingen.
Umstrittener „Muschelläufer“ aus Ahrensburg ist für 129.000 Euro zu verkaufen
Zurzeit ist der „Muschelläufer“ in der dänischen Kleinstadt Højer bei Tondern zu sehen, unweit der deutsch-dänischen Grenze und wenige Kilometer von der Nordseeküste entfernt. Von Juni bis Oktober findet dort der „ArtJam“ statt. Bei der Freiluft-Ausstellung für zeitgenössische Kunst, die seit 1993 jährlich veranstaltet wird, zeigen internationale Künstler an 22 Stationen im Stadtgebiet und am Wattenmeer mehr als 50 Werke.
Der „Muschelläufer“ hat einen prominenten Platz direkt am Fuß des 1934 errichteten Wasserturms von Højer bekommen. „Durch die Ausstellung in Bissee 2023 wurde der Veranstalter auf den Muschelläufer aufmerksam und hat eine Einladung ausgesprochen“, erzählt Wolke. Beim „Skulpturensommer“ am Bothkamper See in dem kleinen Ort zwischen Kiel und Neumünster hatte der Künstler die Skultpur im vergangenen Jahr erstmals im neuen Gewand der Öffentlichkeit präsentiert.
Olivgrüner Anstrich soll der Skulptur eine „weltpolitische Dimension“ geben
Die neue Farbe solle „reichhaltigen Interpretationsmöglichkeiten“ Raum geben, sagte Wolke damals. Zusätzlich habe er seinem Werk auch eine aktuelle, weltpolitische Dimension geben wollen. „Das Grün weckt Assoziationen mit den Army Men, den kleinen grünen Plastiksoldaten, aus den 1950er-Jahren“, sagt der Bildhauer. Damit positioniere sich der „Muschelläufer“ in der weltpolitischen Lage als „präzise aktuell“.
Von den Kuratoren des „Skulpturensommers“ gab es viel Lob für das Werk. „Der Muschelläufer ist zu schade, um nicht gezeigt zu werden“, sagte Karina Gloyer-Köpke vom Skulpturensommer-Verein. Auch Stefanie Reese, auf deren Hof der „Muschelläufer“ damals stand, schwärmte. „Von Besuchern bekommen wir nur positives Feedback, besonders die Muschel-Funktion fasziniert viele“, sagte sie.
Der „Muschelläufer“ wurde in Ahrensburg immer wieder Ziel von Vandalismus
Das war in Ahrensburg noch ganz anders. Dort stand der Mann auf dem Schneckengehäuse ab August 2005 auf dem zentral gelegenen Rondeel in der Innenstadt. Der Muschelläufer war ein Geschenk des Rotary Clubs Ahrensburg anlässlich seines 25-Jährigen Bestehens. Eine Kommission aus Kunstexperten und Verwaltungsmitarbeitern hatte das 25.000 Euro teure Werk ausgewählt.
Die Plastik polarisierte von Beginn an. Nur wenige Tage nach der Enthüllung beschmierten Unbekannte den „Muschelläufer“ mit Graffiti. Es war der Beginn einer Serie: In den folgenden Monaten und Jahren wurde die Skulptur immer wieder Opfer von Vandalismus. Den Höhepunkt erreichte die Auseinandersetzung im Februar 2010, als Unbekannte einen Böller in der Handmuschel des Kunstwerks detonieren ließen, der das Innere der Plastikhand zerfetzte.
Stadt gab über die Jahre rund 30.000 Euro für Reparaturarbeiten aus
Immer wieder ließ die Stadt den Muschelmann reparieren, zahlte dafür über die Jahre rund 30.000 Euro. Damit schaffte es die Plastik sogar ins Schwarzbuch des Steuerzahler-Bundes. Im Mai 2010 beschlossen Ahrensburgs Politiker, künftig kein Geld mehr in die Skulptur zu investieren. Schäden wurden seitdem nur noch notdürftig geflickt.
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Als Gutachter der Verwaltung im November 2019 zu dem Schluss kamen, dass neue Risse in der Fiberglas-Figur deren Standsicherheit beeinträchtigen, ordnete der damalige Bürgermeister Michael Sarach an, den „Muschelläufer“ aus Sicherheitsgründen zu entfernen. Die Statue wurde auf dem Bauhof eingelagert.
Wolke rechtfertigt den hohen Preis mit der zweifelhaften Prominenz seiner Schöpfung
In den Monaten darauf stritten die Stadt und Wolke darüber, wer die Kosten – nach Schätzung einer Spezialfirma aus Neumünster wären erneut 30.000 Euro notwendig gewesen – für die Reparatur zahlt. Im Januar einigten sich beide Seiten schließlich, dass Wolke den „Muschelläufer“ zurücknimmt, während Ahrensburg auf alle Ansprüche an dem Werk verzichtete.
Nun sollen Käufer für den „Muschelläufer 2.0“ rund fünfmal so viel zahlen, wie seinerzeit die Ahrensburger Rotarier. „Ein Kunstwerk, das so stark polarisiert und so viele Geschichten in den letzten Jahren angesammelt hat, darf in dessen Außenwirkung selbstverständlich mit der gebotenen Monetarisierung, dem öffentlichen Interesse und künstlerischem Erfolg entsprechen“, rechtfertigt Wolke den Preis.
Wolke will eine Rückkehr des „Muschelläufers“ nach Ahrensburg nicht ausschließen
Nicht nur der „Muschelläufer 2.0“ ist für 129.000 Euro zu haben. Zusätzlich hat der Bildhauer auch zwölf Miniatur-Nachbildungen gefertigt. Die 16 mal 16 Zentimeter großen Bronzen sind numieriert und vom Künstler signiert. Für 1290 Euro pro Stück können sie unter info@martinwolke.de bei Wolke bestellt werden.
Ob es bereits Kaufinteressenten gibt, beantwortet der Bildhauer nicht. Auf Facebook wurde jedenfalls bereits fleißig diskutiert, nachdem zwei Dänemark-Urlauberinnen aus Ahrensburg Fotos der Skulptur gepostet hatten. In den Kommentaren geben sich auch Fans des „Muschelläufers“ zu erkennen. „Wenn es mir aufs Geld nicht ankäme, dann stünde er in meinem Garten“, schreibt eine Nutzerin. „Meine Kinder fanden den blauen Mann auch toll“, sagt ein anderer Kommentator.
Wolke zumindest möchte eine Rückkehr seines Werks nach Ahrensburg nicht ausschließen. Er sagt: „Im privaten Bereich wäre das vorstellbar, mit der Stadtverwaltung hingegen hege ich keine Ambitionen.“