Bad Oldesloe. Kreispolitiker und Kita-Träger aus Stormarn kritisieren Vorschaltgesetz des Sozialministeriums. Das sind die wesentlichen Bedenken.

Während Schleswig-Holsteins Sozialministerin Aminata Touré die jüngste Einigung in den Haushaltsverhandlungen auf Bundesebene als „starkes Paket für Kinder und Familien“ pries, wächst in Stormarn die Sorge, die Kita-Finanzierung stehe auch nach der Evaluationsphase für das neue Kita-Gesetz des Landes auf tönernen Füßen. „Wir sind konfrontiert mit einer finanziellen und personellen Krise, die unsere Kita-Landschaft schon seit Jahren vor ernsthafte Probleme stellt“, sagt die neue Kinderbeauftragte des Kreises, Kerstin Hinsch. Und wird hinsichtlich dieser Einschätzung von Mitarbeitern der Kreisverwaltung sowie Vertretern des Kreistags und der Kita-Träger unterstützt.

Touré hatte in ihrem Kommentar zu den Haushaltsberatungen des Bundestags vor allem die Erhöhung des Kinderzuschlags gelobt, der „Zehntausenden armutsgefährdeten Familien“ helfe, die gestiegenen Lebenshaltungskosten abzufedern. Die Erhöhung des Kindergeldes sorge für „weiteren finanziellen Spielraum“, durch die Erhöhung des Kinderfreibetrags hätten Familien künftig „mehr Netto vom Brutto“.

Kreis muss Finanzierungslücken weiterhin ausgleichen

Für das Land Schleswig-Holstein sei indes auch wichtig, dass der Bund zu seiner Kita-Finanzierung stehe. Ab 2025 sollen jährlich zwei Milliarden Euro für eine bessere Kita-Qualität in die Länder fließen. „Das gibt uns, den Kommunen und den Einrichtungen wichtige Planungssicherheit“, hatte Touré erklärt. Die 70 Millionen Euro des Bundes würden weiterhin gezielt dafür eingesetzt, um die Betreuungsqualität und Infrastruktur im Kita-Bereich zu verbessern.

Zwar läuft der Übergangszeitraum des neuen Kitagesetzes Ende dieses Jahres aus. Tourés Ministerium hat allerdings schon mal avisiert, dass das derzeit praktizierte Finanzierungssystem auch darüber hinaus beibehalten wird. Gemäß dem geplanten Vorschaltgesetz, das noch vor der parlamentarischen Sommerpause verabschiedet werden soll, muss der Kreis als Träger der öffentlichen Jugendhilfe Finanzierungslücken nach wie vor ausgleichen. Das betrifft insbesondere die Personal- und die Gebäudekosten.

Für 27 Kitagruppen gibt es Ausnahmegenehmigungen

Um Geld zu sparen, wird vom Sozialministerium unter anderem am Betreuungsschlüssel herumgeschraubt. Um zu einer größeren Flexibilität zu kommen, sollen künftig auch weniger als zwei Fachkräfte pro Gruppe zulässig sein. Das kommt im Grunde einem Eingeständnis gleich, dass angesichts des nach wie vor eklatanten Personalmangels in Kindertagesstätten der wünschenswerte Personalschlüssel ohnehin nicht flächendeckend umsetzbar ist.

Allein im Kreis Stormarn gibt es derzeit 27 Kitagruppen mit einer Ausnahmegenehmigung. Laut Anette Schmidt, Geschäftsführerin der Awo Soziale Dienstleistungen mit Sitz in Ahrensburg, dürfte die Dunkelziffer allerdings weit höher sein. Tourés Ministerium geht jedenfalls davon aus, dass zwei Fachkräfte nur selten bis nie zur Verfügung stehen. Deshalb will es den Personalkostenanteil des Landes pauschal um 7,5 Prozent absenken.

Finanzierungsrisiko in Millionen-Höhe droht

„Damit entsteht dem Kreis ein Finanzierungsrisiko, das im Ernstfall einen siebenstelligen Betrag aus machen kann“, sagt Björn Dührkoop, bislang Fachdienstleiter Kindertagesbetreuung bei der Kreisverwaltung in Bad Oldesloe. Weshalb der finanzielle Strukturausgleich vorerst nur auf die gebäudebezogenen Kosten beschränkt bleiben soll.

Doch auch der gestalte sich schwierig. Laut einer ersten Erhebung bei Einrichtungen und Trägern gebe es hier „gewaltige Differenzen“ zwischen alten und neuen Kita-Bauten. Hinzu komme, dass die landesweit einheitliche Gebäudekosten- und Nebenkosten-Förderung regionale Besonderheiten nicht berücksichtigt.

Sozialräume am Hamburger Rand haben höhere Kosten

„Dass Sozialräume im Hamburger Randgebiet von deutlich höheren Gebäudekosten betroffen sind, wird im derzeitigen Finanzierungssystem überhaupt nicht abgebildet“, so Dührkoop. Ob es hier im Zuge des Kita-Gesetzes zu Änderungen komme, sei angesichts des aktuellen Diskussionsstands nicht bekannt.

Für den Vorsitzenden des Jugendhilfeausschusses sorgt das Vorschaltgesetz jedenfalls nicht für eine erhoffte Klarstellung. „So gibt es für den Kreis, die Kommunen und die Kitaträger keine größere Sicherheit, um besser und verlässlicher planen können“, sagt Thomas Bellizzi (FDP). Die schwarz-grüne Landesregierung habe sich lediglich Zeit erkauft, um die Übergangsphase des neuen Kitagesetzes um weitere fünf Jahre zu verlängern.

Verlässliche Verträge mit Fachpersonal bleiben schwierig

Auch Anette Schmitt von der Arbeiterwohlfahrt, die im Kreis Stormarn 15 Kindertageseinrichtungen betreibt, darunter in den Städten Ahrensburg, Bargteheide, Glinde, Reinbek und Reinfeld, zeigt sich von den immer neuen Wasserstandsmeldungen aus dem Sozialministerium in Kiel genervt. „Wir baden weiter im luftleeren Raum“, so Schmitt. Wie auf dieser Grundlage verlässliche Verträge mit dem nötigen Fachpersonal geschlossen werden sollen, bleibe schleierhaft.

Bei all dem dürfe aber nicht übersehen werden, welch entscheidende Rolle eine qualitativ hochwertige Kita-Betreuung für die frühkindliche Bildung spiele, unterstreicht die Kinderbeauftragte des Kreises, Kerstin Hinsch. Das sei insbesondere für den Übergang in die Schulzeit wichtig, um deren Anforderungen rundum gerecht werden zu können.

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„Gute Kita-Betreuung und frühkindliche Bildung machen einen enormen Unterschied“, sagt auch Martin Habersaat, Landtagsabgeordneter aus Reinbek und bildungspolitischer Sprecher der SPD-Fraktion. Er sei zuletzt, ebenso wie andere Stormarner Landespolitiker, von mehr als 200 Eltern aus dem Kreis angeschrieben worden, die sich ernste Sorgen um die Stabilität der Kita-Beiträge machten und sich zudem ein verlässliches System wünschten.

„Hamburg fährt gerade mit einer Bildungsstudie nach der anderen große Erfolge ein, weil es flächendeckend alle Viereinhalbjährigen auf Förderbedarfe überprüft, kostenfreie Grundangebote macht und den Übergang von der Kita in die Schule verbessert hat“, erklärt Habersaat. Schleswig-Holstein verspiele hingegen Entwicklungschancen der nächsten Generation, wenn es hier nicht endlich nachziehe.