Wedel. Widerstand von Anwohnern gegen geplantes Rehder-Projekt wächst. Welche Argumente die Nachbarn vorbringen, was die Politik machen soll.
Da neue oder bezahlbare Wohnungen in Wedel rar sind, werden zunehmend freie Flächen bebaut, um die Situation auf dem Immobilienmarkt zu entspannen. Doch eines dieser Projekte gerät nun ins Blickfeld von Anwohnerprotesten. Denn gegen das große Bauvorhaben der Wedeler Firma Rehder Wohnungsbau zwischen Holmer Straße und Ansgariusweg mit 100 Wohnungen regt sich jetzt massiver Widerstand in der Nachbarschaft.
Geplant sind sechs Wohnkomplexe, zwei davon sollen fünf Stockwerke hoch werden. Es soll ein Mix aus Eigentumswohnungen, Mietwohnungen und sozial gefördertem Wohnraum entstehen. 60 Prozent der Wohnungen sollen mietbar gebaut werden. Die Hauptvorwürfe der Nachbarn lauten jetzt: Die Gebäude sorgen für Verschattung der angrenzenden Häuser, der Zuzug führe zu einer Überlastung des Verkehrs.
Neubauprojekt mit 100 Wohnungen in Wedel: Protestbewegung möchte Planung stoppen
Uneinigkeit herrscht auch bei der Politik – das Rehder-Projekt ist kürzlich vom Rat, der solchen Großvorhaben zustimmen muss, per Mehrheitsbeschluss wieder zurück in den Planungsausschuss gewandert. Bis Freitag, 29. November, dauert auch ein dazugehöriges Bürgerbeteiligungsverfahren. Der Stadtverwaltung können Meinungen und Anregungen zum Bebauungsplan „Hogschlag“ mitgeteilt werden.
Mit Unterstützung eines Anwalts haben sich die mehr als 60 Anwohner nun zu der Interessengemeinschaft „Hogschlag mitgestalten“ zusammengeschlossen. Dabei betont die Protestbewegung, dass sie nicht gegen das Bauprojekt ist, sie wünsche sich lediglich kleinere Dimensionen. Weniger hoch soll es werden, weniger Wohnungen sollen entstehen. „Wir halten diese Bebauung für zu massiv und zu groß“, sagt Roland Schneider (66), einer von insgesamt fünf Sprechern der Gemeinschaft.
Rehder-Projekt an B431: Wedeler Anwohnern missfällt die Gebäudehöhe
Immer mehr Anwohner würden sich der IG anschließen. „Die beiden fünfstöckigen Gebäude im Zentrum des Baugebiets lassen eine riesige Wand von etwa 17 Metern Höhe vor der Haustür bei einigen Anwohnern entstehen. Es ist dann quasi so wie in der Hamburger Innenstadt“, sagt IG-Sprecher Holger Craemer. Er sitzt für die Grünen auch im Wedeler Stadtparlament. An den Diskussionen und politischen Abstimmungen hat er sich jedoch nicht beteiligt.
Für einige Nachbarn habe das Projekt Konsequenzen. Ihr viel kleineres Haus liege dann im Schatten der Neubauten. Und einige Häuser östlich von den Fünfgeschossern hätten ab „16, 17 Uhr keine Sonne mehr“. Aus Sicht der IG sei die Verschattungsanalyse des Investors am Hochsommer ausgerichtet, wenn die Sonne höher stehe als zu anderen Jahreszeiten. Für Besitzer von Photovoltaik-Anlagen könnte das Bauprojekt zudem erhebliche Auswirkungen auf die Stromerzeugung haben.
„Das generelle Problem ist, dass solch eine Bebauung nicht in die Gegend der Altstadt passt. Hier gibt es Ein- und Zwei-Familienhäuser, Reihenhäuser und ein Mehrfamilienhaus mit 2,5 Etagen“, sagt Schneider. Das Bauvorhaben müsse sich „harmonisch“ in die vorherrschende Stadtteil-Optik bis zum Geestrand einfügen.
Bauprojekt in Wedel: Kein gültiger Bebauungsplan – Neubauten müssten zur Umgebung passen
Da es für das Gebiet bisher keinen gültigen Bebauungsplan gibt – sondern nur einen Aufstellungsbeschluss – müsste laut IG-Vertretern das sogenannte Einfügungsgebot im Baurecht gelten. Kurz: Die Bebauung muss zur Umgebung passen. Aus Sicht des Physikers im Ruhestand würde eine Bebauung in die Höhe auch die Flächenversiegelung erhöhen, etwa durch größere Parkflächen, die zwangsläufig entstehen müssten.
Ohnehin müsse bei solchen Bauprojekten eine unterirdische Flächenversiegelung dazugerechnet werden, etwa durch Tiefgaragen. Geplant werde im konkreten Fall mit einer großen sowie weiteren Parkgelegenheiten auf dem Areal. Aus Sicht der IG ergeben sich dadurch weitere Probleme: „Die Belastung für den Verkehr ist eines davon. Zudem müsste auch in die soziale Infrastruktur, etwa in Spielplätze, Kindertagesstätten und Schulerweiterungen investiert werden, wenn Familien herziehen“, so Craemer.
Bauprojekt in Wedel: Umbau der Kreuzung an der B431 ist bisher nur „angedacht“
Bisher habe der für ein Wohngebiet an der B431 zuständige Landesbetrieb Straßenbau und Verkehr Schleswig-Holstein (LBV.SH) lediglich in Aussicht gestellt, die gegenüberliegende Kreuzung Lülanden für einen besseren Verkehrsfluss umzubauen. Und auch auf die hochverschuldete Stadt kämen Kosten zu, wenn die bisher geplanten 100 Wohnungen bezogen werden.
Die berechneten Infrastrukturfolgekosten etwa, die einmalig vom Investor an die Verwaltung zu bezahlen wären, würden nach der aktuellen Preis-Entwicklungen schon bei mehr als einer Million Euro liegen. Die 2023 in der Kalkulation aufgerufenen gut 840.000 Euro würden bei weitem nicht mehr ausreichen.
Gespräche mit Stadtverwaltung und Investor waren „konstruktiv“ und „fair“
Mit Hinweis auf den Datenschutz seien auch Fragen zu Vertragsinhalten oder der Zusammenarbeit zwischen der Stadt Wedel und dem Immobilien-Unternehmen weitgehend unbeantwortet geblieben. „Unsere Gespräche mit Mitarbeitern der Stadtverwaltung waren konstruktiv. Uns ist erklärt worden, dass formal alles richtig läuft, sie aber nicht über Größe und Höhe entscheiden“, sagt Schneider.
Mit Geschäftsführer Stephan Rehder habe man ebenfalls ein „vernünftiges, faires Gespräch“ geführt. Aber es sei den beiden Vertretern der Interessengemeinschaft auch klar, dass dieser eben seine eigenen Interessen vertrete und somit einen unverrückbar scheinenden Standpunkt vertrete, um den für ihn maximalen Profit zu erzielen. Hier sei nun aus seiner Sicht die Wedeler Politik gefordert.
Wedeler Interessengemeinschaft: „Wir halten es für sinnvoll, kleinere Brötchen zu backen“
Auch mit 60 Wohnungen ließen sich vermutlich noch ausreichend Gewinne erwirtschaften, meint die IG. „Wir halten es für sinnvoll, kleinere Brötchen zu backen. Kleinere und weniger Wohnungen sind auch schneller fertig“, sagen die Anwohner. Die maximale Verdichtung von Wohnraum sorge für nicht passende „Schieflagen“, wenn kleine Häuser neben großen Mehrgeschossern stehen. Die Anwohner hoffen auf eine angepasste, nachhaltige Bauweise.
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„Wir möchten einen Konsens aller Beteiligten finden und der Politik die Möglichkeit geben, ihre bisher getroffenen Entscheidungen zu überdenken“, sagt Craemer, hauptberuflich in der IT-Branche tätig. Und die beiden fordern zudem Stangengerüste für geplante Neubauprojekte, um Anwohnern das ganze Ausmaß zu visualisieren. Dies sei etwa in der Schweiz Pflicht.
Nach dem ersten Bürgerbeteiligungsverfahren schließt sich noch ein weiteres an. Dem mehrheitlich angenommenen Antrag, die Planungen für das Bauvorhaben zunächst wieder in den Planungsausschuss zurückzuweisen, hatten sich die CDU, die Wählergemeinschaft Wedeler Soziale Initiative (WSI) und die Linke angeschlossen. Dagegen waren die SPD und FDP.