Stapelfeld/Rahlstedt. Die ehemalige Biologielehrerin Erika Semprich schwört im Kampf gegen die gefräßigen Besucher im Gemüsebeet auf ein natürliches Gegenmittel.
Rahlstedt/Stapelfeld Wenn nachts im Garten der Salat verschwindet und sich glitzernde Schleimbänder über die Beete ziehen, waren sie wieder am Werk: Nacktschnecken. In diesem Jahr sind besonders viele der glibberigen, gefräßigen Schleimer unterwegs. Schuld ist, wie so oft, das Wetter: Bereits im vergangenen Jahr hätten sich die Populationen der Nacktschnecken von den Dürrejahren 2018 bis 2022 erholt, sagen Experten vom Naturschutzbund (Nabu). Vor allem aber verschaffte der regenreiche Spätfrühling den Weichtieren optimale Bedingungen zur Vermehrung. Auch die kürzeren und wärmeren Winter würden ihren Anteil an der Schnecken-Schwemme haben.
Unter geplagten Gartenfreunden kursieren diverse Tipps: Diese reichen vom regelmäßigen Absammeln der Tiere und deren Eiern, über das Streuen von Kaffeesatz, Kalk und Sägespänen, bis zum Aufstellen von Barrieren wie scharfkantigen Kupferbändern. Beliebt ist auch die sogenannte Bierfalle, deren Effekt indes äußerst zweifelhaft erscheint. Zum einen kann die verführerisch duftende „Trinkhalle“ zusätzlich noch die Nacktschnecken vom Nachbarn herbeilocken. Zum anderen besteht die Gefahr, dass darin auch unter Naturschutz stehende Tiere wie Spitzmäuse ertrinken, die zudem Fressfeinde der Schnecken sind. Der Nabu rät eindringlich von „Chemiekeulen“ wie dem bekannten Schneckenkorn ab, da die teilweise enthaltenen Wirkstoffe für andere Tiere wie Igel und spielende Kinder gefährlich werden können.
Schafwolle dient im Garten als Wasserspeicher, Dünger und Schneckenschutz
Erika Semprich hat in diesem Jahr mit einem bislang kaum bekannten „Schnecken-Schreck“ experimentiert – und bemerkenswerte Ergebnisse erzielt. „Schafwolle ist nicht nur ein fantastisches Naturmaterial zum Stricken, sondern auch ein wahres Multi-Talent und wertvoller Rohstoff für den Garten“, sagt die seit 2019 beim „Haus der Wilden Weiden“ im Naturschutzgebiet Höltigbaum ehrenamtlich tätige Mitarbeiterin. „Wolle ist in der Lage, rund 60 Prozent des eigenen Gewichtes an Wasser aufzunehmen, zu speichern und langsam wieder an die Pflanzen abzugeben. Darüber hinaus enthält sie Kalium, Phosphor, Schwefel, Magnesium und Stickstoff“, erläutert die 70 Jahre alte ehemalige Realschullehrerin den Dünger-Effekt. Und was aufgrund der aktuellen Schnecken-Invasion für viele Hobby-Landwirte besonders interessant sein dürfte: Schafwolle im Beet verhindert, dass sich die gehäuselosen Weichtiere einmal quer durch die Rabatten fressen.
Erika Semprich sitzt an der Quelle – im Naturschutzgebiet leben 40 Bentheimer Landschafe
„Vor einigen Monaten habe ich einen Bericht über Wolle als Schnecken-Schutz gelesen und sofort erste Versuche gemacht“, berichtet die pensionierte Biologie- und Chemielehrerin, deren Familie früher eine eigene Landwirtschaft besaß. Dabei kam Erika Semprich zugute, dass sie beim „Haus der Wilden Weiden“ an der „Quelle“ sitzt. Anlässlich des Sommer-Haarschnittes der mehr als 40 im Höltigbaum lebenden Bentheimer Landschafe wurden die Felle in zwei Güteklassen sortiert: in hochwertige Wolle zur Weiterverarbeitung für unterschiedliche Textilien – und in die von Schäfern ob ihrer Verschmutzung durch Kot und Stroh als minderwertig und deshalb kaum vermarktbar eingestufte „Kackwolle“.
Verkauf von Wollresten im „Haus der Weiden Weiden“
Erika Semprich funktionierte die B-Qualität zum 1A-Produkt gegen Nacktschnecken um. „Im Prinzip gibt es zwei Arten der Anwendung: Entweder legt man mit der Wolle ein Vlies um die Pflanzen herum. Dabei ist es wichtig, die Fasern fest auf den Boden zu drücken, damit die Schnecken nicht unten durchkriechen können“, berichtet sie. „Außerdem besteht die Möglichkeit, das Pflanzloch mit der Wolle auszukleiden bzw. die Wurzelballen zu umwickeln.“ Das Ergebnis bleibt gleich: Schnecken schrecken davor zurück, sich trockenen Fußes fortbewegen zu müssen. Die von Erika Semprich umhüllten Walderdbeeren sind jedenfalls bislang allesamt in den Händen des Teams der „Stiftung Natur im Norden“ gelandet.
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Bereits beim vergangenen Schafschurfest hatten Hobbygärtner die Gelegenheit, Tüten mit Schafwolle samt Gebrauchsanweisung käuflich zu erwerben. Wer noch Bedarf am multifunktional einsetzbaren Naturprodukt fürs heimische Beet hat, kann kleine Mengen zum Preis von 3,50 Euro pro Päckchen zu den Öffnungszeiten des „Haus der Weiden“ (Eichberg 63, 22143 Hamburg) kaufen: Donnerstag und Freitag, 14 bis 18 Uhr; Sonnabend und Sonntag, 11 bis 18 Uhr. Preise für größere Wollsäcke auf Anfrage. Kontakt: info@haus-der-wilden-weiden.de