Kreis Pinneberg. In Wedel, Quickborn und Uetersen etwa drohen große Vorhaben sogar zu scheitern. Alle hoffen auf die Wende, aber kommt sie auch?
Der Bedarf an günstigen Mietwohnungen wächst und wächst. Doch die hohen Grundstückskosten vor allem im Hamburger Muskelring und die begrenzten Fördermittel bremsen die öffentlichen und privaten Bauträger aus. Vor allem im Kreis Pinneberg stocken mehrere große Bauvorhaben. Jetzt wird nach Auswegen gesucht. Und wer fertige Pläne in der Schublade hat, gewinnt das Rennen um die Fördergelder.
Die Ausgangslage: Die Wohnraumförderung des Landes Schleswig-Holstein für den Mietwohnungsbau wird extrem stark nachgefragt, seit die Zinsen durch Ukraine-Krieg und weltweiter Wirtschaftskrisen in die Höhe schossen. Alle Fördermittel des Jahres 2024 sind bereits in konkreten Wohnungsbauprojekten gebunden. Deshalb stockte das Land Anfang 2024 Fördertopf noch einmal um 100 Millionen Euro auf, verhängte aber unmittelbar darauf einen Antragsstopp.
Sozialwohnungen: Investitionsbank zahlt in zwei Jahren jeweils mehr als 300 Millionen
Die nackten Zahlen: Die Investitionsbank (IB.SH) hat im vorigen Jahr für Wohnungsbauprojekte günstige Darlehen in Höhe von 310 Millionen Euro ausgezahlt. 2000 Wohnungen wurden damit errichtet. Auch in diesem Jahr wird diese Summe der Förderdarlehen erreicht. Für die kommenden Jahre sind bereits Projekte mit insgesamt 1000 Wohnungen bekannt. Da bleibt kaum Raum für Neues und wegen des Sparzwangs des Landes und Bundes vermutlich keine Chance, mehr auszugeben.
Auf Geld aus Kiel wollen nicht alle warten. In Elmshorn denkt die Baugenossenschaft Adlershorst über ganz neue Wege nach und plant ein Bauen von der Stange, um auch ohne beziehungsweise mit geringen Fördermitteln auszukommen. So sollen an der Krückau in den nächsten Jahren 200 Wohnungen, darunter ein Drittel als sozialer Wohnraum, errichtet werden.
Wedel: Wohnungsunternehmen Rehder fürchtet Planungsstopp
Der Run auf staatliche Finanzhilfen hat jetzt wieder begonnen: Die neue Förderung kann seit 1. September beantragt werden. Doch der Zuschusstopf reicht wahrscheinlich vorn und hinten nicht aus. Das trifft nicht nur den sozialen, sondern auch den allgemeinen Wohnungsbau. Ein Beispiel aus Wedel: Am Ansgariusweg wird ein Baugebiet für etwa 100 Wohnungen, 40 davon als sozialer Wohnraum, geplant.
Doch wenn es dafür keine Fördermittel mehr gibt, äußert sich Stephan Rehder, Geschäftsführer des gleichnamigen Wohnungsbauunternehmens in Wedel, pessimistisch: „Für diesen Fall werden wir das Bauvorhaben auch insgesamt nicht beginnen und auf bessere Zeiten warten müssen.“
Semmelhaacks letztes Projekt im Kreis Pinneberg fast drei Jahre alt
Das Elmshorner Wohnungsunternehmen Semmelhaack, eines der größten in der Region, bestätigt ebenfalls den Stillstand im Wohnungsbau. „Geschosswohnungen zur Miete, gefördert oder frei finanziert, haben wir in den ersten acht Monaten im Kreis Pinneberg nicht fertiggestellt“, sagt Hartmut Thede, Leiter für die Projektentwicklung bei Semmelhaack.
In der Tat war es so, dass zu Jahresbeginn 2024 die Mittel aus der sozialen Wohnraumförderung überzeichnet waren. Das für Bauvorhaben zuständige Innenministerium verhängte deshalb den Antragsstopp für Mittel aus diesem Programm. „Es ist davon auszugehen, dass die Antragsflut sehr groß sein wird und die Mittel schnell verbraucht sein werden“, befürchtet Semmelhaacks Projektleiter Hartmut Thede.
Elmshorn: Semmelhaack optimistisch für Knechtsche-Hallen-Vorhaben
Trotz alledem wird gebaut. „Landesweit haben wir an verschiedenen Standorten diverse Wohnungsobjekte im Bau, die durchfinanziert, das heißt mit Mitteln der IB SH und teilweise auch noch mit KFW-Mitteln fertiggestellt werden“, berichtet Thede.
Jetzt läuft die nächste Runde im Förderprogramm. Keine Chance haben anscheinend diejenigen, die noch keine fertigen Pläne einreichen können. Semmelhaack hat jedoch vorgearbeitet. Projektleiter Thede sagt: „Wir sind sehr zuversichtlich, dass wir in den kommenden Jahren unsere Neubaupläne im Kreis Pinneberg, hier insbesondere in Elmshorn mit Buttermarkt/Knechtsche Hallen und so weiter erfolgreich realisieren können, um so für die Bürger Elmshorns bezahlbaren Wohnraum schaffen zu können.“
Elmshorn setzt voll auf Innen- statt Außenentwicklung
Die Stadt Elmshorn hat sowohl das Semmelhaacksche Buttermarkt-Projekt mit 90 geförderten von insgesamt 200 Wohneinheiten als auch einen reinen sozialen Wohnungsbau mit 39 Einheiten am Wedenkamp mit höchster Priorität für den neuen Förderzeitraum angemeldet. Marius Munk, Leiter des Amtes für Stadtentwicklung, ist dazu im engen Austausch mit der Investitionsbank und dem Ministerium.
Denn gerade der reine Sozialwohnungsbau wie am Wedenkamp wird nach den Förderkriterien nicht in voller Höhe gefördert. Maximal 70 Prozent seien drin. Mit besonderen städtebaulichen Argumenten will die größte Stadt im Kreis Pinneberg ihren sozialen Wohnungsbestand wieder aufstocken. „Wir setzen voll auf Innen- statt Außenentwicklung“, sagt Stadtentwicklungs-Leiter Munk.
In Elmshorn fallen rund 1000 Wohnungen aus der Sozialbindung
Der Rückgang geförderter Wohnungen ist in Elmshorn deutlich sichtbar: 2018 fielen auf einen Schlag gut 500 Wohnungen von 1.863 dieser Wohnungen weg. Es folgten laut Marius Munk auch in den folgenden Jahren weitere, kleine Abgänge, und 2025 stehen nochmal 400 vor dem Ende der Sozialbindung.
Der Leiter der Stadtentwicklung sagt: „Die Stadt hat über die Jahre immer wieder mit Investoren darüber verhandelt, geförderte Wohnungen zu errichten. Das gelang jedoch aufgrund der langen Niedrigzinsphase nur schleppend. Jetzt besteht zwar die historische Chance, so viel geförderten Wohnraum zu errichten, wie es jahrzehntelang nicht möglich war. Jedoch treffen wir in dieser Zeit auf leere öffentliche Kassen und veränderte Prioritäten bei Bund und Ländern. Das ist ein echtes Dilemma.“ Und wird sich auf die Mietpreise auswirken: Noch kommt Elmshorn im Mietpreisspiegel auf eine Nettokaltmiete von gut 8,50 Euro, und liegt damit deutlich unter den Zahlen beispielsweise für Wedel. Nur mit neuen Sozialwohnungen ließe sich gegensteuern.
Uetersen: 152 Sozialwohnungen mit höchster Priorität beantragt
Auch in Uetersen wird auf ein positives Signal aus der Investitionsbank gehofft. Dort soll die PGH Planungsgesellschaft Holzbau GmbH aus Hamburg 152 sozial geförderte Wohnungen auf einem ehemaligen Gewerbegrundstück errichten. Der Heizkesselbauer isw hatte das Grundstück an der Heinrich-Schröder-Straße 2023 und damit früher als geplant geräumt.
Eigentlich sollte mit dem Wohnungsbau bereits begonnen werden. Doch der Fördermittelstopp kam dazwischen. Jetzt werden die Karten neu gemischt. „Dabei wurde dieses Vorhaben auch mit der höchsten Priorität angegeben, das heißt, es ist durch die IB.SH vorrangig vor anderen Vorhaben auf der Liste zu bearbeiten/zu fördern“, sagt Stadtplaner Malte Hein.
Quickborn: 120 Sozialwohnungen liegen auf Eis
Für Quickborn bleibt sozialer Wohnungsbau ebenfalls ein großes Problem. In der Stadt lassen sich etwa 120 Wohnungen wegen der fehlenden Fördermittel nicht verwirklichen, bestätigt Rathaussprecher Helge Tiemann. Deshalb sei es „essenziell, dass das Fördervolumen von Bund und Land mindestens auf dem aktuellen Niveau bleibt, bestenfalls zumindest kurzfristig aufgestockt“ werde.
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Wichtig sei es zudem, die Bauvorschriften zu vereinfachen und die Ausgaben zu senken. Die Quickborner schlagen vor, die Schalldämmung in den Gebäuden zu verringern, Leitungen auch über Putz verlegen zu dürfen, Energie-Standards nicht auszuufern und die Anzahl und Kosten für Pkw-Stellplätze abzusenken. Die Planer der Stadt weisen allerdings darauf hin, dass die Gebäude dem Klimawandel angepasst werden müssen, Regenwasser möglichst auf dem Gelände bleiben sollte und insgesamt die Bodenversiegelung zu begrenzen sei – alles Probleme, für die es keine einfachen Lösungen gibt.