Bargteheide. Fahrlehrer und ADAC bieten speziellen Fahrfitness-Check für Ältere an. Wer daran teilnimmt, muss um den Führerschein nicht fürchten.

Senioren am Steuer: Sobald ältere Autofahrer einen Unfall verursachen, der die Aufmerksamkeit der Öffentlichkeit erregt, steht ihr Alter im Fokus. Nach solchen Vorfällen häufen sich in den sozialen Medien Kommentare, in denen gefordert wird, Senioren den Führerschein wegzunehmen oder in regelmäßigen Abständen ihre Fahrtüchtigkeit zu überprüfen. Bei der Generation Ü70 stoßen derlei Vorschläge auf wenig Gegenliebe. Viele fühlen sich wegen ihres Alters diskriminiert und zu Unrecht vorverurteilt. Die Befürchtung, den Führerschein abgeben zu müssen und damit ein Stück weit die eigene Unabhängigkeit zu verlieren, ist groß. Dieses Risiko besteht bei einem Fahrfitness-Check für Senioren, den sowohl ADAC als auch einige Fahrschulen anbieten, jedoch nicht.

Die EU-Kommission hatte sich im vorigen Jahr dafür ausgesprochen, dass Autofahrer ab 70 Jahren ihren Führerschein alle fünf Jahre verlängern lassen sollen und dazu die Erfüllung bestimmter Voraussetzungen wie Auffrischungskurse und bestandene Medizinchecks ins Spiel gebracht. Von solchen Zwangsmaßnahmen hält Rainer Pregla, Pressesprecher des ADAC Schleswig-Holstein, wenig. Er sagt: „Eine derartige Maßnahme wäre eine Ungleichbehandlung.“ Solange es medizinisch und technisch vertretbar sei, sollten Menschen selbstbestimmt leben können, so Pregla. „Die Entscheidung, ob man noch sicher im Autoverkehr unterwegs ist, fällt am Schluss jeder für sich selbst“, sagt er. Da kann eine professionelle Einschätzung der persönlichen Fahrfähigkeiten durch einen Experten eine gute Entscheidungshilfe sein.

Senioren am Steuer: Fahrfitness ganz ohne Risiko checken lassen

Nach Angaben von Pregla sind 22 Prozent der Bevölkerung in Deutschland älter als 65 Jahre, elf Prozent zählen zur Altersgruppe Ü70. Dass nicht Senioren, sondern Fahranfänger überproportional an Unfällen beteiligt seien, zeigten die von den Polizeibehörden vorgelegten Zahlen. „Wenn es keine Auffälligkeiten gibt, warum soll man dann ältere Fahrer in eine Extra-Prüfung stecken“?, fragt er. Solange es medizinisch vertretbar sei und durch Technik unterstützt ermöglicht werden könne, sollten Menschen selbstbestimmt Auto fahren können, so Pregla. Und weiter: „Zu unserem Konzept gehört ganz viel Vertrauen.“ Denn durch die öffentliche Debatte sei das Thema hochemotional, und viele Senioren seienverunsichert.

Dirk Bernot ist als Fahrlehrer bei der Fahrschule Schölermann in Bargteheide zuständig für die Klientel im fortgeschrittenen Alter. Er schätzt, dass etwa 60 Prozent aus eigener Initiative zu ihm kommen. Gefragt nach den Gründen, bekomme er oft so etwas zu hören wie: „Ich kann ja fahren. Aber die Nachbarn haben gesagt, sie fühlen sich nicht mehr so wohl damit, wenn ich losfahre.“ Mit einer Dame habe er beispielsweise die Abmachung, „dass ich mit ihr jedes Jahr einmal fahre. Sie ist 85 Jahre alt, und bis jetzt klappt das ganz wunderbar.“

Senioren am Steuer: Bei ADAC-Fahrsicherheits-Check fährt Fahrlehrer im Kunden-Pkw mit

Annemarie Freihube hat schon dreimal im Abstand von zwei Jahren am Fahrfitness-Check teilgenommen. Jedes Mal bescheinigt Fahrlehrer Alexander Erler der 78-Jährigen, dass sie sich guten Gewissens hinters Lenkrad setzen kann. Erler, Inhaber der Fahrschule Schwartau, zählt seit 2016 zu den vom ADAC ausgewählten Trainern, „die bei Bedarf dann auch in den nächsten oder übernächsten Landkreis fahren, um mit den Kandidaten die Fahrstunde nach deren Vorstellungen und Routen vorzunehmen“, erläutert Pregla. Zum Einzugsgebiet von Erler zählt unter anderem der Kreis Stormarn.

Fahrfitness-Check für Senioren
Annemarie Freihube hat den Fahrfitness-Check ohne Probleme bestanden. Dafür gibt‘s von Fahrlehrer Alexander Erler, der in Zusammenarbeit mit dem ADAC auch Fahrstunden in Stormarn anbietet, einen Daumen hoch. © Die Fahrschule Schwartau | Die Fahrschule Schwartau

Annemarie Freihube hat ihren Führerschein schon etliche Jahre. Sie sei immer davon ausgegangen, dass sie eine gute Autofahrerin sei. Trotzdem lässt sie ihre Fahrfähigkeiten regelmäßig gegenchecken. „Der Verkehr und die Mobilität haben sich stets weiterentwickelt. Natürlich möchte ich sichergehen, dass sich bei mir noch keine gravierenden Fehler eingeschlichen haben, die im schlimmsten Fall zu einer Unfallsituation führen und die hätten vermieden werden können“, sagt sie. Der Fahrfitness-Check biete die Möglichkeit, „eine neutrale Beurteilung zu erhalten und auch im hohen Alter sicher mobil zu sein – ohne die Gefahr, den Führerschein abgeben zu müssen“.

Senioren am Steuer: Die Angst vorm Führerscheinentzug nehmen

Auch der Fahrschule ist es wichtig, „dass wir der Altersgruppe die Angst nehmen, dass der Führerschein weggenommen oder eine Meldung an die Behörde weitergeleitet wird. Man kann nur Positives erfahren, es kann nichts passieren.“ Aus Sicht von Freihube „ist es toll, dass man den Check auch auf seinem eigenen Fahrzeug durchführen kann“. Für Erler heißt das, dass er anders als bei Fahranfängern nicht im Fahrschulauto, sondern auf dem Beifahrersitz des Klientenfahrzeugs Platz nimmt. Angst hat er nicht. „Das Fahrverhalten lässt sich recht gut in aller Ruhe verbal steuern“, meint er. „Wenn ich hektisch würde, würde sich das übertragen.“

Dirk Bernot nutzt zur Überprüfung der Fahrtüchtigkeit lieber das Fahrschulauto, seit er Zeuge wurde, wie ein 92-Jähriger im eigenen Pkw Gas und Bremse verwechselt und beim Einparken zwei Autos zusammengeschoben hat. Bernot hat aber auch schon einen 90 Jahre alten Mann erlebt, „der richtig gut gefahren ist“. Manchmal seien nicht die Fahrer oder deren Bekannte, sondern Familienangehörige die treibende Kraft.

Es gibt durchaus 90-Jährige, die noch immer gut Auto fahren können

Wie im Fall eines älteren Herrn, bei dem sich schon eine Demenz bemerkbar machte. Die Tochter begleitete ihn zur Fahrschule. Während der Fahrt erzählte er vom Zweiten Weltkrieg und wusste nach zwei Minuten schon nicht mehr, wohin er fahren sollte. Jede Baustelle oder Umleitung hätte dafür gesorgt, dass er die Orientierung verloren hätte.

In solchen Fällen, die durchaus nicht die Regel sind, ist Fingerspitzengefühl gefragt. „Die Älteren können zu 99 Prozent fahren“, so Erler. In den ganzen Jahren habe er nur zwei Personen erlebt, bei denen er die Fahrtüchtigkeit angezweifelt habe. Beiden habe er versucht aufzuzeigen, wie sie trotzdem mobil bleiben könnten. Bernot gibt Tipps an die Hand, nennt Alternativen. Manchmal springen die Enkel als Fahrer ein. Fallen die Kosten fürs Auto weg, sind Fahrdienste oder Taxifahrten leichter erschwinglich. „Die Leute sind so geschult, dass sie nicht belehren, sondern Empfehlungen aussprechen“, erläutert Pregla.

Senioren am Steuer: Viele Fahrer kennen ihren Wagen und kommen perfekt damit zurecht

Für Erler ist das Vorgespräch wichtig. „Wir fragen, worauf die Kunden hinauswollen, wo sie unterwegs sind, wo sie parken. Wenn jemand beispielsweise nicht auf die Autobahn will, frage ich nach, warum.“ Einige würden nur kurze, bekannte Strecken fahren. Andere nur im Hellen, berichtet Bernot. Nach Einschätzung Erlers ist der durchschnittliche Fahrer glücklich mit dem, was ihm Sicherheit gibt. „Die sind eingeschossen auf ihr Auto, wissen blind, wo jeder kleine Schalter ist, und kommen perfekt zurecht damit.“ Er findet: „Einen alten Baum verpflanzt man nicht.“

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Senioren am Steuer: Neues Auto kann zum Problem werden

Wird ein neues Fahrzeug angeschafft, kann die Technik jedoch schnell zur Herausforderung werden. Dann muss Dirk Bernot den Kunden ihr Auto erklären. Vieles werde ihnen von den Verkäufern gar nicht mehr mitgeteilt. So sei eine Frau völlig überrascht gewesen, als er ihr das Head-up-Display gezeigt habe. „Sie wusste gar nicht, dass ihr Wagen das hat“, sagt der Fahrlehrer. Ältere Menschen verließen sich oft auf die Lichtautomatik. Ein Risiko bei tagsüber auftretendem Nebel, weil nur das Tagfahrlicht vorn eingeschaltet sei. Erler berichtet von einer Dame Mitte 70, die einen neuen Golf mit Vollausstattung fuhr, aber nicht in der Lage war, die Klimaanlage auszuschalten, weil sie die Knöpfe nicht fand – die Regelung über das Touchdisplay kam ihr nicht in den Sinn.

Alexander Erler findet sehr positiv, „dass die Älteren nicht durch die Gegend rasen, sondern sich an Verkehrsregeln halten“. Die Arbeit mit Senioren bringe ihm viel Spaß. „Ich finde das toll.“ Ein Herr Anfang 80 komme jedes Jahr zu ihm. Mit einem Augenzwinkern sage er immer: „Alex, ich brauche wieder meinen TÜV-Stempel.“ „Und er fährt super Auto“, meint Erler. Erst nach erfolgreichem Fahrsicherheits-Check melde der Kunde sein Auto zur nächsten Inspektion oder Hauptuntersuchung an. Sonst würde er seinen Wagen verkaufen.

Dirk Bernot schätzt die Abwechslung, die ihm sein Beruf bietet. „Dadurch wird es nie langweilig.“ Schon sein Vater war Fahrlehrer. Der sei inzwischen 84 Jahre und habe die Reife zu sagen: „Ich fahre nicht mehr“, so Bernot. „Mein Vater lässt jetzt seine Frau fahren.“

Kontakt: fahrschule-schoelermann.de, die-fahrschule-schwartau.de, adac.de/verkehr/verkehrssicherheit/aeltere-autofahrer/fahrfitnesscheck/