Ahrensburg. Orte der Begegnung und Kommunikation: Wie die Ahrensburger Ruhestätten sich einem wirtschaftlich schwierigen Umfeld behaupten.
Am Eingang zum alten Friedhof Ahrensburg lohnt es, einen Moment innezuhalten. Vor der Begegnungsstätte, die zugleich Ruheraum und Treffpunkt mit Café für Besucher wie auch Verwaltungsgebäude ist, wurde ein kleiner japanischer Garten angelegt. Jedes Bestandteil der Komposition steht in seiner individuellen Schönheit für sich – und zugleich bieten Silberkiefer, Scheinbuche und japanischer Goldahorn, die aus einem Eichenstamm gearbeitete Holzskulptur, die Findlinge und der leise in großen Schalen plätschernde Brunnen ein sehr harmonisches Gesamtbild.
Joachim Gersch, der Verwalter des Ahrensburger Friedhofs, hat dieses japanische Ensemble gestaltet. Er sagt: „Ich mag die Klarheit asiatischer Gärten. In ihnen wird mit wenigen Elementen eine intensive Atmosphäre geschaffen, die sehr beruhigend wirkt. Das Augenmerk richtet sich auf das Wesentliche. Der Mensch kann die Schönheit im Einfachen erkennen.“
Stätte der Begegnung und Kommunikation
Die im Juli 2000 eingeweihte Begegnungsstätte als freundliches Entree mit Glasfassaden und ihr sorgsam gestaltetes Umfeld demonstrieren, dass der Ahrensburger Friedhof auch ein Ort für die Lebenden sein soll. Es hat einen tieferen Sinn, Besucher so zu empfangen, dass sie sich willkommen fühlen. „Heutzutage sollten Friedhöfe auch Orte der Begegnung und der Kommunikation sein“, sagt Joachim Gersch, der durch behutsame Veränderungen in den vergangenen 25 Jahren einen Friedhof gestaltet hat, der Platz für vielerlei Arten von Bestattungen bietet sowie abwechslungsreicher Park und Biotop mit großem Reichtum an Vögeln und Insekten ist – kurz: eine Umgebung, in der Menschen sich gern aufhalten.
1992 kam Gersch nach Ahrensburg, um zunächst nur die Leitung des kirchlichen Friedhofs zu übernehmen, der 1883 an der Hamburger Straße gegründet worden war, weil das Areal an der Schlosskirche nicht mehr ausreichte. 1995 wurde der benachbarte städtische Friedhof aus dem Jahr 1969, der chronisch defizitär war und Jahr für Jahr von Ahrensburg erheblich alimentiert werden musste, ebenfalls in die Verwaltung der Kirche übertragen.
Waldbestattungen werden immer beliebter
Seither arbeiten der alte und der neue Friedhof mit einer Gesamtfläche von etwa 20 Hektar und insgesamt rund 12.000 Grabstätten wie einer. Ein Team von nur drei Verwaltungsangestellten und elf Friedhofsgärtnern, ein Maschinenpark und die kontinuierliche Mitarbeit von Menschen aus den Stormarner Werkstätten machen den Betrieb so effizient, dass er kostendeckend ist. „Wir kommen ganz ohne Zuschüsse der Kommune aus“, sagt Gersch. Was heutzutage eher die Ausnahme als die Regel ist. Denn die Begräbniskultur hat sich gewandelt, und es gibt Alternativen zum Altvertrauten, so dass Friedhöfe sich oft neu erfinden müssen. „Waldbestattungen wurden anfangs belächelt. Heute ist das ernsthafte Konkurrenz“, erzählt Gerschs Stellvertreterin Andrea Sobbe.
Statistiken machen den Wandel deutlich. Im Jahr 2000 wurden in Ahrensburg 58 Prozent Sarg- und 42 Prozent Urnenbestattungen registriert, 2016 ist es radikal anders: 28 Prozent Sarg-, 72 Prozent Urnenbestattungen. Und von den 347 Bestattungen im Jahr 2000 entfielen 65,7 Prozent auf Familiengräber – in diesem Jahr sind es (bei aktuell 340 Bestattungen) 43,5 Prozent Familiengräber. Auf immerhin 28,8 Prozent kommt die sogenannte naturnahe Bestattung, die 2000 noch nicht erfasst wurde – Tendenz stark steigend. Sobbe: „Das sind zwar Ahrensburger Zahlen, aber der bundesweite Trend ist analog.“
Familiärer Zusammenhalt weniger ausgeprägt
Die Begräbniskultur, so Gersch, spiegele die gesamtgesellschaftliche Entwicklung. „Menschen sind durch ihre Arbeit mobiler und nicht mehr an einen Ort gebunden. Der familiäre Zusammenhalt ist weniger ausgeprägt.“ Das habe auch Folgen für Friedhöfe: „Viele Menschen wählen Grabstätten, die pflegeleicht sind, weil die Zeit fehlt, sich darum zu kümmern.“ Ein anderer Trend habe mit dem Kostenbewusstsein zu tun, sagt Gersch: „Viele entscheiden sich für namenlose Bestattungen.“
Dabei ist der Friedhofsverwalter davon überzeugt, dass es besser ist, einen erkennbaren Ort für seine Trauer zu haben. Deshalb sei es wichtig, Hinterbliebene und auch Menschen, die sich im Rahmen der Vorsorge für eine Grabstätte entscheiden wollen, ausgiebig zu beraten. „Wie nehmen uns in unseren Büros in der Begegnungsstätte viel Zeit dafür“, sagt Gersch. „Entscheidend ist am Ende aber meist eine Rundfahrt über den Friedhof – und das Gespür der Menschen dafür, den am besten geeigneten Ort selbst zu entdecken.“
Die Wahl des passenden Ortes den Menschen überlassen
Der Ahrensburger Friedhof ist so abwechslungsreich gestaltet, dass er viele Raum für individuelle Wünsche lässt. Es gibt die vertrauten Anlagen mit Einzelgräbern und Reihengräbern, doch der vorherrschende Eindruck ist Vielfalt. Die Idee der naturnahen Bestattung unter Bäumen und Baumgruppen oder auf Blumeninseln hat die Räume geöffnet. Es gibt Gärten, weite Rasenflächen und Naturwiesen, die von Büschen, Bäumen, Hecken oder Wald gesäumt sind und in Teilen wie englische Landschaftsparks wirken. Und es gibt auch besondere Anlagen wie den Garten der Kinder, wo unter japanischen Zierkirschen und Himalayabirken tot geborene oder früh verstorbene Kinder bestattet wurden – die Gräber sind bunt mit Spielzeug dekoriert.
Gersch sagt, ein Friedhof müsse auch Räume für die Trauerbewältigung. schaffen. „Aber oft sind die Menschen dabei auf sich allein gestellt. Wir möchten ihnen Hilfestellung anbieten auf dem Weg, wieder positive Gedanken in sich zu tragen, wenn sie den Ort der Trauer und des Gedenkens verlassen.“