Ahrensburg. An Rudolf-Kinau-Straße in Ahrensburg sollen vier Mehrfamilienhäuser entstehen. Anlieger halten das Projekt für unzulässig.
Der geplante Bau von 36 Sozialwohnungen an der Rudolf-Kinau-Straße sorgt in Ahrensburg für Streit. Der Verein Heimat möchte auf einem Grundstück neben der St. Johanneskirche vier Mehrfamilienhäuser errichten. Anwohner wollen das verhindern. Sie halten das Vorhaben an der Stelle für unzulässig. Knapp 20 Nachbarn haben ein gemeinsames Schreiben an Politik und Stadtverwaltung unterzeichnet, in dem sie einen Stopp für das Projekt fordern.
„Wir wurden überhaupt nicht beteiligt“, sagt Egbert Hupe, der das Anwohnerbündnis initiiert hat. „Wir haben durch Zufall erfahren, dass Bauantrag eingereicht worden ist.“ Die Bebauung des Grundstücks an sich wolle man gar nicht infrage stellen. „Es geht darum, was geplant wird, und auf welchem Weg“, betont der Ahrensburger.
Sozialwohnungen in Ahrensburg geplant: Nachbarn wollen Projekt verhindern
Auf dem Grundstück Rudolf-Kinau-Straße 13–15 befanden sich früher das Pastorat und das Gemeindehaus der benachbarten St. Johanneskirche. Außerdem war eine Kita in den Räumen untergebracht. Ende 2015 hatte die evangelisch-lutherische Kirchengemeinde Ahrensburg Grundstück und Gebäude an den Verein Heimat verkauft. Dieser wiederum vermietet es seitdem als Flüchtlingsunterkunft an die Stadt.
Wohnbebauung ist auf dem Areal schon lange geplant. Zunächst hatte Ahrensburg selbst beabsichtigt, das rund 3000 Quadratmeter große Grundstück zu kaufen. Ein entsprechender Vertrag lag bereit zur Unterschrift, doch das Geschäft platzte in letzter Minute.
Verein Heimat besitzt bereits 112 Wohnungen in Ahrensburg
Der gemeinnützige Verein Heimat, der in diesem Jahr sein 75-jähriges Bestehen feiert, hat es sich zur Aufgabe gemacht, in Ahrensburg bezahlbaren Wohnraum zu schaffen. Gegründet wurde er im Mai 1949 auf Initiative der damaligen Bürgermeisterin Erika Keck (CDU), um Wohnungen für Flüchtlinge aus den ehemaligen deutschen Ostgebieten und für ausgebombte Hamburger zu schaffen, die nach Kriegsende in großer Zahl in die Schlossstadt kamen.
Seit Anfang der 1950er-Jahre ist der Hauptzweck des Vereins die Schaffung günstigen Wohnraums für Rentner sowie seit einigen Jahren auch für andere Bevölkerungsgruppen, die sich keine frei finanzierte Wohnung leisten können. Seine Projekte finanziert der Verein durch Investitionskostenzuschüsse und Darlehen der Investitionsbank Schleswig-Holstein (IB.SH) über den ersten Förderweg für sozialen Wohnungsbau sowie aus durch Mieteinnahmen und Spenden generierten Eigenmitteln. Zurzeit gehören dem Verein 112 Wohnungen an den Straßen Am Neuen Teich und Fannyhöh.
24 der 36 geplanten Wohnungen sollen barrierefrei werden
Das Konzept für die Rudolf-Kinau-Straße, das vom Ahrensburger Architekturbüro Westphal + Berwing stammt, sieht vier Baukörper mit je zwei Vollgeschossen und einem ausgebauten Dachgeschoss vor. Eines der Gebäude wird unterkellert und erhält zudem einen Fahrstuhl. Gemeinsam mit den Erdgeschoss-Wohnungen in den anderen Häusern werden insgesamt 24 Einheiten barrierefrei sein.
„Pro Haus sind neun Wohneinheiten vorgesehen“, sagt Architekt Andreas Berwing. „Die Größenspanne liegt zwischen 39 und 55 Quadratmetern, die meisten bewegen sich aber im Bereich 39 bis 42 Quadratmeter.“ Die Wohnungen sollen über ein bis zwei Zimmer verfügen und sind für eine oder zwei Personen ausgelegt.
Günstiger Wohnraum in Ahrensburg: Verein investiert nach eigenen Angaben rund 6,5 Millionen Euro
Sie erhalten außerdem jeweils einen Balkon oder eine Terrasse. Die Gebäude werden um einen Hof gruppiert, auf dem sich 19 Pkw-Stellplätze befinden. Die Mieten sollen zwischen 6,50 und 6,80 Euro pro Quadratmeter liegen.
„Insgesamt investieren wir rund 6,5 Millionen Euro“, sagt Axel Bärendorf, Vorsitzender des Vereins Heimat. Allerdings würden davon 85 Prozent über Zuschüsse und Darlehen finanziert. „15 Prozent tragen wir selbst.“ Der Baustart sei für 2026 geplant. Ende 2027 sollen die Wohnungen bezugsfertig sein.
Sozialwohnungen: Nachbarn kritisieren Höhe und Volumen der geplanten Gebäude
Die Nachbarn kritisieren vor allem die Größe der geplanten Gebäude. „In Wucht und Umfang ist das, was hier geplant ist, schon extrem“, sagt Hupe. Besonders kritisch sehen die Anwohner, dass die Baugenehmigung nach Paragraf 34 Baugesetzbuch erteilt werden soll. Das ist möglich, weil es für das Gebiet keinen Bebauungsplan gibt. Dann gilt, dass ein Vorhaben zulässig ist, wenn es sich „in die Eigenart der näheren Umgebung einfügt“.
Genau das ist aus der Sicht von Egbert Hupe und seinen Mitstreitern nicht der Fall. „Im Umfeld gibt es lediglich Ein- und Zweifamilienhäuser mit einem Voll- und einem Dachgeschoss“, sagt er. Geschosswohnungsbau sei nicht vorhanden.
Genehmigung könnte einen Präzedenzfall für künftige Bauvorhaben schaffen
Die geplante Anordnung der Häuser am Grundstücksrand, die auf eine maximale Verdichtung ausgerichtet sei, führe in Kombination mit der Höhe zudem dazu, dass die künftigen Mieter von ihren Wohnungen und Balkonen aus freien Blick in die umliegenden Gärten hätten. „Die Privatsphäre ginge verloren, und die Grundstücke würden massiv in ihrem Wert gemindert“, befürchtet Hupe.
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Eine weitere Sorge der Anwohner: Eine Genehmigung für das Vorhaben könnte ein Präzedenzfall für künftige Bauprojekte sein. „Andere Bauherren könnten mit Verweis auf Paragraf 34 ebenfalls höhere Gebäude oder Geschosswohnungsbau durchsetzen“, warnt Hupe. „Dadurch würde sich der Charakter des gesamten Quartiers verändern.“
Verein Heimat weist Kritik der Anwohner an seinen Plänen zurück
Die Anwohner fordern, dass die Stadt ein reguläres Verfahren zur Aufstellung eines Bebauungsplans einleitet und die Nachbarn beteiligt. Bis der B-Plan rechtskräftig sei, müsse die Stadt eine Veränderungssperre verhängen.
Der Verein Heimat hält die Kritik für ungerechtfertigt. „Wir haben das Konzept in enger Abstimmung mit der Stadt entwickelt“, sagt der Vorsitzende Bärendorf. „Wir haben im Umkreis von 300 Metern eine Schule und eine Kirche. Beide Gebäude sind deutlich höher“, sagt der Diplom-Verwaltungswirt, der Bürgermeister von Ammersbek und Reinbek war. Auch das Pastorat und das Gemeindehaus, die sich derzeit noch auf dem Grundstück befinden, seien von der Dimension größer als die umliegenden Einfamilienhäuser. Die Anordnung der Gebäude ergebe sich aus Vorgaben des Brandschutzes.
Bezahlbarer Wohnraum in Ahrensburg: Aufstellung eines Bebauungsplans wäre aufwendig und teuer
Zudem liege bereits seit 2021 ein rechtskräftiger, positiver Bauvorentscheid für das Projekt vor. „Wir gehen deshalb davon aus, dass der Bauantrag bald genehmigt wird“, so Bärendorf.
Ein B-Plan-Verfahren lehnt der Verein ab. „Bis es abgeschlossen wäre, würden fünfeinhalb bis sechs Jahre vergehen“, sagt er. Zudem sei ein solches Verfahren mit immensen Kosten verbunden, die der Verein nicht stemmen könne. Einen B-Plan für ein einzelnes Grundstück neu aufzustellen sei auch wegen des Verwaltungsaufwands „Wahnsinn“, sagt Bärendorf.
Stadtverwaltung muss in den kommenden Wochen über den Antrag entscheiden
Der Vereinsvorsitzende bedauert zugleich, dass keine einvernehmliche Lösung mit den Nachbarn gefunden worden sei. „Leider ist es so, dass die meisten Menschen keine Veränderungen in ihrer Umgebung mögen“, sagt er. „Alle fordern mehr bezahlbaren Wohnraum, aber niemand möchte Sozialwohnungen in seiner Nähe“, kritisiert Bärendorf.
Wie es nun weitergeht, hängt von der Ahrensburger Verwaltung ab. Dort liegt der Bauantrag und muss genehmigt werden. Eine Entscheidung soll es in den kommenden Wochen geben.