Ahrensburg. Mit einst 2400 Beschäftigten war das Druckzentrum viel mehr als nur der größte Arbeitgeber in der Stadt. Ein Rückblick.
Nach mehr als 57 Jahren endet eine Ära in Ahrensburg: Die am 23. Juni 1967 von Verleger Axel Springer persönlich eingeweihte Druckerei schließt. Gut 20.800 Tage und Nächte waren Menschen und Maschinen ununterbrochen im Einsatz. Doch am Mittwoch, 31. Juli, ist aus wirtschaftlichen Gründen Schluss. Für immer.
Das Leben von Tausenden Familien aus Ahrensburg und Umgebung war eng mit der Druckerei verbunden. Mit 2400 Beschäftigten zählte sie Anfang der 1990er-Jahre zu den zehn größten Arbeitgebern in Schleswig-Holstein. Teilweise verbrachten dort mehrere Generationen ihr Arbeitsleben. Nicht selten im wöchentlichen Wechsel von Früh-, Spät- und Nachtschicht.
Springer-Druckerei in Ahrensburg schließt nach 57 Jahren
Von einem „Festtag in Ahrensburg“ berichtete das Hamburger Abendblatt im Juni 1967. Verleger Axel Springer habe an jenem Freitag das schleswig-holsteinische Landeskabinett und viele Angehörige des Bonner Diplomatischen Korps zu Gast gehabt. „Ministerpräsident Dr. Lemke war mit den Ministern, Botschaftern, Gesandten und ihren Damen auf Abstecherkurs von der Kieler Woche gegangen“, hieß es. Die „Landpartie“ durch Schleswig-Holstein habe Ahrensburgs idyllisches Renaissanceschloss und Europas modernste und leistungsfähigste Tiefdruckerei zum Ziel gehabt.
„Hausherr Axel Springer nahm den hohen Besuch zum Anlass, den imposanten Druckerei-Komplex offiziell seiner Bestimmung zu übergeben“, notierte der Reporter. Auf einem Foto stehen neben Springer der britische Botschafter Sir Frank Roberts und Ernst Naumann, Chef des Verlagshauses Ahrensburg.
Verlagshaus baute auch Werkswohnungen für seine Mitarbeiter
Das heutige Gewerbegebiet Nord war damals noch eine weitläufige Feld- und Wiesenfläche. Auf dem 215.000 Quadratmeter großen Springer-Gelände schufteten zeitweilig bis zu 1000 Bauarbeiter. Allein die Rotationshalle übertraf mit 165 mal 88 Metern alle bis dato bekannten Dimensionen. Um die Mitarbeiter der Druckerei unterbringen zu können, errichtete das Verlagshaus mit der Wohnungsbaugesellschaft Südstormarn in der Stadt auch Werkswohnungen.
Am 2. Mai 1982 stattete Axel Springer, der 1948 auch das Hamburger Abendblatt gegründet hatte, Ahrensburg erneut einen offiziellen Besuch ab: An seinem 70. Geburtstag legte er persönlich den Grundstein für die damals größte und modernste Offsetdruckerei Europas. Die Investitionssumme lag bei mehr als 300 Millionen Mark. Mit der Eröffnung 1984 avancierte das Druckzentrum zu einem wirtschaftlichen Aushängeschild der Schlossstadt. Anfang der 1990er-Jahre zählte die Firma mit mehr als 2400 Beschäftigten zu den zehn größten Arbeitgebern in Schleswig-Holstein.
Insgesamt wurden in Ahrensburg mehr als zwei Milliarden Abendblatt-Exemplare gedruckt
In einer Nacht konnten 1,2 Millionen Zeitungen gedruckt werden. Unter anderem gingen „Bild“ und „Welt“ an den Lkw-Rampen auf die Reise zu den Lesern. Und natürlich auch das Hamburger Abendblatt, das der Springer-Konzern Anfang 2014 an die Funke Mediengruppe verkauft hat. Alles in allem dürften in den vergangenen 40 Jahren mehr als zwei Milliarden Abendblatt-Exemplare in Ahrensburg produziert worden sein. Von diesem Mittwoch an übernimmt das Funke-Druckzentrum in Braunschweig den Auftrag.
Anfang der 2000er-Jahre investierte Springer noch einmal 365 Millionen Mark in die Modernisierung des Standorts Ahrensburg. Ein Hallenanbau mit 6700 Quadratmeter Nutzfläche wurde errichtet. Sieben leistungsfähigere Rotationsmaschinen stellten sicher, dass die Zeitungen von der ersten bis zur letzten Seite in Farbe gedruckt werden können. „Das ist ein klares Bekenntnis zum Standort, aber auch ein Bekenntnis zur Zukunft der Printmedien“, sagte der damalige Leiter der Offsetdruckerei, Herbert Woodtli, bei einem Besuch der Kreispräsidentin. Nebenan in der Tiefdruckerei, die Zeitschriften wie „Hörzu“ und „Auto Bild“ sowie Prospekte produzierte, wurden vier alte gegen zwei neue Rotationsmaschinen ausgetauscht.
Nachbar Prinovis stellte den Betrieb schon im Januar ein
Zu besten Zeiten liefen jede Woche fast 13 Millionen Zeitungen vom Band. Doch seit gut 15 Jahren sank mit den Auflagezahlen auch die der Mitarbeiter. Ende Januar dieses Jahres stellte die Bertelsmann-Tochter Prinovis den Betrieb der Tiefdruckerei ein. 2005 hatten die Axel Springer AG und Bertelsmann diese Sparte als Joint-Venture zusammengeführt.
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Weil sich Tiefdruck und Offset die Energieversorgung (Wasser, Strom, Druckluft, Wärme) teilten, hätte Springer nach dem Prinovis-Aus mehrere Millionen Euro in eigene Leitungen investieren müssen. Das war für den Konzern nicht zukunftsfähig. Zuletzt beschäftigte die Offsetdruckerei noch rund 100 Menschen. Bei Prinovis waren es 545. Dort gab‘s einen Sozialplan, der Großteil der Belegschaft wurde in neue Stellen vermittelt. Ältere Kolleginnen und Kollegen handelten Ruhestandsregelungen aus, andere wechselten in eine Transfergesellschaft.
Ausräumen der Hallen dauert noch bis Mitte 2025
In der Offsetdruckerei kümmert sich nun ein Kernteam um das Ausräumen der Hallen. „Bei der Größe dauert das entsprechend lange, wir rechnen damit bis Mitte nächsten Jahres“, sagt Christian Senft, stellvertretender Unternehmenssprecher im Springer-Konzern. Zunächst einmal müssen Betriebsstoffe wie Öl und Farben abgelassen und fachgerecht entsorgt werden. „Die Geräte stellen wir dem Gebrauchtmaschinenmarkt zur Verfügung“, sagt Senft. Interessenten können sie komplett oder auch teilweise übernehmen.
Auch über die künftige Nutzung der Gebäude hat es schon etliche Gespräche mit potenziellen Nachfolgern gegeben. Mehrere Unternehmen haben ihre Ideen bei Verwaltung und Kommunalpolitik vorgestellt. Die Stadt möchte auf jeden Fall weiterhin Gewerbe ermöglichen. Ein Bebauungsplan für das 29 Hektar große Areal ist in Arbeit. Fest steht auch, dass große Versandhändler wie Amazon, Speditionen oder Einzelhändler nicht erwünscht sind.
Und wer weiß: Vielleicht steht ja schon bald eine junge Frau oder ein junger Mann voller Tatendrang dort, wo Axel Springer vor 57 Jahren seine honorigen Gäste zum „Festtag in Ahrensburg“ begrüßte. Und läutet dann selbst eine neue Ära ein.