Glinde. Weltklasse-Judoka Miriam Butkereit aus Glinde kämpft um ihre letzte Olympia-Chance. Dass sie Weltklasse-Leute schlagen kann, hat sie bewiesen.

Wenn es um ihre Sportart geht, gerät Miriam Butkereit ins Schwärmen. „Beim Judo kann man sich so richtig auspowern“, strahlt sie. „Und es gibt immer etwas Neues, es wird nie langweilig. Man braucht schon Bewegungstalent. Wir sind keine Sprinter, aber wir müssen schnell sein. Wir sind keine Gewichtheber, aber wir machen Kraftübungen. Wir sind keine Turner, aber akrobatisch. Man könnte sagen, wir können vielleicht nichts richtig gut, aber dafür alles.“

Wie durch ein Wunder gibt es eine neue Chance

Seit Jahren mischt die 26-jährige Sportlerin vom TSV Glinde in der absoluten Weltelite mit. Doch zuletzt wurde ihre Liebe zum Judosport durch Verletzungen auf eine harte Probe gestellt. Schon Mitte 2019 musste Butkereit wegen einer Knieverletzung drei Monate pausieren und verlor im Duell um Olympia entscheidend an Boden. Als dann vor einem Jahr der Kader für die Sommerspiele in Tokio bekannt gegeben wurde, war die in Köln lebende Polizeimeisterin nicht mit dabei. Dann jedoch kam die Pandemie, die Spiele wurden verschoben, und wie durch ein Wunder eröffnete sich für Butkereit eine neue Chance. Nun jedoch schien sich das Drama zu wiederholen, als sie sich im November eine Verletzung an der rechten Schulter zuzog. „Im ersten Kampf bin ich dann direkt wieder auf diese Schulter gefallen, habe danach noch drei Kämpfe gemacht und bin Fünfte geworden“, erinnert sie sich. „Nach der EM war erst einmal vier, fünf Wochen Pause, da konnte ich gar kein Judo mehr machen, sondern nur noch Fahrrad fahren. Die ganze Muskulatur im Oberkörper, die ich mühsam aufgebaut hatte, war wieder weg.“

„Wenn eine Verletzung herausspringt, ist das halt so“

Butkereit kämpfte sich wieder heran, nur um gleich den nächsten Rückschlag hinnehmen zu müssen. Fünf Tage vor dem Masters Mitte Januar in Doha zog sie sich einen Außenbandriss im linken Fuß zu. „Das haben wir dann getaped, und dann ging es“, schildert die 26-Jährige, deren „Lachen eine ganze Judo-Halle füllen kann“, wie die „Hamburger Morgenpost“ kürzlich schrieb. Die aber auf der Matte von grimmiger Entschlossenheit und Härte gegen sich selbst angetrieben wird: „Ich bin halt ein Kämpfertyp, der aufs Ganze geht, und wenn dabei eine Verletzung herausspringt, dann ist das halt so.“

Die neuerliche Verletzung hatte Kraft gekostet. Während Butkereit in Doha früh ausschied, wurde ihre Konkurrentin Giovanna Scoccimarro (MTV Vorsfelde) Dritte und schien das Duell ums Olympia-Ticket in der Klasse bis 70 Kilogramm endgültig gewonnen zu haben. Bis die Glinderin nun beim Grand Slam in Tel Aviv mit dem größten Erfolg ihrer Karriere auftrumpfte und Silber gewann. Auf dem Weg ins Finale bezwang sie unter anderem die Nummer vier der Welt, Kim Polling aus den Niederlanden, sowie zum ersten Mal in ihrem Leben die Weltranglisten-Erste Marie-Ève Gahie (Frankreich). Und es wäre sogar noch mehr möglich gewesen. Wie unser Foto zeigt, war der Schultersieg im Finale gegen die Weltranglisten-Dritte Margaux Pinot (Frankreich) nur wenige Zentimeter entfernt.

Die Entscheidung fällt in Tiflis und Antalya

„Tel Aviv ist der erste Wettkampf in den vergangenen Monaten, aus dem ich ohne Verletzung herausgekommen bin“, atmet Butkereit auf. „Jetzt ist das Duell um Olympia wieder völlig offen. Wir sind gleichauf. Wir haben noch zwei Wettkämpfe, den Grand Slam in Tiflis (26. bis 28. März) und den Grand Slam in Antalya (1. bis 3. April). Da muss ich die Leistung von Tel Aviv bestätigen.“ Dass die Glinderin nachgewiesen hat, dass sie die Besten der Welt schlagen kann, könnte bei der Olympia-Nominierung ein Vorteil sein. Ansprüche formuliert Butkereit nicht, dafür kommen die beiden Konkurrentinnen viel zu gut miteinander aus: „Wir hätten es beide verdient. Giovanna ist so lieb zu jedem. Die tut keiner Fliege was zuleide.“

Olympia: Nach den Spielen ist vor den Spielen

Doch in den kommenden Wochen wird Butkereit sich weiter schinden, in bis zu zwölf Trainingseinheiten pro Woche für ihren Traum von den Olympischen Spielen. Damit im entscheidenden Moment die Reflexe stimmen. „Vieles spürt man beim Kampf instinktiv und reagiert darauf“, erläutert sie. Und dann sind da ja auch noch die Anweisungen von Trainer Costel Danculea auf der Tribüne. „Ihn höre ich im Kampf immer“, verrät die Glinderin. „Selbst wenn er in Düsseldorf unter 4000 Menschen sitzt.“

Und wenn es am Ende doch nicht mit Olympia in Tokio klappt? Dann wird sie sich auch nicht unterkriegen lassen. „Letztlich ist nach den Olympischen Spielen auch immer vor den Olympischen Spielen“, betont Butkereit, „egal ob ein Jahr oder vier Jahre später.“