Von GEORGIA WAHL Ahrensburg - Die Grünen haben ihren Antrag zurückgezogen, dem Forscher Alfred Rust die Ahrensburger Ehrenbürgerschaft abzuerkennen. Diesem Schritt war eine heftige Diskussion in der Stadtverordnetenversammlung vorausgegangen. Rust war seit Februar 1944 Mitglied der Waffen-SS und gehörte auch dem Verein Ahnenerbe an. Vor 35 Jahren war er zum Ehrenbürger ernannt worden, seit 17 Jahren ist er tot.
Die Grünen wollten mit ihrem Antrag die politische Diskussion über Rust in aller Öffentlichkeit führen. Schließlich meinten aber auch sie, dass zuerst die nationalsozialistische Vergangenheit des Archäologen genauer untersucht werden soll. Das sieht auch eine interfraktionelle Vereinbarung der Stadtverordneten vor.
Nach Bekanntwerden von Rusts Verbindungen zum Nazi-Verein Ahnenerbe und der Waffen-SS hatte die Stadt alle Veranstaltungen zum 100. Geburtstag des Forschers in diesem Jahr abgesagt. Die Ehrenbürgerschaft wurde zunächst nicht in Frage gestellt. Auf eine weitere Ehrung - nach Rust sollte der archäologische Wanderweg im Tunneltal benannt werden - wurde allerdings verzichtet
Einig waren sich die Parteien, dass die Stadt vor weiteren Schritten eine wissenschaftliche Aufarbeitung abwarten sollte. Bei einem Symposium im Herbst mit Historikern sollen Leben und Wirken Rusts unter die Lupe genommen werden.
Dass die Grünen mit ihrem Antrag diesen gemeinsamen Pfad verließen, bedauerte Bürgermeisterin Ursula Pepper. Auch Bürgervorsteher Hans Pahl (SPD) bezeichnete den Vorstoß als verfrüht, da Rusts Vergangenheit nur eine Rolle spielen würde, wenn aktuell eine neue Ehrung anstünde. Die Aberkennung der Ehrenbürgerrechte sei nur tragbar, wenn schuldhafte persönliche Verstrickungen im Dritten Reich ans Tageslicht kämen.
Für die CDU war der Grünen-Antrag sowieso nicht haltbar, da nach den Kommentaren zum Paragraphen 26 ("Ehrenbürgerrechte") im kommunalen Verfassungsrecht von Schleswig-Holstein die Aberkennung der Auszeichnung nach dem Tod eines Geehrten rechtlich nicht möglich ist. Dieses Recht sei mit dem Tod des Geehrten erloschen.
Für Matthias Meyer-Seitz (Grüne) war es trotzdem wichtig, dass sich die Rust-Diskussion "nicht nur in Leserbriefen" niederschlägt, sondern die Stadtverordneten auch Farbe bekennen. Da nach den Nürnberger Urteilen die Waffen-SS zu einer verbrecherischen Organisation erklärt wurde, habe er kein Verständnis für Rust mehr.
Meyer-Seitz kritisierte, dass Rust auch später, als keine Strafverfolgung mehr drohte, nie über diesen Teil seiner Vergangenheit gesprochen habe. "Ich habe daher Schwierigkeiten, noch einmal im Alfred-Rust-Saal eine demokratische Sitzung mitzumachen oder an der Rust-Büste im Rathaus vorbeizugehen", meinte Meyer-Seitz.
CDU-Fraktionschef Rudolf Beyrich verwies auf das Grundgesetz und die unantastbare Würde des Menschen. "Wir sind nun gezwungen, eine Diskussion zu führen, die die Würde, das Ansehen und die Ehre eines Menschen belastet", sagte Beyrich. Er sprach von der Eröffnung einer Hexenjagd, mit der das Ansehen eines Menschen geschändet und gebrandmarkt werde.
Für Beyrich ist es ein Gebot des Anstands, mit Sorgfalt und Ernst, gründlicher Vorbereitung und ohne vorschnelles Verurteilen zu argumentieren. Auf "perfide und infame Weise" suggeriere der Grünen-Antrag, dass bei Rust eine belastende Vergangenheit ans Licht kommen werde. "Belege werden nicht genannt", sagte Beyrich. Meyer-Seitz war bei seinen bundesweiten Recherchen in Archiven auf Papiere gestoßen, die Rusts freiwillige Mitgliedschaft in der Waffen-SS belegen. Beyrich mochte das nicht glauben. Aber falls das doch stimme, müssten Motive, Gründe und Umstände geklärt werden.
Für Beyrich ist inzwischen nachweisbar, dass der Archäologe nur sicherstellen wollte, seine Grabungen weiterführen zu dürfen. "Es bleibt somit nur ein beschädigter Alfred Rust, der selbst dann, wenn ihm überhaupt nichts vorzuwerfen ist, Schaden genommen hat", meinte Beyrich. Er verlangte, dass diejenigen, die belastendes Material haben, ihr Wissen offenlegen. "Beweislast liegt beim Ankläger", fügte Dieter Heidenreich (WAB) hinzu.
Für Hartmut Möller (SPD) ist es jedermanns Recht, Denkmale der Vergangenheit zu überprüfen. Ein Mensch müsse in seiner Ganzheit Vorbild sein, um ihn als Ehrenbürger zu behalten. Doch Rust habe Beziehungen spielen lassen, um unangenehmen Dingen aus dem Weg zu gehen.
Die SPD-Fraktionsvorsitzende Ursula Ebert war etwas vorsichtiger: "Die Diskussion über die Ehrenbürgerrechte hätte erst am Ende der Auseinandersetzung mit dem Thema stehen sollen." Auch in den Schulen müsse darüber gesprochen werden. Unter welchen Bedingungen wurde damals geforscht und gelehrt? musste man Vorteile nutzen, um Überleben zu können? Das seien die Fragen, die aufgearbeitet werden sollten.
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