Ahrensburg/Lübeck. 42-Jähriger aus Ahrensburg wegen Steuerhinterziehung und Hehlerei vor Gericht. Staatsanwaltschaft macht ihm ein Angebot.

Fatic B. (Name geändert) wirkt konzentriert, als Staatsanwältin Esther Lazarus die Anklageschrift verließt. Ein hohes Maß an Konzentration ist auch notwendig, um bei all den Delikten den Überblick zu behalten, die dem 42-Jährigen vorgeworfen werden. Steuerhinterziehung, Hehlerei, Betrug, Urkundenfälschung und Unterschlagung sind nur einige der Tatvorwürfe, um die es seit Dienstag, 21. Mai, vor dem Schöffengericht am Amtsgericht Lübeck geht (Az. 725 Js 55324/16).

Als Chef eines Ahrensburger Autohauses soll der großgewachsene, schlanke Mann mit den kurzen, silbergrauen Haaren Kunden, Geschäftspartner und Behörden jahrelang betrogen und getäuscht haben. Dadurch entstand laut Anklage ein finanzieller Gesamtschaden von mindestens 353.000 Euro. Mehr als eine halbe Stunde dauert es, bis Lazarus alle 43 Anklagepunkte vorgelesen hat.

Gestohlene Autos verkauft: Staatsanwaltschaft bietet Autohaus-Chef Deal an

B. soll im Zeitraum zwischen dem 30. November 2014 und dem 15. Oktober 2020 wiederholt Fahrzeuge angekauft und in seinem Autohaus weiterveräußert haben, die zuvor gestohlen worden waren. An den Diebstählen selbst war der Unternehmer laut Staatsanwaltschaft nicht beteiligt, wusste aber um die Herkunft der von ihm angeboten Autos.

Um diese zu verschleiern, änderte der 42-Jährige in der seinem Autohaus angegliederten Werkstatt die Fahrzeugidentifikationsnummer (FIN). Die Zahlen- und Buchstabenfolge ist für jedes Fahrzeug einzigartig und ermöglicht es, dieses zweifelsfrei zu identifizieren. Um Betrug zu erschweren, wird sie auch ins Blech geprägt. Bei der Manipulation ging B. laut Anklage so geschickt vor, dass es nur mithilfe eines Sachverständigen noch möglich war, die gestohlenen Autos als solche zu erkennen.

Der 42-Jährige nutzte falsche Identitäten, um an Darlehen zu gelangen

Darüber hinaus soll der 42-Jährige mehrere Autos zur Finanzierung sowie Bankkredite erworben haben, ohne die gewährten Darlehen anschließend zu begleichen. Dazu nutzte er demnach gefälschte Identitäten und Papiere. Teilweise überredete er auch Bekannte, die Finanzierungsverträge auf ihren Namen abzuschließen.

Die Autos, alles hochwertige Modelle der Hersteller BMW, Mercedes und Audi, habe der Angeklagte auf sich zugelassen und selbst genutzt, so Lazarus. B. habe von Beginn an nie die Absicht gehabt, die geforderten Raten zu bezahlen. Stattdessen habe er auch hier die FIN geändert oder die Fahrzeuge versteckt, um eine Beschlagnahmung durch die Gläubiger zu verhindern.

Der Unternehmer manipulierte Bilanzen, um seine Machenschaften zu vertuschen

Um seine kriminellen Machenschaften zu verbergen und die in Wahrheit sehr angespannte finanzielle Lage des Autohauses zu vertuschen, soll der Ahrensburger über Jahre hinweg Geschäftsunterlagen und Bilanzen manipuliert haben. Umsatzsteuererklärungen und -voranmeldungen soll der Unternehmer nicht, zu spät oder vorsätzlich falsch abgegeben und so das Finanzamt um Steuern im sechsstelligen Bereich betrogen haben.

Bereits 2016 hatte das Amtsgericht Reinbek ein Insolvenzverfahren gegen das Autohaus eröffnet, es mangels eines die Kosten des Verfahren deckenden Firmenvermögens aber eingestellt. Die wahren Vermögenswerte der GmbH soll B. vor dem Gericht und dem Insolvenzverwalter verborgen haben. Später gründete der Unternehmer eine neue Gesellschaft und führte das Autohaus unter anderem Namen weiter.

Frühere Geschäftsführerin des Autohauses sitzt mit auf der Anklagebank

Offiziell als Geschäftsführer war B. laut Anklage lediglich zwischen 2015 und 2016 aktiv. In der Zeit danach soll der 42-Jährige im Handelsregister verschiedene Strohmänner und -frauen auf dieser Position eingetragen haben, darunter seinen im Kosovo lebenden Bruder. In Wahrheit habe aber nie eine dieser Personen die Verantwortung für die Geschäfte gehabt, diese habe bei B. gelegen, der über die gesamte Zeit alleiniger Gesellschafter der von ihm gegründeten Unternehmen gewesen sei, so Lazarus.

Eine jener Strohpersonen, die 39 Jahre alte Jacqueline K. (Name geändert), sitzt neben B. auf der Anklagebank. Die Hamburgerin war laut Papieren von August 2016 bis August 2017 als Geschäftsführerin des Autohauses für Fatic B. tätig. Laut Staatsanwaltschaft handelte es sich um eine Scheinbeschäftigung. Die Anklagebehörde legt der gelernten Friseurin zur Last, während ihrer Tätigkeit im Autohaus in 13 Fällen für die Buchführungsdelikte und Steuerhinterziehungen mitverantwortlich gewesen zu sein.

Amtsgericht Ahrensburg verurteilte Fatic B. Ende März wegen Betruges

Fatic B. ist für die Justizbehörden kein Unbekannter. Erst Ende März hatte das Amtsgericht Ahrensburg den 42-Jährigen zu dreieinhalb Jahren Gefängnis verurteilt. Damals ging es um Betrug in sechs Fällen und Unterschlagung. Der Unternehmer soll zwischen November 2017 und September 2020 Versicherungen um mehr als 140.000 Euro geprellt haben, indem er mit den Autos, die Kunden zur Reparatur in seine Werkstatt brachten, Unfälle fingierte.

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Anschließend soll er die Schäden unter Nutzung der Namen und Daten seiner Kunden selbst bei den Versicherungen angemeldet und Reparaturkosten und Schadenzahlungen (die Wagen der Unfallgegner waren auf seine Mitarbeiter oder deren Angehörige zugelassen) einkassiert haben. Gegen das Urteil aus Ahrensburg hat der 42-Jährige Rechtsmittel eingelegt. Bereits 2018 war der Unternehmer wegen Betruges in fünf Fällen zu einer Freiheitsstrafe von fünf Monaten verurteilt worden.

Staatsanwaltschaft bietet dem 42-Jährigen im Falle eines Geständnisses einen Deal an

Vor Gericht sagten am Dienstag zunächst noch keine Zeugen aus. Auch die beiden Angeklagten äußerten sich nicht. Stattdessen zogen sich die Prozessbeteiligten nach Verlesung der Anklageschrift zu Beratungen über eine Verständigung hinter verschlossene Türen zurück. Es geht dabei um die Frage, ob B. im Gegenzug für ein Geständnis Zugeständnisse bei der Zumessung einer möglichen Strafe bekommt.

Am Ende der Beratungen legte die Staatsanwaltschaft einen Deal auf den Tisch: Der 42-Jährige soll 90 Prozent der Anklagepunkte einräumen, außerdem die von ihm vor dem Finanzgericht eingereichten Einsprüche gegen Steuerbescheide zurückziehen, auf die Autos verzichten, die er sich widerrechtlich angeeignet hat und 50.000 Euro Steuern an das Finanzamt nachzahlen.

Amtsgericht hat weitere zehn Verhandlungstage bis Ende Juli terminiert

Im Gegenzug soll sich der Strafrahmen im Fall einer Verurteilung zwischen zwei Jahren und drei Monaten und maximal zwei Jahren und neun Monaten bewegen. Das Gericht unter Vorsitz von Richterin Corinna Wiggers erklärte sich einverstanden, sollten Staatsanwaltschaft und Verteidigung dem Deal zustimmen.

Staatsanwaltschaft und Amtsgericht haben ein hohes Interesse an einem Geständnis, da andernfalls ein Mammutprozess mit zahlreichen Zeugen auf die Justizbehörden zukommt. Jeder der 43 Anklagepunkte müsste einzeln behandelt werden. Vorsorglich hat das Gericht deshalb bereits zehn weitere Verhandlungstage bis Ende Juli terminiert. Außerdem sitzt ein Ersatzschöffe mit im Saal. Falls einer der beiden Schöffen längerfristig ausfallen sollte, könnte er einspringen, ohne dass das Verfahren von vorn beginnen müsste.

Angeklagter bittet um Bedenkzeit bezüglich des Angebots der Staatsanwaltschaft

Eine Entscheidung in Sachen Verständigung gab es am Dienstag zunächst nicht. Sein Mandant benötige noch Bedenkzeit, sagte B.s Verteidiger Merlin Böttcher. Eine Entscheidung, ob der 42-Jährige das Angebot der Staatsanwaltschaft annimmt, soll es geben, wenn das Verfahren am Freitag, 24. Mai, fortgesetzt wird.