Glinde. Für Miriam Butkereit und Mascha Ballhaus, die ihre Karrieren beim TSV Glinde begannen, wird ein Traum wahr. Der Weg dahin war weit.

So langsam wird es ernst für Miriam Butkereit und Mascha Ballhaus. Die beiden Glinderinnen haben es geschafft: Sie stehen in der deutschen Auswahl für die Judo-Wettbewerbe bei den Olympischen Spielen in Paris. Der deutsche Judo-Kader bereitet sich derzeit in Frankfurt am Main vor. Der Zeitplan ist straff getaktet. Teambuilding und leichtes Training stehen auf dem Programm. Am Mittwoch, 24. Juli, erfolgt dann die Anreise mit der Bahn nach Paris, wo am Freitag die Spiele eröffnet werden.

Die Judoka haben einen schönen Veranstaltungsort. Ihre Wettkämpfe werden in der rund 8000 Zuschauer fassenden Arena Champ-de-Mars ausgetragen. Die temporäre Halle steht ganz in der Nähe des Eiffelturms. Mehr Paris-Feeling geht nicht!

Olympische Spiele: Glindes Judo-Asse wollen Paris erobern

Im Olympischen Dorf teilen sich Miriam Butkereit und Mascha Ballhaus ein Zimmer. Butkereit ist 30 Jahre alt, in Glinde aufgewachsen und beim TSV Glinde bis in die Weltspitze vorgedrungen. Ballhaus ist etwas mehr als sechs Jahre jünger, sie feiert gemeinsam mit ihrer Zwillingsschwester Seija am Sonnabend in Paris ihren 24. Geburtstag. Über viele Jahre hinweg sammelten die Ballhaus-Schwestern beim TSV Glinde im Jugendbereich nationale und internationale Medaillen.

JUDO Paris Grand Slam
Miriam Butkereit feiert ihren Finalsieg über die Französin Marie Eve Gahie beim Grand Slam 2024 in Paris. © picture alliance/dpa/MAXPPP | Thierry Larret

Maschas Zwillingsschwester Seija erfüllte ebenso die Voraussetzungen für eine Nominierung. Der Deutsche Judo-Bund entschied sich aber für eine andere Starterin. Nominiert ist sie als Ersatzkämpferin und Trainingspartnerin. Mascha Ballhaus erinnert sich noch an die Zeiten, als ihr der Altersunterschied von etwas mehr als sechs Jahren zu Miriam Butkereit noch gewaltig erschien. „Miriam war das große Vorbild für meine Schwester und mich. Sie war der Star beim TSV Glinde“, blickt sie zurück.

Am Sonntag wird es ernst für Mascha Ballhaus, drei Tage später für Miriam Butkereit

In Paris ist es nun die Jüngere, auf die zunächst alle Blicke gerichtet sein werden. Am Sonntag, 28. Juli steht in der Arena Champ-de-Mars der Wettbewerb in der Klasse bis 52 Kilogramm an, in dem Mascha Ballhaus als Weltranglisten-Achte durchaus Chancen hat, vorn mitzumischen, wenn es optimal läuft. Morgens um 10 Uhr wird die Vorrunde ausgekämpft, nachmittags um 16 Uhr geht es in der Finalrunde um die Medaillen.

BALLHAUS Mascha Team GER 3.Platz Bronze Medaille Judo Weltmeisterschaften 2024 in Abu Dhabi am 19.05.2024 in Abu Dhabi
Mascha Ballhaus setzt bei den Judo-Weltmeisterschaften 2024 in Abu Dhabi gegen die Französin Amandine Buchard einen Wurf an. © picture alliance / Laci Perenyi | Laci Perenyi

Es ist die Krönung einer langen Karriere. Mit vier Jahren stand Mascha Ballhaus gemeinsam mit ihrer Schwester erstmals in einem Dojo. Zwischendurch nahm sie auch Reitstunden, „aber Judo war cooler“. 2016 wechselten die Ballhaus-Zwillinge zur TH Eilbeck, um sich ganz auf ihre Leistungssport-Karriere konzentrieren zu können.

Beide schafften es in die Weltspitze, leben mittlerweile in München. Mascha ist Sportsoldatin bei der Bundeswehr und studiert an der Internationalen Hochschule Ernährungswissenschaften. Seija hat einen Job bei der Landespolizei Bayern.

Knie, Schulter, Hüfte: Mirium Butkereit hat eine Reihe an Operationen hinter sich gebracht

Drei Tage später, am Mittwoch, 31. Juli, ist dann Miriam Butkereit in der Klasse bis 70 Kilogramm an der Reihe, die in ihrer Kategorie ebenfalls Weltranglisten-Achte ist und schon gezeigt hat, dass sie gegen jede Gegnerin gewinnen kann. Mit von der Partie in der französischen Millionenmetropole wird auch Martina Butkereit sein. „Meine Mutter hat mir immer Halt gegeben, war eine große Stütze im Hintergrund und bei fast jedem Wettkampf dabei“, sagt Tochter Miriam.

Diverse Verletzungen, sportliche Rückschläge und vor allem die hauchdünn verpassten Olympia-Teilnahme in Tokio 2021 machten Miriam Butkereit in den vergangenen Jahren zu schaffen. Gedanken ans Aufhören kamen der Bundespolizistin trotz mehrfacher medizinischer Eingriffe an Knie, Schulter und Hüfte aber nicht in den Sinn. „Es lohnt nicht, sich über Dinge in der Vergangenheit aufzuregen, die man nicht mehr beeinflussen kann“, sagt die 30-Jährige mit einem Lächeln. „Lieber konzentriere ich mich auf Ziele in der Zukunft.“

Erfolgreiche Generalprobe: Miriam Butkereit siegt beim Grand Slam in Paris

Im Jahr 2015 begann sie mit der Ausbildung bei der Bundespolizei in Köln, startete aber weiterhin für den TSV Glinde. 2022 wechselte sie zum SV Halle. Die bisher größten sportlichen Erfolge feierte Butkereit dieses Jahr mit den Grand-Slam Siegen in Paris und Taschkent (Usbekistan). „Im olympischen Jahr in Paris vor Tausenden fanatischen Zuschauern gegen eine Französin zu gewinnen, war magisch“, schwärmt Butkereit. Nach 28 Jahren war sie zudem die erste Deutsche, die wieder das renommierte Turnier an der Seine gewinnen konnte.

TSV Glinde
Herzliches Verhältnis: Mascha Ballhaus (l.) und ihre damalige Trainerin Swenja Krosin im Jahr 2016. © privat | Privat

Die sportliche Entwicklung des Glinder Trios ist eng mit dem Namen Swenja Krosin verbunden. Als Trainerin betreute sie Mascha und Seija beim TSV Glinde neun Jahre lang bis zur Altersklasse U18, Miriam bis zu ihrem Umzug nach Köln. Dann bekamen die beruflichen Verpflichtungen die Oberhand. „Ich bin unglaublich stolz auf die Mädchen“, sagt die 43 Jahre alte Hamburgerin, die in führender Position für eine Werbeagentur arbeitet.

Ballhaus-Zwillinge trafen sich mit früherer Trainerin zu einer Runde um den Mühlenteich

Schulterklopfer verweist sie schnell in die Schranken. Die Anerkennung der Leistungen soll allein ihren ehemaligen Schützlingen gelten. Krosin: „Erst kürzlich habe ich zu Mascha gesagt: ,Du hast das Talent, du hast dir das alles erarbeitet. Ihr setzt euren Körper ein und investiert eure Freizeit.‘“ Sofern die Zeit es zulässt, gibt es ein Wiedersehen.

Wie vor Kurzem, als der Großvater der Zwillinge in Glinde seinen 90. Geburtstag feierte. Trotz aller terminlichen Verpflichtungen fanden Mascha und Seija Zeit, gemeinsam mit Krosin eine Runde um den Mühlenteich zu drehen.

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Auch die Rolle des Gymnasiums Glinde und bei Butkereit später auch die der Gemeinschaftsschule Wiesenfeld ist den drei Judoka – sobald die Sprache darauf kommt – bewusst. „Für Wettkämpfe wurden wir jederzeit freigestellt. Es wurden extra Termine eingerichtet, um Klausuren nachzuschreiben. Das hat uns allen viel geholfen“, lobt Mascha Ballhaus.

Wer den Olympioniken nacheifern will, hat beim TSV Glinde die Gelegenheit dazu

Stefanie Macholl vom Gymnasium Glinde erinnert sich: „Damals bekam ich ab und zu einen Zettel mit der Bitte um Freistellung, das war eigentlich nie eine große Sache“, sagt die Klassenlehrerin von Mascha und Seija. „Die beiden waren unter den Mitschülern und im Lehrerkollegium äußerst beliebt, sie zählten zu den Klassenbesten, ohne sich darauf etwas einzubilden.“

Übrigens: Für junge Talente hat die Judoabteilung des TSV Glinde ihr Angebot um eine weitere, vorrangig auf den Wettkampf ausgerichtete Trainingseinheit erweitert. Das zusätzliche Training richtet sich an die Altersklassen U11 bis U15 und an alle, die Lust auf eine noch intensivere Vorbereitung auf ihren ersten oder kommenden Wettkampf haben. Interessierte Judoka können sich per E-Mail (p.geburek@gmx.de) für dieses Training anmelden.