Ahrensburg. Vom umstrittenen Ehrenbürger bis zur Schauspielerin: Historischer Arbeitskreis verrät bei Führung Interessantes und Kurioses.

Alte Friedhöfe sind Geschichtenerzähler. Hinter jedem Grabstein steckt ein Schicksal. Was es in Ahrensburg alles zu entdecken und berichten gibt, hat der Historische Arbeitskreis erforscht. Schon seit Jahrzehnten beschäftigt sich Bernd Reher mit den Lebensläufen von Ahrensburger Persönlichkeiten. Bei einem Rundgang am Sonnabend, 3. August, teilt er sein Wissen mit den Besuchern. Die Friedhofsführung beginnt um 14 Uhr und dauert etwa zwei Stunden.

Treffpunkt ist die Kapelle des bereits 1883 angelegten alten Waldfriedhofs (Hamburger Straße 160). Nach einer Einführung zur Geschichte und der Antwort auf die Frage, warum der Friedhof am Stadtrand liegt, geht es zu verschiedenen Grabstellen. Es werden Gräber von bekannten und nicht so bekannten Menschen aufgesucht. Zu den jeweiligen Personen gibt es kurze Beiträge über deren Leben.

Am 7. Juni 1883 war die erste Beisetzung auf dem Ahrensburger Waldfriedhof

Mit dem Bau der Schlosskirche 1594 wurde dort auch ein Friedhof angelegt. Für die vier Dörfer Bünningstedt, Wulfsdorf, Ahrensfelde und Woldenhorn gab es jeweils eigene Begräbnisplätze. Die steigende Bevölkerungszahl führte dazu, dass die Anlage 1823 vergrößert werden musste. Doch der Platz reichte nicht lange. Bei der Suche nach einer Alternative fiel die Wahl nach langen Debatten auf das Areal im Westen des Ortes. Am 7. Juni 1883 fand um 16 Uhr die erste Beisetzung statt von Christian Wilhelm Jacob Haase aus Ahrensfelde. Die Grabstätte der Familie ist bis heute erhalten geblieben.

Die Steinstatue mit der Aufschrift „Ich bin die Auferstehung“ stammt vom  Ahrensburger Künstler Jürgen Hinrich Block.
Die Steinstatue mit der Aufschrift „Ich bin die Auferstehung“ stammt vom Ahrensburger Künstler Jürgen Hinrich Block. © HA

Erst 1925 wurde die Totenkammer zu einer kleinen Kapelle umgebaut, die 1953 erweitert wurde. Auch die Fläche wuchs stetig, bis 1958 auf fast sechs Hektar. 1969 legte die Stadt den neuen Teil des Friedhofs am Bornkampsweg an. Seit 1995 verwaltet die evangelisch-lutherische Kirchengemeinde das gesamte Areal von rund 18 Hektar.

Alfred Rust (geb. 4. Juli 1900 in Hamburg, gest. 14. August 1983 in Ahrensburg), der bislang einzige Ehrenbürger der Stadt, ist einer der bekannten Einwohner, die ihre letzte Ruhe auf dem Friedhof gefunden haben. Der ausgebildeter Elektrotechniker machte sich einen Namen als Archäologe. 1930 reisten ein Freund und er mit dem Rad nach Syrien, wo sie die Höhlen von Jabrud entdeckten. Nach der Hochzeit 1934 lebte die Familie direkt am Ahrensburger Tunneltal. Dort fand er bei Grabungen Rentiergeweihe, Feuersteine, Werkzeuge und Knochen: der Beweis, dass dort Eiszeitmenschen gelebt und gejagt haben. Die Universität Kiel verlieh ihm 1940 die Ehrendoktorwürde. 1942 wurde Rust Professor.

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Heftig umstritten ist Rusts Mitgliedschaft während der NS-Zeit in der SS-Unterorganisation Ahnenerbe. Dadurch wurde er vom Militärdienst zurückgestellt, um seine Forschungen fortsetzen zu können.

Hellmuth von Mücke (geb. 25. Juni 1881 in Zwickau, gest. 30. Juli 1957 in Ahrensburg) war ein bekannter Offizier im Ersten Weltkrieg. Als Kapitänleutnant der im November 1914 im Indischen Ozean zerstörten „SMS Emden“ schlug er sich mit rund 50 Mann auf einer abenteuerlichen Route bis in die Heimat durch. In der Weimarer Republik war er Schriftsteller und Politiker in der NSDAP. 1929 trat er jedoch aus und engagierte sich im Deutschlandbund gegen die nationalsozialistische Propaganda.

Die „Ayesha“, mit der Hellmuth von Mücke die Flucht gelang, ist auf seinem Grabstein zu sehen.
Die „Ayesha“, mit der Hellmuth von Mücke die Flucht gelang, ist auf seinem Grabstein zu sehen. © HA

Die Nazis belegten von Mücke mit Schreib- und Redeverbot, zweimal kam er kurz in KZ-Haft. Als das Haus der Familie mit sechs Kindern auf der Insel Föhr 1934 zwangsversteigert wurde, zog sie nach Ahrensburg. Nach Kriegsende engagierte sich von Mücke gegen die Wiederbewaffnung der Bundesrepublik.

Katharina Brauren-Mayerhoff (geb. 21. April 1910 in Grabow, gest. 25. Dezember 1998 in Ahrensburg) war Schauspielerin, Hörspiel- und Synchronsprecherin. 1937 stand sie erstmals im Spielfilm „Madame Bovary“ vor der Kamera. Ein Karrierehöhepunkt war ihre Rolle als „Antoinette“ in der Fernsehverfilmung der „Buddenbrooks“ (1979). Auch in den Loriot-Filmen „Ödipussi“ (1988) und „Pappa ante Portas“ (1991) spielte sie mit. Ihr Ehemann Konrad Mayerhoff (1901 bis 1969) war ebenfalls Schauspieler

Dorle Rath (geb. 10. März 1921, gest. 9. Juli 1989) wurde 1946 bei einer Hochzeit als Sängerin entdeckt. Das NWDR-Tanzorchester Hamburg engagierte sie, später veröffentlichte sie Schlager wie „Barbara, Barbara, fahr‘ mit mir nach Afrika“, „Geld allein macht nicht glücklich“ und „Der Elefant“ für Helmut Zacharias. Es folgten Rollen in mehreren Musikfilmen.

Die Grabplatte der Ahrensburger Familie Rath.
Die Grabplatte der Ahrensburger Familie Rath. © HA

Ihre Eltern Dr. Hugo Rath (1876 bis 1940) und Veronika Rath (1883 bis 1938) führten in Ahrensburg ein Ambulatorium an der Waldstraße. Sie engagierten sich sozial, organisieren kostenlose Schuluntersuchungen, unterstützen arme Familien mit Essen und Kleidung. 1935 wird Hugo Rath von einem Richter als „verjudeter Deutscher“ denunziert, da seine Frau aus einer jüdischen Familie stammt. Aus Verzweiflung nimmt sich Veronika Rath mit 55 Jahren das Leben. Hugo Rath kommt darüber nicht hinweg, beginnt zu trinken und stirbt zwei Jahre später. Sohn Ulrich Rath (1919 bis 2007) floh 1948 in die USA. Vier Stolpersteine erinnern an der Waldstraße 8 an das Schicksal der Familie.

Jürgen Hinrich Block (geb. 25. Mai 1904, gest. 1. Oktober 2002) war ein Künstler, der nach dem Studium der Bildhauerei in Hamburg lebte und arbeitete. 1986 zog er nach Ahrensburg. Von ihm stammt die Steinstatue mit der Aufschrift „Ich bin die Auferstehung“, die auf dem alten Friedhof in der Nähe der anonymen Urnengräber steht. Auch das Werk in der Kapelle mit dem Satz „Der Tod ist immer unter uns“ stammt von ihm. Blocks Skulptur „Die Lesende“ steht in der Stadtbücherei. Außerdem fertigte er die Türgriffe am Eingang des Ahrensburger Rathauses an, auf denen das Wappen der Stadt zu sehen ist.

Reinhold Platz (geb. 16. Januar 1886 in Cottbus, gest. 15. September 1966 in Ahrensburg) arbeitete sich vom Schlosser zum Flugzeugkonstrukteur und leitenden Mitarbeiter der Fokker-Werke hoch. Unter seiner Führung entstanden mehr als 40 verschiedene Flugzeugmuster. Er konstruierte unter anderem den durch Manfred von Richthofen bekannt gewordenen Dreidecker Fokker Dr.I.

Friedhofsführung des Historischen Arbeitskreises Ahrensburg, Sa 3.8., 14 Uhr, Treffpunkt an der Kapelle, Hamburger Straße 160