Grönwohld/Hamburg. Auch andere Promis wie Loki Schmidt, Udo Lindenberg und Uwe Seeler vertrauten Stephan Eichler. Wie der Pfleger zum Entertainer wurde.

Ein Gaukler ist ein Spaßmacher. Einer, der die Leute unterhält und zum Lachen bringt. Hektor der Gaukler ist eine Bühnenfigur. Er zaubert, bringt Luftballons in Tierform und erweckt Bauchrednerpuppen zum Leben. Mittlerweile ist Hektor für Entertainer Stephan Eichler zu so etwas wie sein Alter Ego geworden. So sehr, dass er auch privat nur noch als Hektor angesprochen wird. In Stormarn ist Hektor bekannt wie ein bunter Hund. Auf Festen und bei Auftritten zieht er mit seinen Aktionen Kinder und Erwachsene gleichermaßen in seinen Bann.

In Hamburg ist Stephan Eichler hingegen eher von seinen öffentlichen Auftritten als Hummel bekannt. Vor allem in dieser Rolle ist er vielen namhaften Persönlichkeiten wie Uwe Seeler, Ole von Beust und Udo Lindenberg begegnet. Dabei ist auch das ein oder andere private Gespräch zustande gekommen. Manches wurde unter dem Siegel der Verschwiegenheit an ihn weitergegeben. Doch es gibt auch Geschichten, die er gern erzählt.

Geheime Anekdoten: Promis und Politiker vertrauten Gaukler Stephan Eichler

Wie die, als er den ehemaligen Hamburger Bürgermeister Ole von Beust Ende Juni 2010 beim Sommerfest der Bürgerschaft traf. Eichler war dort in seiner Rolle als Hummel im Auftrag des Kümmelschnapsproduzenten Helbing. Der Helbing Kümmel wird im Rathaus bei offiziellen Anlässen ausgeschenkt. Doch an diesem Tag war etwas anders als sonst. Eichler: „Ole von Beust hat in der Öffentlichkeit beim Parlamentarischen Sommerfest Helbing getrunken. Laut Protokoll hätte er das aber nicht gedurft.“ Noch überraschter sei er gewesen, als der Bürgermeister ihn aufgefordert habe: „Jetzt gibst du mir noch einen.“

Stephan Eichler
Stephan Eichler in seiner Verkleidung als Hektor der Gaukler in seinem Fundus. Typisch Künstler, findet er sich auch im Chaos bestens zurecht. Wenn er neue Tricks ausprobiert oder für Rollen übt, ist Hund Räuber immer dabei. © Elvira Nickmann | Elvira Nickmann

Ob es an seinem verwunderten Blick gelegen haben mag? Jedenfalls lieferte von Beust prompt eine Erklärung für sein Verhalten. „Er hat mir ins Ohr geflüstert, dass er die Schnauze voll hat und abdanken wird.“ Eine brisante Information, „aber das durfte ich natürlich niemandem sagen“. Es sollte noch drei Wochen dauern, bis von Beust die Bombe platzen ließ und seinen Rücktritt bei einer Pressekonferenz bekannt gab.

Bundeskanzler Helmut Schmidt und seine Frau Loki spielten gern Skat

Dass Eichler einmal sein Geld als Alleinunterhalter und Zauberkünstler verdienen würde, zeichnet sich erst spät ab. Geboren 1960, wächst er auf der Hamburger Uhlenhorst auf. Seine Mutter stirbt früh, da ist der kleine Stephan gerade mal eineinhalb Jahre alt. Die Großeltern kümmern sich vorwiegend um den Jungen. Seine ersten Berührungspunkte mit der Zauberkunst hat er durch seinen Großvater. „Mein Opa Gerhard Eichler hat schon gezaubert.“ Er habe alte Zauberrequisiten besessen, die vom Hamburger Fachhandel Zauber Bartl stammten. „Die haben mich fasziniert.“ Nach dem Schulabschluss absolviert er im Krankenhaus St. Georg eine Ausbildung zum Krankenpfleger. Mit einem schelmischen Lächeln sagt Eichler: „Ich war Hamburgs jüngste Oberschwester.“ Als er 19 Jahre alt ist, hat er eine Freundin, deren Onkel Zauberer ist. „Durch ihn bin ich dann in die Zauberszene hineingerutscht.“ Gemeinsam mit anderen gründet er 1982 den Verein Magische Nordlichter.

Sein Vater ist Schulleiter und seiner ehemaligen Studienkollegin Loki Schmidt, Frau des damaligen Bundeskanzlers Helmut Schmidt, freundschaftlich verbunden. Die Schmidts sind in Eichlers Elternhaus gern gesehene Gäste. „Sie haben Skat gespielt und beide geraucht“, erinnert er sich. Gefragt, wie das Verhältnis der beiden zueinander war, sagt er: „Sie haben sich auch mal gezofft, aber immer wieder vertragen, das war ihnen ganz wichtig.“ Loki Schmidt ist Vorsitzende des Vereins Hamburger Freiluftschulen, sein Vater führt die Geschäfte. „Wenn wir mit Loki unterwegs waren, kamen manchmal Leute, die sie anfassten und fragten: ,Sind Sie es wirklich?‘“, erinnert sich Eichler. Berührungsängste habe sie nicht gehabt, das habe er sich von ihr abgeschaut.

Die Leibwächter von Loki und Helmut Schmidt stürzten auf die Bühne

Bei einer politischen Veranstaltung hat er einen Auftritt und holt Loki Schmidt, die mit Mann und zwei Leibwächtern in der ersten Reihe sitzt, auf die Bühne. Sie soll aus einem Glas Wasser trinken. Die Leibwächter sind alarmiert, stürmen auf die Bühne, wollen sie davon abhalten. Das Wasser könnte vergiftet sein. Loki Schmidt beruhigt sie, sie kenne den Künstler seit seiner Kindheit. Von seinem Platz aus verfolgt Bundeskanzler Schmidt amüsiert die Szene. Noch heute bewahrt Eichler in seinem Archiv einen kleinen Schatz aus dieser Zeit auf: die Briefe, die Loki Schmidt ihm persönlich geschrieben hat.

Noch bleibt die Zauberei ein Hobby. Eichler übernimmt die Leitung der Privatstation des Krankenhauses. Als man ihn aus dem Urlaub holt, weil die Station angeblich nicht besetzt sei, wird ihm alles zu viel. 1990 kündigt er den Klinikjob und baut seinen eigenen privaten Pflegedienst auf. Es wird der größte in Hamburg mit Zweigstellen in Stormarn. In der Spitze hat er 280 bis 300 Angestellte. Sogar seine frühere Chefin ist darunter. Parallel gründet er eine Veranstaltungsagentur, eine Entrümpelungsfirma und wird Gesellschafter eines Sportbekleidungsvertriebs. Er zaubert auf Straßenfesten, nennt sich Hektor der Gaukler, schlüpft auch in andere Rollen wie die der Krankenschwester Erna Nörgel Huber. Die Stadt Hamburg beauftragt ihn mit der Organisation einer abendfüllenden Zaubershow im Kongresszentrum CCH. Auf der Rückseite der Flyer macht er Werbung für seinen Pflegedienst. Die Auftritte werden mehr, es gibt Zeitungsberichte über ihn. Und schließlich fragt eine Agentur an, „ob ich für Helbing den Hummel machen will“.

Privates und geschäftliches Desaster trifft Stephan Eichler wie Blitz aus heiterem Himmel

Stephan Eichler als Hummel und Hektor der Gaukler
Hektor der Gaukler mit dem berühmtesten Fischverkäufer Hamburgs, Aale-Dieter © Staphan Eichler | Privat

Bei Festen und Galas unter anderem in der Fischauktionshalle, im Hansa Theater und im Hamburger Rathaus ist die Promidichte hoch. Er knüpft viele Kontakte, ein Foto mit dem Hummel als Hamburger Wahrzeichen macht sich immer gut. Zu seinem Bekanntenkreis zählen beispielsweise Henning Voscherau, Dagmar Berghoff, Eugen Block, Klaus und Klaus, Hannelore Hoger, Carlo von Tiedemann, der „König von St. Pauli“ Willi Bartels und Aale-Dieter. Es könnte nicht besser laufen für ihn. Doch dann ereignen sich 2001 zwei Dinge auf einmal, die ihm den Boden unter den Füßen wegziehen.

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Stephan Eichler: „Wenn du tief fällst, musst du dich wieder hocharbeiten“

Seine Frau verlässt ihn und nimmt die beiden gemeinsamen Kinder mit. „Zur selben Zeit wurde mein Pflegedienst von meinen eigenen Mitarbeitern unterwandert, die die Kunden auf einen neu gegründeten Pflegedienst umlenkten“, berichtet Eichler. Als er bemerkt, was da läuft, ist es zu spät. Er kann die Insolvenz nicht mehr abwenden. Er verliert alles, was er sich aufgebaut hat, das gesamte Firmengeflecht, seine Häuser und Ländereien. Sein Leben hat einen absoluten Tiefpunkt erreicht.

„Wenn du tief fällst, musst du dich wieder hocharbeiten“, sagt er. Jahrelang nimmt alle möglichen Jobs an, arbeitet in der Gastronomie, geht putzen, ist Platzwart auf einem Campingplatz, fährt Autoteile aus, gibt Zauberkurse und tritt weiter auf. „Irgendwann habe ich ein Schreiben vom Insolvenzgericht bekommen, dass alles vorbei ist.“ Inzwischen ist er als Mitarbeiter des Spielmobils beim Kinderschutzbund Stormarn angestellt. Dessen Geschäftsführer Oliver Ruddigkeit sagt: „Stephan Eichler hat die Gabe, mit Kindern interaktiv tätig zu sein. Überall wo er hinkommt, zieht er sie mit seinem Puppenspiel und Zaubereien in seinen Bann.“ Die Puppen sind Handpuppen, das Bauchreden hat er sich selbst draufgeschafft. Das Logo der Kinderhäuser, der blaue Elefant, prangt als Erkennungszeichen auf Hektors Kostüm.

Einen besonderen Draht hat Stephan Eichler zu den Bürgermeistern der Hansestadt

Stephan Eichler  als Hummel, auch bekannt als Hektor der Gaukler
Bei der Eröffnung der neuen Spielsaison im Hansa Theater legt Udo Lindenberg spontan vor Hummel Stephan Eichler ein Tänzchen aufs Parkett. © Stephan Eichler | Privat

Ende des Jahres beendet Stephan Eichler nach fast 20 Jahren seine Tätigkeit beim Kinderschutzbund. Inzwischen ist er so gefragt, dass er allein von seiner Kleinkunst gut leben kann. In seiner Rolle als Bauer Hektor macht er jedes Wochenende auf dem Landhof in Neu Wulmsdorf Führungen – vorausgesetzt, er hat keine anderen Termine. „Und Darboven möchte mich auch engagieren für die Horner Rennbahn.“

Als er nach Corona bei der Eröffnung der neuen Spielsaison im Hansa Theater auf Udo Lindenberg traf, fragte Eichler ihn: „Alter, kannst du noch so richtig tanzen?“ Lindenberg ließ sich nicht lang bitten und lieferte gleich einen Beweis. Besonders gern erinnert sich Eichler an die HSV-Ikone Uwe Seeler. „Der war ein herzensguter Mensch, er war bodenständig und stand zu dem, was er sagte.“ Als er ihm das letzte Mal bei einer Veranstaltung begegnet sei, habe Seeler gemeint: „Ich werde das nicht mehr erleben, dass der HSV aufsteigt.“ Er sollte recht behalten.

Was Stephan Eichler über Peter Tschentschers silbernen Knopf weiß

Politprominenz: 2016 zeigte sich der damalige Bürgermeister Olaf Scholz mit Hummel (Stephan Eichler, M.) und Bürgerschaftspräsidentin Carola Veit auf dem Parlamentarischen Sommerfest.
Politprominenz: 2016 zeigte sich der damalige Bürgermeister Olaf Scholz mit Hummel (Stephan Eichler, M.) und Bürgerschaftspräsidentin Carola Veit auf dem Parlamentarischen Sommerfest. © HA / Klaus Bodig | Klaus Bodig

Einen besonderen Draht scheint Eichler zu den Bürgermeistern der Hansestadt zu haben. „Peter Tschentscher kam bei einer Veranstaltung zu mir, griff in seine Hosentasche und holte einen silbernen Knopf raus.“ Diesen Talismann habe er von einem Schornsteinfeger bekommen, verriet Tschentscher, er sei sein persönlicher Glücksbringer. Warum er das Eichler erzählte, kann dieser nur vermuten: „Die Kleidung des Hummel erinnert an die eines Schornsteinfegers.“ Außer der Rolle gibt es noch etwas, das Eichler mit der Figur des Hummel verbindet: Beide sind Originale, wie es nur wenige gibt.