Stapelfeld. Betreiber EEW legt Millionenprojekt auf Eis, obwohl Gebäude teilweise stehen. Die Gründe für die überraschende Entscheidung.

Das Unternehmen EEW Energy from Waste (EEW) hat bei der Klärschlamm-Monoverbrennungsanlage (KVA) in Stapelfeld die Notbremse gezogen und den Bau gestoppt. Grund sind extrem höhere Ausgaben auf der einen Seite und die zu erwartenden deutlich niedrigeren Einnahmen auf der anderen Seite. „Als Wirtschaftsunternehmen, das jeden Euro für Investitionen zuvor verdient haben muss, bleibt uns deshalb nur der einstweilige Stopp des Projektes“, sagt Timo Poppe, Vorsitzender der Geschäftsführung.

Das Abfallunternehmen mit 17 Standorten in Europa hat sich dazu entschieden, die KVA in Stapelfeld um zwei Jahre zu verschieben. Auf die Fertigstellung des neuen Müllheizkraftwerks (MHKW) mit einer Kapazität von jährlich 350.000 Tonnen hat diese Denkpause keine Auswirkungen. Noch in diesem Jahr sind Testläufe und die erste Müllaufgabe geplant. Mitte 2025 soll der Ofen dann den Regelbetrieb aufnehmen. Anschließend wird nebenan die alte, 1979 eingeweihte Müllverbrennungsanlage (MVA) stillgelegt.

MVA Stapelfeld: Baustopp für die Klärschlammverbrennung

Laut EEW sind die Investitionskosten bei der Klärschlammverbrennung um bis zu 50 Prozent gestiegen. Zuletzt war der Betreiber für beide Anlagen in Stapelfeld zusammen von 220 Millionen Euro ausgegangen. Andererseits seien die zu erwartenden Erlöse aus dem Klärschlammmarkt in jüngster Zeit drastisch eingebrochen. „Diese Entscheidung fiel uns nicht leicht, aber die derzeitigen Marktbedingungen und die erheblichen Kostensteigerungen lassen momentan keine andere wirtschaftliche und unternehmerisch verantwortungsvolle Wahl zu“, sagt Timo Poppe.

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EEW-Vorstandsvorsitzender Timo Poppe (CEO EEW-Gruppe): „Keine andere wirtschaftliche und unternehmerisch verantwortungsvolle Wahl.“ © Harald Klix | Harald Klix

Der Firmenchef führt die wirtschaftlichen Unsicherheiten auf mehrere Faktoren zurück. „Zum einen entfalten coronabedingte Lieferkettenstörungen und Lieferengpässe nach wie vor ihre Wirkung und führen zu erheblichen Verzögerungen und Kostensteigerungen. Zum anderen bestehen seit Beginn der Ukrainekrise allgemein Verknappungen in den Märkten, was die Materialkosten zusätzlich in die Höhe treibt.“ Zudem gibt es noch nicht einmal eine Handvoll Spezialisten, die die Technik für Klärschlammverbrennungen überhaupt anbieten.

Klärschlammverbrennung: In den nächsten zwei Jahren eine wirtschaftlich tragfähige Lösung finden

„Die Projektunterbrechung werden wir intensiv dafür nutzen, unsere Ausgangsposition sowohl auf der Investitions- als auch auf der Marktseite zu verbessern und eine für die EEW-Gruppe wirtschaftlich tragfähige Lösung zu finden“, sagt Poppe. „Unser Ziel ist und bleibt, für die Klärschlammerzeuger in Schleswig-Holstein einen umwelt- und ressourcenschonenden Verwertungsweg eröffnen zu
können.“

Gleichzeitig appelliert er insbesondere an die Kläranlagenbetreiber, für Klarheit im Markt zu sorgen: „In weniger als fünf Jahren müssen deutschlandweit die gesetzlichen Vorgaben für die Klärschlammverwertung erfüllt und muss Phosphor zurückgewonnen werden.“ Doch viele Klärwerke setzten weiter auf die landwirtschaftliche Verwertung. Mit dem Dünger landen unter anderem Medikamentenrückstände und Mikroplastik auf den Feldern.

Klärschlammverbrennung: Zwei EEW-Anlagen sind in Betrieb, zwei weitere folgen dieses Jahr

Die Betreiber der Kläranlagen vergessen, dass sich dieser Entsorgungspfad bis 2029 schließe, so Poppe. Bis dahin müssten Kapazitäten für die Verbrennung und das Phosphorrecycling aufgebaut werden. Für diese Millioneninvestitionen fehle es derzeit an Planungssicherheit.

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Die EEW-Gruppe hatte bereits 2017 mit der thermischen Klärschlammverwertung ein weiteres Geschäftsfeld etabliert. „Wir haben Genehmigungsverfahren an fünf Standorten erfolgreich abgeschlossen. Zwei Anlagen sind bereits in Betrieb, und zwei weitere werden noch in diesem Jahr folgen“, sagt EEW-Vorstandsmitglied Joachim Manns. In den fünf Anlagen wird EEW etwa 600.000 Tonnen Klärschlamm-Originalsubstanz entsorgen können. Umgerechnet in Trockensubstanz (circa 24 Prozent) entspricht das rund 144.000 Tonnen.

Recycling von Phosphor aus dem Klärschlamm wird Pflicht

Die KVA Stapelfeld hat eine Jahreskapazität von 32.500 Tonnen Trockensubstanz (etwa 135.000 Tonnen Originalsubstanz). Aus der Asche soll der knappe Rohstoff Phosphor recycelt werden. Das ist in zwei Schritten ab 2029 und 2032 gesetzlich vorgeschrieben. Ursprünglich sollte die Anlage bereits 2022 in Betrieb gehen.

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Das Müllheizkraftwerk wird wie vorgesehen zu Ende gebaut und soll Mitte 2025 in Betrieb gehen. © EEW Energy from Waste | EEW Energy from Waste

In Schleswig-Holstein liegen jetzt die beiden geplanten Projekte auf Eis. Die Müllverbrennung Kiel hatte die Ausschreibung für eine Klärschlammverbrennungsanlage mit integrierter Phosphorrückgewinnung wegen der Kostenexplosion bereits im Dezember 2022 aufgehoben. Geplant war dort eigentlich eine Inbetriebnahme für 32.000 Tonnen Trockensubstanz im Jahr 2025.

Beratungsunternehmen sieht Umsetzung der Klärschlammverordnung in Gefahr

Das auf Umwelt- und Energietechnik spezialisierte Beratungsunternehmen Ecoprog sprach bereits vor einem Jahr davon, dass wegen der branchenübergreifenden Finanzierungsprobleme die Umsetzung der Klärschlammverordnung in Gefahr sei. Laut der Marktstudie „Kommunale Klärschlammentsorgung 2035“ waren im Vorjahr deutschlandweit 36 Monoverbrennungsanlagen in Betrieb. Weitere 54 Projekte waren geplant oder schon in Bau. „Aktuell werden auch Projekte überprüft, deren Realisierung wir bislang als sicher angenommen haben“, sagte Ecoprog-Geschäftsführer Mark Döing.

Aus Sicht des Beratungsunternehmens verließen sich die kleineren Kläranlagen darauf, dass ihre Klärschlämme auch künftig unbehandelt in der Landwirtschaft eingesetzt werden dürfen. Von knapp 9000 Kläranlagen in Deutschland haben mehr als 8000 eine Kapazität von bis zu 50.000 Einwohnerwerten. Sie sind vom Ausbringungsverbot nicht betroffen, was sich aber möglicherweise ändern könne. Dann wären unter Umständen zu wenig Verbrennungskapazitäten vorhanden.