Ahrensburg. Kommen rechtliche Grundlagen für die Kinderbetreuung viel zu spät? FDP-Politiker fordert Rücktritt der Sozialministerin Aminata Touré.
Die Ankündigung von Sozialministerin Aminata Touré (Grüne), das neue Finanzierungssystem für die Kitas in Schleswig-Holstein erst im Herbst vorstellen zu wollen und die Abstimmung im Landtag gar erst Mitte Dezember folgen zu lassen, schlägt hohe Wellen. In der jüngsten Sitzung des Stormarner Jugendhilfeausschusses drohten Vertreter der Kita-Träger jetzt damit, vorsorglich Insolvenz anzumelden, weil ein Weiterbetreiben der Einrichtungen unter diesen Vorzeichen wirtschaftlich nicht zu verantworten sei. „Wenn es erst 14 Tage vor Inkrafttreten Klarheit über die neuen rechtlichen Grundlagen gibt, ist eine seriöse Personal- und Finanzplanung für 2025 und die Folgejahre unmöglich“, sagt Anette Schmitt, Geschäftsführerin der Awo Soziale Dienstleistungen Stormarn, die im Kreis 15 Kitas in sechs Kommunen betreibt.
Der DRK-Kreisverband Stormarn, der im Kreis derzeit 20 Kitas betreibt, beurteilt die Situation ebenfalls als dramatisch. „Für unsere Kindertagestätten benötigen wir unbedingt Planungssicherheit, wie es 2025 weitergeht und wer uns bei nicht auskömmlichen Fördersätzen wie absichert“, erklärte Vorstand Sibylle Schulze. Anderenfalls könne man den Angestellten und den Familien der Kinder einen Fortbestand der Einrichtungen nicht zusagen.
Träger fordern Zusage für die Defizit-Finanzierung
Spätestens im April benötigten die Träger eine Absicherung der Defizit-Finanzierung durch den Kreis und die Kommunen, da eine Anpassung des Standardqualitätskostenmodells durch das Land frühestens im Dezember zu erwarten sei. Sollte es die Absicherung nicht geben, müsste der DRK-Kreisverband die Abgabe der Trägerschaft für 2025 vorbereiten und die Verträge für Mieten und Lieferanten kündigen. Hinsichtlich einer Insolvenzbeantragung lasse sich der Träger bereits juristisch beraten.
Der gegenwärtige Kita-Bedarfsplan ist bis 31. Dezember dieses Jahres befristet. Neue Leistungsaufträge sind bislang noch nicht vergeben worden. Reichte der Kreis früher den Finanzierungsanteil des Landes an die Kommunen weiter, so soll er fortan selbst die Regie über die Geldflüsse übernehmen, also auch den Kostenanteil von den Kommunen einziehen.
Anmeldeverfahren fürs neue Kita-Jahr stehen bevor
Das wäre ein erheblicher Mehraufwand in der Kreisverwaltung, für den es bislang keine klaren Spielregeln gibt. In besagter Sitzung des Jugendhilfeausschusses offenbarten die Verwaltungsvertreter denn auch, sie wüssten selbst nicht so recht, wie es nun weitergehen soll. Nach Ansicht von Carsten Reichentrog, Fachbereichsleiter Jugend und Schule, müsse spätestens vor den Sommerferien geklärt sein, wie vorzugehen sei.
Aus Sicht der Kita-Träger wäre aber selbst das viel zu spät. „Wir hätten eigentlich bis 31. Dezember 2023 Rechtssicherheit gebraucht“, sagt Anette Schmitt. Die Anmeldeverfahren für das nächste Kita-Jahr stehen vor der Tür, ohne dass es bislang Verhandlungen über neue Finanzierungsvereinbarungen und Leistungsaufträge gegeben habe.
Konditionen für neue Verträge bleiben zu lange unklar
„Der Kreis will die alten Verträge dem Vernehmen nach zwar fortschreiben. Er kann aber nicht sagen, zu welchen Konditionen, das ist unmöglich“, legt Anette Schmitt nach. Doch genau diese Kennzahlen seien ausschlaggebend für den Abschluss von Miet-, wie Arbeitsverträgen.
Zwar hat die Sozialministerin angekündigt, Mitte dieses Monats erste Erkenntnisse aus der Evaluierungsphase des neuen Kita-Gesetzes und erste Ableitungen für das neue Finanzierungssystem vorzustellen. Doch Schmitt bezweifelt, dass die Evaluierung eine realistische Einschätzung des wahren Finanzbedarfs für die Einrichtungen ermöglicht.
Kita verzeichnen massive Unterfinanzierung durchs Land
„Wir als Träger sind zu den konkreten Kosten des Kita-Betriebs jedenfalls nie direkt befragt worden“, moniert die Awo-Chefin. Die Aufwendungen seien überall, nicht zuletzt durch die gesetzlichen Verpflichtungen aus dem neuen Kita-Gesetz, deutlich gestiegen, ohne dass die erhebliche finanzielle Mehrbelastung bislang durch das Land aufgefangen worden sei. Ihren Angaben zufolge verzeichneten viele Einrichtungen ein deutliches Minus pro Jahr, das sich zwischen 50.000 und bis zu 400.000 Euro bewege.
„Tatsache ist aber, dass bislang oft die Kommunen die Differenz zwischen den Landeszahlungen und den tatsächlichen Kosten über ihren Pflichtanteil hinaus kompensiert haben“, bestätigt der Vorsitzende des Jugendhilfeausschusses, Thomas Bellizzi (FDP). Diese strukturelle Finanzlücke müsse endlich geschlossen werden.
Frage eines Strukturausgleichs muss geklärt werden
Zudem müsse schnellstens auch die Frage eines Strukturausgleichs geklärt werden. „Es ist eine Tatsache, dass sich die Kitas im Hamburger Umland mit seinen hohen Mieten und Lebenshaltungskosten in einer schwierigen Konkurrenzsituation mit Einrichtungen in Hamburg befinden, wo oft höhere Gehälter gezahlt werden als in Stormarn“, so Bellizzi.
Die Kommunen fühlen sich durch die geplante Gesetzesänderung ohnehin getäuscht. „Mit der Kita-Reform war versprochen worden, dass Land und Kommunen sich die Kosten der Kitas in bestimmter Weise teilen“, sagte Jörg Bülow, Geschäftsführer des Schleswig-Holsteinischen Gemeindetages, bereits Ende vergangenen Jahres dem NDR. Aktuell sei es aber so, dass Städte und Gemeinden eine Reihe an Posten allein tragen müssten. Das dürfe sich auf keinen Fall bis Ende kommenden Jahres weiter hinziehen.
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„Wenn das Land all die Standards in seinem Kita-Gesetz nicht mehr bezahlen will oder kann, dann muss die Landespolitik entscheiden, welche Standards nicht mehr gelten sollen“, forderte Bülow. Ansonsten seien der Ausbau und die Aufrechterhaltung des Kita-Systems massiv gefährdet.
Für Thomas Bellizzi hat Aminata Touré ihre Eignung als Sozialministerin einmal mehr infrage gestellt. „Wochen und Monate wurden durch das Herauszögern des Zeitraums der Evaluierung verloren, das bringt Kitas, Kommunen und die Kreise völlig unnötig in Bedrängnis“, kritisiert der Liberale das Agieren Tourés harsch. So fahre die Grüne die an sich sinnvolle und nötige Reform an die Wand. „Wenn es noch eines Beweises ihrer Inkompetenz bedurfte, dann hat sie ihn jetzt geliefert. Sie sollte daraus die Konsequenz ziehen und zurücktreten“, fordert Bellizzi.